Zwei Mal im Jahr haben sich Mitglieder jener Ex-Mariner, jener Freunde des Meeres, am Fahnenmast auf der Kalkspitze in Bad Ems versammelt, um im Frühjahr die Flaggen zu hissen und im Herbst selbige wieder einzuholen. In der Sommersaison wurden Bootsführer in der Kurstadt von den neun bunten flatternden Flaggen begrüßt, ein Zeichen der Verbundenheit mit den Menschen, durch deren Adern Salzwasser fließt, die lieber Wogen als festen Boden unter den Füßen spüren.
Was für das Aus gesorgt hat? Zwei Jahre Corona-Pandemie haben – wie in zahllosen anderen Vereinigungen land- und flussauf und -ab – zu einer Flaute geführt, der langjährige, engagierte Vorsitzende Manfred Kutscher ist im November 2021 verstorben, und zwei weitere Vorstandsmitglieder sind verzogen – darunter Schriftführerin Hilde Pfaff. „Es hat sich einfach niemand mehr gefunden, der das weitermachen wollte“, bedauert die 67-Jährige. Sie war 17 Jahre lang Leiterin der Lahntalmöwen, des kameradschaftseigenen Shanty-Chors, der 2004 als Singkreis begann und 2009 offiziell als Shanty-Chor beim Deutschen Marinebund eingetragen war. „Dafür habe ich extra Akkordeon spielen gelernt“, erinnert sich Hilde Pfaff. Die singfreudigen Möwen strecken mit der Marinekameradschaft die Flügel.
Auch Marinemaler Reinhard Fröhbrodt hat den Pinsel niedergelegt. Fast 25 Jahre lang entwarf und fertigte er offiziell für die Deutsche Marine Wappen, Wimpel und Fahnen, Anstecknadeln, Urkunden und Seekarten. Vor allem malte er eindrucksvolle Bilder. Seine eigens gefertigte Fahne für die Marinekameradschaft soll ins Stadtmuseum ziehen.
Es waren die ehemaligen Marinekameraden Reinhold Hausen, Günther Stanke und Horst Heimann, die im Jahr 1988 zusammen mit weiteren Freunden, die der Seefahrt zugewandt waren, die Marinekameradschaft Bad Ems gründeten, um die Verbundenheit mit der Marine und dem Meer zu wahren, eine Bordkameradschaft und den Seegedanken auch im Binnenland zu fördern, Traditionen und Gemeinschaft zu pflegen. Nach und nach stießen immer mehr Menschen dazu, die nicht aus der Marine kamen, die aber die Freude am Meer und der Schifffahrt teilten. Mehr als 80 Mitglieder zählte die MK Bad Ems einst.
Kontakte zu anderen Kameradschaften und Vereinen pflegen stand auch auf der Agenda. Die frühen Bordfeste auf der Kalkspitze eigneten sich gut dafür, und bald schon verlegte man die gesellige Zusammenkunft in den Jachthafen Kutscher’s Marina, wo fortan fröhliche Hafenfeste gefeiert wurden. Die Flaggenparade zog nun mehr von dort aus feierlich zur Kalkspitze, um die Fahnen zu hissen, die Saison einzuläuten und der verstorbenen Kameraden zu gedenken. Das erste Corona-Jahr 2020 hatte die Marinekameradschaft genutzt, um den Flaggenmast gründlich zu sanieren. Eine letzte Parade am frisch herausgeputzten Mast gab es im vergangenen Frühjahr.
Mit der Auflösung der Marinekameradschaft soll der Fahnenmast in das Eigentum der Stadt Bad Ems übergehen, die sich, sollte sie die Spende annehmen, dann Gedanken darüber machen muss, ob jemand und wer gegebenenfalls die Flaggen hisst. Stadtbürgermeister Oliver Krügel sprach das Thema in der November-Sitzung des Stadtrates an. „Wir sind auf jeden Fall an einer Lösung interessiert, die den Bestand des Fahnenmastes auf der Kalkspitze sichert“, erklärte er im RLZ-Gespräch. „Der Mast gehört da nach meinem Empfinden hin.“ Auch das übrige Vermögen der Vereinigung geht per Satzung an die Stadt, die das Geld eigentlich zur Marinepflege aufwenden soll. Ob und wie die Stadt das leisten kann, müsse ebenfalls geklärt werden, so Krügel.