Was macht eine gute zu einer außergewöhnlichen Lehrerin? „Eine außergewöhnliche Lehrerin sorgt dafür, dass sich jeder willkommen fühlt.“ Und wenn sie dann auch noch den Unterricht spannend gestaltet und ihre Schülerinnen und Schüler nicht nur auf das Studium oder die Ausbildung, sondern „auf das Leben und das Menschsein“ vorbereitet, dann sind das schon mal gute Voraussetzungen für eine ausgezeichnete Lehrerin. Melanie Müller-Schlaudt ist eine solche. Das hat sie jetzt auch schriftlich. Von ihren Schülerinnen und Schülern und vom Deutschen Philologen-Verband und der Heraeus Bildungsstiftung. Melanie Müller-Schlaudt ist mit dem Deutschen Lehrkräftepreis 2024 ausgezeichnet worden.
„Ich hatte gute Lehrerinnen an der Marienschule, und das prägt.“
Melanie Müller-Schlaudt blickt auf ihre eigene Schulzeit zurück.
Sie habe ihm den „Glauben zurückgegeben, dass Schule toll und Lehrerinnen und Lehrer wertvoll sein können“, schreibt einer ihrer Schüler in der Bewerbung. Ihre Tutorengruppe hatte den Lobgesang verfasst, sie als „Lehrerin mit Herz“ gerühmt, die „Lehrerin im Sommerkleid“ bedichtet, ihre Freundlichkeit, Geduld, Fürsorglichkeit und Gastgeber-Qualitäten gepriesen und sie für den Wettbewerb angemeldet. Als sie davon erfuhr, habe sie sich über die Wertschätzung gefreut und das Ganze schnell wieder ad acta gelegt, sagt Melanie Müller-Schlaudt. Schließlich seien 8500 Lehrkräfte aus ganz Deutschland von ihren Schülern vorgeschlagen worden. Und eigentlich sei ihr so viel Aufmerksamkeit gar nicht recht.
Von guten Lehrerinnen geprägt
Schließlich geht es ihr um die Schüler. In der zehnten Klasse habe sie gewusst, dass sie einmal Lehrerin werden möchte, sagt Melanie Müller-Schlaudt. „Ich hatte gute Lehrerinnen an der Marienschule, und das prägt.“ Und dann war da Schwester Christiane, die Schulleiterin damals, „das Vorbild schlechthin“. Seit 2006 ist sie selbst eins. Damals hatte sie ihr Referendariat an der Tilemannschule in Limburg begonnen – und sie ist dort geblieben. „Ich habe es hier sehr gut getroffen.“ Ohne gute Kollegen, eine wertschätzende Atmosphäre und eine aufgeschlossene Schulleitung sei gute Arbeit nur schwer machbar. „Hier sind einige Kollegen, die den Preis auch verdient hätten.“ Und mit ihren Ideen habe sie immer offene Türen eingerannt.
Ideen für guten Unterricht hat sie viele. Schließlich bringt sie dem Lehrernachwuchs am Studienseminar in Wiesbaden bei, wie sie die „Lernumgebung innovativ gestalten“ können. Dabei gehe es nicht darum, die Schüler immer wieder mit neuen Methoden zu überraschen, sondern um die Möglichkeiten und Chancen des binnendifferenzierten Unterrichts, darum, die Schülerinnen in ihrer Individualität zu fördern, sagt Melanie Müller-Schlaudt.
Kreatives Arbeiten erwünscht
Wie das dann ganz praktisch aussieht, weiß sie aus ihrem Unterricht. Deutsch, Politik und Wirtschaft sind ihre Fächer. Powi, weil das Fach so vielfältig ist und weil sie die Verflechtungen und Zusammenhänge schon immer interessiert haben, und Deutsch, weil sie Literatur liebt und weil es ja immer auch um Kommunikation und Psychologie geht. Mathe kann sie auch, „aber da würde ich beim Erklären an meine Grenzen stoßen“. Und die eigenen Grenzen zu kennen, ist ja schließlich auch etwas, das eine ausgezeichnete Lehrerin ausmacht. Sie muss ja auch die Stärken und Grenzen ihrer Schüler erkennen.
Deshalb sind ihre Schüler ihr immer noch dankbar, dass sie in der neunten Klasse Popsongs analysiert hat, als Gedichtanalyse auf dem Plan stand, schließlich sei die Klasse noch von Goethes „Faust“ in der siebten Klasse traumatisiert gewesen – so steht es zumindest in der Bewerbung für den Lehrkräftepreis. Deshalb haben ihre Schülerinnen, wenn zum Beispiel Charakterisierung auf dem Plan steht, die Wahl: Sie können eine Figur ganz klassisch analysieren, sie können aber auch eine Szene aus Sicht der Figur schreiben. „Kreatives Arbeiten ist wichtig und möglich“, sagt Melanie Müller-Schlaudt. Natürlich gebe es auch bei ihr manchmal den klassischen Frontalunterricht, schließlich müsse sie ja auch mal etwas erklären. Aber „Buch, Seite“, sagt sie nie. Zumal im Powi-Unterricht das Arbeiten mit Schulbüchern gar nicht möglich sei. Weil sich die Welt rasend schnell verändert und weil es ja gerade ihre Aufgabe sei, die Komplexität der Welt zu erklären und die Fragen der Schüler zu beantworten.
Fächerübergreifender Unterricht wäre ideal
Natürlich würde das besser gehen, wenn sie mehr Zeit hätte, die Lerngruppe kleiner und Unterricht nicht nur binnendifferenziert, sondern auch fächerübergreifend wäre. Ein Unterricht im Team wäre ebenfalls perfekt. „Damit mehr Menschen verantwortlich auf die Kinder blicken und Zeit für sie haben.“ Aber dafür müssten die systemischen Voraussetzungen verändert werden – damit die Noten auch auf dem Gymnasium nicht das Wichtigste sind und alle Kinder ihre Fähigkeiten entdecken können.
Deshalb hat ihre große Tochter auch in den ersten Schuljahren keine Regelschule besucht, sondern eine Montessori-Schule. „Da hat sie viele tolle Erfahrungen gemacht, aber natürlich ist auch da nicht alles perfekt“, sagt Melanie Müller-Schlaudt und lacht. Aber die Bedingungen sind an privaten Schulen manchmal anders. Und so müssen sie und ihre Kollegen eben im Rahmen der Möglichkeiten versuchen, Kinder „zum forschenden Denken“ zu erziehen. Schule sei auf dem Weg, sagt Melanie Müller-Schlaudt.
Praxisbezug ist wichtig
I n den vergangenen Jahren sei viel passiert: in der Lehrerausbildung, aber auch in Sachen Digitalisierung. Und dazu kommen die politischen Umwälzungen und die Mediennutzung. Schon allein deshalb sei sie froh, dass sie nicht nur in der Lehrerausbildung arbeitet, sondern auch den Praxisbezug hat. Schließlich müsse sie ja wissen, was für die Schülerinnen und Schüler wichtig ist. Und: „Mir macht die Arbeit mit den Klassen total viel Spaß.“ Im Bewerbungsschreiben für den Deutschen Lehrkräftepreis liest sich das so: „Sie ist die liebste Lehrerin, die ich je hatte.“ Oder: „Man kann mit ihr lachen, als wäre man seit Jahren befreundet.“