Kim weiß durch den Unterricht, wie man sich auf ein Bewerbungsgespräch vorbereitet, sich verhält und kleidet. Den Minijob in einem Bistro hat die 15-Jährige bekommen. Mit großem Interesse verfolgen die Neuntklässler Sparmöglichkeiten und Zinsgewinne, die Lehrerin Svea Groß vorstellt. Beispiel im Unterricht: Anna (15) möchte mit 18 den Führerschein machen, außerdem eine Musikanlage in ihr künftiges Auto einbauen – was die Eltern nicht bezahlen werden. 2500 Euro hat sie gespart, 500 fehlen. Wie gelingt es, mit zweieinhalb Jahren Vorlaufzeit das Kapital zu vergrößern?
Ganz nah an der Praxis
Sparbuch, Tagesgeld, Aktien, Fonds – mit diesen Begriffen können die 15- und 16-Jährigen etwas anfangen. Die Beispiele, per Beamer an die Wand geworfen, sind realitätsnah, treffen ihr Lebensumfeld. „Fit for life“ heißt das Fach, das Ina Illert und Svea Groß an der Taunusschule unterrichten. Ein Eigengewächs, das vor drei Jahren gestartet und in kontinuierlicher Weiterentwicklung ist – auch durch Anregungen der Schüler. In dieses Wahlpflichtfach wollen fast alle. Mittlerweile gibt es zwei parallele Kurse. Die Praxisnähe hilft unmittelbar und ist eine Gelegenheit, bei der Realschüler und Gymnasiasten gemeinsam lernen.
Tochter gab den Impuls
Die Idee geht auf Ina Illerts Tochter Pauline zurück. Die Neuntklässlerin bemängelte zu Hause, dass im Gymnasium so wenig fürs praktische Leben gelernt werde. Hauptschüler haben ab der sechsten Klasse Arbeitslehre. „Die wissen, wie man einen Knopf annäht“, sagt Svea Groß. Ina Illert, Leiterin des Haupt- und Realschulzweigs an der Taunusschule, ergriff die Initiative. Sie rannte bei den Fachlehrerinnen Svea Groß, Katharina Schmitt und Gymnasialzweigleiterin Christiane Theile offene Türen ein. Die Lehrerinnen machten sich daran, den Praxisanteil im Unterricht zu erhöhen – durch ein neues Wahlpflichtfach, genannt „Fit for life“. Das ist drei Jahre her. Jetzt steht ein Lehrplan, der im Hessischen Kultusministerium Beachtung gefunden hat. Sie unterrichten die vier Module Haushalt, Finanzen, Lebensführung und Nachhaltige Ernährung.
Es gibt ein Ranking: „Jeder will wissen, wie man eine Steuererklärung macht“, sagt Ina Illert. „Die Schüler bekommen von daheim mit, dass es sein muss und wohl recht kompliziert ist. Manche beschreiben ein Horrorszenario. Das wollen sie vermeiden und sich vorbereiten.“ Es gibt noch mehr: „Wir haben in verschiedenen Gruppen gekocht, Präsentationen vorbereitet und voneinander gelernt“, berichtet die 15-Jährige Lea zum Thema „Ernährung“. Und was die Haushaltsführung betrifft, weiß Samuel nun, wie man Wäsche nach Temperatur, Farbe und Material trennt und die Maschine bedient. Das wendet er zu Hause an. „Meine Mutter freut sich“, sagt der 15-Jährige. Nächster Schritt: Ihm ist klar, wie man sich in einer Wohngemeinschaft verhält, einen ordentlichen Haushalt plant, einander unterstützt und das tägliche Leben strukturiert.
Weiterentwicklung erkennbar
Anderen fehlt das, hat Amelie Nebel ihren Lehrerinnen berichtet. Ihr Bruder, 20, Abiturient, wollte studieren und suchte nach einer passenden Wohnung. „Seine vier Jahre jüngere Schwester hat für ihn die Mietverträge geprüft. Sie wusste, worauf es ankommt“, erzählt Ina Illert. Finanzen – das Thema steht bei allen hoch im Kurs. „Man merkt, dass sie sich nicht nur in der Schule damit beschäftigen.“ Eine Nähmaschine bedienen – auch das ist eine Fertigkeit, die nachgefragt wird. Ina Illert ist dabei, es in die Planung mit aufzunehmen. „Fit for life“ – das Fach entwickelt sich genau so weiter, wie es die Schüler brauchen.