Leiter des Spenden-Verteilzentrums berichtet bei Besuch in Nassau
Leiter des Spenden-Verteilzentrums berichtet: So helfen Nikoläuse den Menschen im Ahrtal
Der Gründer und Leiter des Spenden-Verteilzentrums Ahrtal, Nick Falkner (Mitte), und Mitarbeiterin Madeleine Gräf nehmen 600 Schokoladennikoläuse von Kaufmann Ulrich Pebler in Empfang und bedanken sich mit einer Urkunde.
Carlo Rosenkranz

Ein Schokoladennikolaus kann viele Funktionen haben. Welchen Zweck diese im von einer Flutwelle zerstörten Ahrtal haben, hat jetzt Nick Falkner vom Spenden-Verteilzentrum erläutert. Er holte persönlich 600 Exemplare bei der Nassauer Kaufmannsfamilie Pebler ab.

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Ein Schokoladennikolaus dient zum Beispiel als Türöffner oder als kleine Aufmerksamkeit für Menschen, die für Notleidende gespendet haben. 600 Exemplare hat nun eine Nassauer Kaufmannsfamilie mithilfe ihrer Kunden und aus eigener Tasche für das Spenden-Verteilzentrum Ahrtal zur Verfügung gestellt. Dessen Gründer und Leiter, der 30 Jahre alte Bundeswehrsoldat Nick Falkner, hat die Nikoläuse eines namhaften Schokoladenherstellers nun selbst in Nassau abgeholt und dabei über die Lage im Ahrtal und die Arbeit seines Teams berichtet.

Vor knapp einem Jahr hatten die Freizeitsportler der Nassauer Drachenbootmannschaft 21pirat.es ihre Kasse geplündert und Hunderte Schokonikoläuse an die Ahr gespendet. Auch damals organisierte die Familie Pebler die Ware und legte selbst und aus dem Geld, das Kunden durch den Verzicht auf Pfandauszahlung beim Leergut beitragen, weihnachtliche Leckereien drauf. Seitdem sind fast zwölf Monate vergangen, in denen der Ukraine-Krieg, Energiekrise, steigende Preise und manches mehr die Lage derer, die von der Flut im Ahrtal betroffen sind, in den Hintergrund haben rücken lassen.

Krise für viele längst nicht überwunden

Nick Falkner hingegen arbeitet vor Ort und weiß aus eigenem Erleben, wie es den Menschen dort geht. „Er hat mich angerufen, und ich war froh, daran erinnert zu werden“, sagt Ulrich Pebler bei der Übergabe der Schachteln mit den Nikoläusen. Denn eines macht Falkner deutlich: Ein Jahr und vier Monate nach der verheerenden Flut ist die Krise für viele Betroffene längt nicht überwunden.

Nein, das Team vom Spenden-Verteilzentrum Ahrtal wird die Nikoläuse nicht Kindern im Flutgebiet überreichen. „Irgendjemand macht so etwas an jedem Adventswochenende“, sagt Nick Falkner und erläutert: Viele Helfer und Institutionen von außen kommen für Weihnachtsaktionen ins Ahrtal. Einen genauen Überblick habe niemand. Das Spenden-Verteilzentrum, das nur vorübergehend öffentliche Gelder erhielt, versucht hingegen gezielt dort aktiv zu werden, wo Unterstützung notwendig ist.

Dazu hat man einen Onlinekatalog eingerichtet, in dem für Betroffene ersichtlich ist, welche Sachen das Verteilzentrum auf Lager hat. „Mehrere Tausend von der Flut betroffene Menschen haben sich dafür registriert“, erklärt Nick Falkner, wer Zugang zu dem Katalog hat. Diese geben dafür auch ihren Bedarf an und werden informiert, wenn Lieferungen eintreffen, die dazu passen.

Lebensmittel sind kein Problem mehr

Anders als noch im vergangenen Jahr sind Lebensmittel nicht mehr das Problem. Von ehemals mehr als 60 Ausgabestellen im Ahrtal sind laut Falkner nur noch zwei in Betrieb. Stattdessen geht es vor allem um Möbel, Wasch- und Spülmaschinen, Elektrogeräte, Gartenwerkzeuge und Ähnliches.

Das Spenden-Verteilzentrum, das seit Sommer keine öffentlichen Gelder mehr erhält und jetzt von einer eigens gegründeten Stiftung getragen wird, geht aktiv auf die Hersteller zu, darunter ein großer Anbieter sogenannter Weißer Ware und die Koblenzer Niederlassung eines weltweit agierenden Möbelhauses. Ab und an liefere immer noch jemand eine Palette Limonade oder Ähnliches an. „Das reichen wir dann für bestimmte Veranstaltungen oder an die mobilen Cafés im Ahrtal weiter“, sagt Nick Falkner.

Doch wofür genau sind nun die Schoko-Nikoläuse aus Nassau gut? „Die können wir zur Weihnachtszeit sehr gut gebrauchen“, sagt Nick Falkner. Sie seien zum Beispiel eine Art Türöffner, um mit einer kleinen Aufmerksamkeit auf die Menschen zuzugehen. „Es ist mitunter schwer, mit Betroffenen ins Gespräch zu kommen“, sagt er. Noch immer könnten viele Menschen, deren Wohnungen und Häuser von der Flutwelle im Juli 2021 heimgesucht wurden, nicht zu Hause wohnen.

Weihnachtszeit offenbart Trauma

Nicht im Sommer, der Jahreszeit, in der das Unglück über die Menschen im Ahrtal hereinbrach, sondern in der Weihnachtszeit werde das Trauma offenbar, dass diese Menschen davongetragen haben. Gerade im Winter würden sie intensiv daran erinnert, in welcher verheerenden Lebenssituation sie sich vor einem Jahr befanden. Zudem zögen sie sich jetzt wieder stärker zurück, weil man in den kalten und dunklen Monaten nicht mehr so häufig draußen und in Gesellschaft anderer sei. Außerdem dienen die Nikoläuse auch als kleine Beigabe für Menschen, die in größerem Maße für die Flutopfer spenden.

Nick Falkner nimmt beim Einladen der 600 Nikoläuse die Gelegenheit wahr, die von der Ahrflut betroffenen Menschen wieder stärker ins Bewusstsein zu rücken. Entsprechend gern kommt er Ulrich Peblers Bitte nach, mehrere Karten mit den Kontaktdaten des Spenden-Verteilzentrums dazulassen. Der Kaufmann ist überzeugt, dass auch andere Nassauer Unterstützung leisten werden. Diese ist Nick Falkner zufolge noch immer dringend notwendig.

Mangel an Handwerkern verlangsamt Wiederaufbau

In manchen Orten gibt es dem 30-Jährigen zufolge kaum Fortschritte, einige Straßen seien noch wie ausgestorben. Vor allem in den Wintermonaten habe sich wenig getan und auch jetzt kehre wieder Ruhe ein. „Das größte Problem ist der Mangel an Handwerkern“, sagt Nick Falkner. Es gebe Häuser, die noch immer Ruinen gleichen. Etliche Menschen seien mit der Bürokratie, die zu bewältigen ist, um Hilfen zu erhalten, schlicht überfordert.

„Viele Betroffene werden erst im Laufe des kommenden Jahres in der Lage sein, wieder zurück ins Tal zu ziehen“, schätzt Nick Falkner. Er hoffe, dass irgendwann 2023 auch die Notwendigkeit des Spenden-Verteilzentrums nicht mehr bestehen wird. Schließlich ist die Einrichtung, die der Bundeswehrsoldat in seiner Freizeit leitet, kein Selbstzweck, der viel Einsatz erfordert. „Wir arbeiten dort, wo Behörden nicht helfen oder es gar nicht dürfen“, sagt er.

Auch vom Beschluss des dortigen Kreistags Ahrweiler im Juli, dem Verteilzentrum die Finanzierung zu streichen, lassen sich Nick Falkner und seine Mitstreiter nicht entmutigen. Mittlerweile hat er eine Stiftung gegründet und dabei großen Zuspruch erfahren. „Viele haben uns sofort unterstützt und sind mit eingestiegen“, sagt er.

Infos im Internet unter www.verteilzentrumahrtal.de

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