Weinmajestäten von Mittelrhein und Mosel nutzen Besuch zu Kritik an Auflagenflut
Majestäten vom Mittelrhein besuchen Hauptstadt: Politikern in Berlin Sorgen der Winzer aufgetischt
Die Bundestagsabgeordneten Josef Oster (links) und Philipp Amthor im Gespräch mit den Majestäten aus der Mittelrheinregion. Die Gäste nutzten die Gelegenheit, in Berlin für Wein und andere Produkte zu werben, aber auch kritische Fragen zu stellen und Anliegen vorzutragen. Foto: Bernd-Christoph Matern
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Rhein-Lahn/Berlin. Gekrönte Oberhäupter geben sich gern mal in Berlin die Ehre. Wenn aber Majestäten im prunkvollen Ornat in solcher Vielzahl und Vielfalt der Hauptstadt einen Besuch abstatten, wie es jetzt Repräsentantinnen und Repräsentanten von Mittelrhein, Lahn und Mosel taten, ist das ein echter Hingucker.

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Doch die 40 prächtig herausgeputzten Damen und Herren, die der Bundestagsabgeordnete Josef Oster (CDU) eingeladen hatte, gaben nicht nur eine fotogene Figur ab und lächelten in viele Kameras, sondern nutzten die Gelegenheit, den Politikern zu sagen, wo sie der Schuh drückt.

Ob Brüssel, Berlin oder Mainz – den werbenden Gesichtern für die Schönheit der Region und die Qualität der Weine an Mittelrhein und Mosel ist relativ egal, woher die einschränkenden und aufwendigen Verordnungen stammen. Während einer Stippvisite im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) nutzen sie die Gelegenheit, den Regierungsvertretern ihre Probleme in Sachen Trockenmauern, Schädlingsbekämpfung und Lagen-Bezeichnungen zu schildern.

Sonderfall Steillagen

„Da sitzen Leute Hunderte Kilometer weit weg und reden über wichtige Themen, anstatt sich für ihre Entscheidungen die Situation mal vor Ort anzuschauen“, zieht etwa Gero Schüler im Gespräch mit dieser Zeitung ein Fazit des Besuchs. Er ist nicht nur Mittelrheinweinprinz, sondern selbst Winzer in Bacharach.

Im BMEL spricht er die besondere Situation der Steillagenbewirtschaftung an. Fast 90 Prozent der Weinberge am Mittelrhein sind Steillagen, ein Sonderfall unter den Weinanbaugebieten in ganz Deutschland. „Da geht es ja nicht nur um Weinbau, sondern vor allem auch um die Pflege der Kulturlandschaft, die dort mühsam betrieben wird“, sagt Schüler. „Unsere besondere Situation wird einfach zu wenig berücksichtigt“, so seine Kritik. Junge Winzerinnen und Winzer, die den Weinanbau weiterführen wollen, gebe es ja. „Aber denen wird der Einstieg durch viele Verordnungen schwer gemacht. Das ist schade.“ Überall würden einem vom „Grünen Tisch der Theorie“ aus Steine in den Weg gelegt, so der Mittelrheinweinprinz.

Wertschätzung fehlt

Um die geht es wörtlich beim Erhalt oder dem Wiederaufbau von Trockenmauern, dem Lebensraum vieler Tierarten, so etwa dem vom Aussterben bedrohten Mosel-Apollofalter, Schmetterling des Jahres 2024. „Seit Jahrzehnten lebt der Falter hier gerade dank des Weinanbaus“, sagt Jacqueline Krause aus Winningen, bis 2023 war sie Moselweinprinzessin. Der Weinbau verhindere nämlich, dass die steilen Hänge verbuschen. „Wenn dann aber beim Wiederaufbau umgestürzter Mauern noch strengere Auflagen umgesetzt werden müssen, ist das kaum noch tragbar und schadet Winzern und Tieren gleichermaßen“, bemängelt Krause. An von Brüssel oder Berlin ersonnenen Verordnungen fehle ihr oft die Wertschätzung für das, was Moselwinzer für den Erhalt der Kulturlandschaft wie an der Terrassenmosel leisten. „Die wissen gar nicht, wie Weinbau an der Mosel funktioniert“, ist ihr Eindruck.

Vorerst abgewendet wurde ein neues EU-Verordnungspaket zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln, ohne die weder ökologischer noch herkömmlicher Weinbau auskommen. Anfang des Jahres sorgte es für Schlagzeilen. Der ausschließliche Einsatz von Drohnen beim Ausbringen statt mit den Hubschraubern würde das sichere Aus für den Weinbau an der Mosel bedeuten, sind die Majestäten überzeugt.

Vertraute Namen erhalten

Und noch eine gesetzgeberische Stilblüte mahnen Prinzessin und Prinz von Mosel und Mittelrhein im Bundesministerium und später im Abgeordnetenhaus an der Spree an: das Siegel der geschützten Ursprungsbezeichnungen. Das treibt den Winzern in der weltweit berühmten Tourismus- und Weinbauregion ebenfalls Sorgenfalten auf die Stirn. Im Rahmen des Verbraucherschutzes sollen Großlagen mit dem Begriff Region kenntlich gemacht werden. Die Bezeichnungen auf dem Etikett bei Klassikern wie die Zeller Schwarze Katz, der Winninger Uhlen oder der Kröver Nacktarsch stimmen nicht immer mit den tatsächlichen Gemarkungsgrenzen überein. Winzer und Bürgermeister bangen deshalb um den Erhalt von vertrauten Namen, die als Marke beste Werbung in ganz Deutschland und darüber hinaus sind.

Ungeachtet der Gesetzgebung hoffen die Majestäten in diesem Jahr wieder auf fröhliche und gut besuchte Märkte, Weinfeste und andere Veranstaltungen, „wenn das Wetter mitspielt“, sagt Martinimarkt-Königin Lara Jost aus Osterspai. Zumindest im politischen Berlin wurde dafür ebenso beherzt wie gekonnt ordentlich die Werbetrommel gerührt.

Von Bernd-Christoph Matern

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