„Die Landwirte sind unzufrieden mit der Reaktion der Politik auf die Anliegen der Bauernfamilien“, schreibt Marco Weber, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes (BWV) Rheinland-Nassau auf eine Anfrage unserer Zeitung zur Bilanz der Bauernproteste Anfang des Jahres. Ja, man behalte das grüne Kennzeichen. Denn die Bundesregierung habe von der geplanten Besteuerung der land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeuge nach den ersten massiven Protesten sehr schnell abgesehen.
Auch die von den Bauern am lautesten kritisierte sogenannte Agrardieselvergütung wird nicht sofort gestrichen, sondern in drei Schritten langsam abgebaut. Jedoch ist „dieser Schritt falsch, da wir gerade in diesem Punkt im Wettbewerb mit den Kollegen aus anderen EU-Mitgliedstaaten stehen, die nahezu alle weniger für den Agrardiesel zahlen“, so Webers Kritik an der politischen Entscheidung. „Die Betroffenheit der landwirtschaftlichen Familien ist durch die Proteste mehr als deutlich geworden“, blickt er auf die Demos im Winter zurück.
Schleppender Bürokratieabbau
Als großen Erfolg der Aktionen verbucht Landwirt Thorsten Zellmann, BWV-Vorsitzender in Rhein-Lahn-Kreis, den Kontakt zur Bevölkerung, der durch die Demos entstanden ist und „den wir vorher nicht hatten. Wir erlebten große Solidarität und Dankbarkeit. Das war wirklich toll.“ Die politischen Ergebnisse seien jedoch nur ein maximaler Teilerfolg. Ebenso gebe es beim Bürokratieabbau keine signifikante Verbesserung. „Die Änderungen, die kommen, haben maximal eine homöopathische Wirkung“, so Zellmann.
„Die Landwirte sind unzufrieden mit der Reaktion der Politik.“
Marco Weber, Präsident des BWV Rheinland-Nassau
In dieselbe Kerbe schlägt auch Verbandspräsident Weber: „Die Politik sieht die Themen durchaus. Die Entscheider in Politik und Gesellschaft haben durchaus erkannt, dass die Landwirtschaft Freiräume für die Bewirtschaftung ihrer Betriebe benötigt. Es hapert aber am Willen, sinnvolle Entscheidungen vorzunehmen.“
Die Bauern und Winzer haben in diesem Jahr wirtschaftlich harte Zeiten mit unterdurchschnittlichen Ernten und nicht zufriedenstellenden Preisen erlebt. „Natürlich kann die Politik nicht wirtschaftliche Entwicklungen und schon gar nicht das Wetter beeinflussen. Wir erwarten aber eine erhöhte Rücksichtnahme und die Rücknahme von unsinnigen Auflagen“, fordert Weber, „wir Landwirte arbeiten mit der Natur.
Starre Sperrfristen und Termine sind der Natur nun einmal fremd, und wir Bauern müssen diese Gängeleinen dann ausbaden. Ein gerüttelt Maß an Unmut ist da durchaus verständlich“, antwortet Weber auf die Frage unserer Zeitung, wie die aktuelle Lage bei den Bauern ist. Denn nach Informationen unserer Zeitung kippt aktuell wieder die Stimmung in der Bauernschaft. Die Ersten fordern bereits neue Proteste im kommenden Winter.
Rückblick nach zehn Monaten
„Es sind jetzt zehn Monate nach unseren Protesten vergangen“, blickt nun einer der Mitorganisatoren der damals in Diez abgehaltenen Protestdemo auf die Ereignisse zurück. Damals, Mitte Januar, zählte die Polizei rund 60 Personen mit 40 landwirtschaftlichen Fahrzeugen, die in einem abgesperrten Teilbereich vor dem Diezer Rathaus zwei Stunden lang eine angemeldete Mahnwache abhielten. „Die Steuer auf Diesel ist nur der Tropfen, welcher das Fass zum Überlaufen brachte“, war an dem Nachmittag eine oft zu hörende Meinung. Bis auf einen kleinen Auffahrunfall einer abgelenkten Autofahrerin verlief die Veranstaltung ohne Zwischenfälle, berichtete am Tag danach das Ordnungsamt. Wie aber fällt das Urteil der Teilnehmer heute aus?
„Wenn ich zurückschaue, was wir im Januar in kürzester Zeit auf die Beine gestellt hatten, muss ich sagen, es war schon faszinierend“, so der Mitorganisator, der namentlich nicht genannt werden möchte. „Aber leider hat es nicht zu dem Ziel geführt, das wir uns alle, denke ich, erhofft hatten.“ Denn im Getreidebau sind die Preise weiterhin im Keller geblieben, da die Ware immer noch günstig aus dem Ausland geholt wird.
„Was aber die Betriebsmittel angeht, sind die Einkaufspreise der Landwirte weiterhin sehr hoch im Vergleich zu dem, was man später für das Produkt bekommt.“ Der Erlös stehe daher in keinem Verhältnis zur geleisteten Arbeit. „Es ist in der aktuellen Lage immer noch sehr schwierig, Gewinn deckend zu wirtschaften“, so die Beobachtung. „Für mich haben die Proteste nicht den Erfolg gebracht, den wir uns alle mal erhofft hatten.“
Gestiegene Aufmerksamkeit für Landwirte
Gemischt fällt auch das Urteil zweier weiterer Teilnehmer der Diezer Demo aus. „Es hat sich nichts geändert“, stellt Landwirt Rudolf Nink aus Aull mit Blick auf die geplante Streichung der Dieselsubventionen fest. Gleichzeitig machen ihm und seinen Kollegen die vielen Auflagen der Bürokratie zu schaffen. Für den 70-Jährigen ist daher auch die Zeit gekommen, mit der bisher betriebenen Milchkuhhaltung aufzuhören, da er die nun wieder fälligen Stallumbauten so auch nicht mehr leisten kann. Dabei ging und geht es den Kühen in seinem Stall wohl gut, gesundheitlich gab es offenbar keine Beanstandungen.
Erst einmal positiv blickt dagegen Steffen Spitz aus Altendiez auf die Demonstrationen zurück. „Es hat Aufmerksamkeit gebracht. Landwirte wurden wieder wahrgenommen.“ Aber auch er kritisiert die starren bürokratischen Regelungen und Fristen, die den Arbeitsablauf der Landwirte zu stark reglementieren. „Denn die Natur hält sich nicht an Termine.“