Mit scharfen Worten gegen die Landesregierung stimmte Matthias Lammert, CDU-Kreisvorsitzender und erneut als Direktkandidat für die Landtagswahl 2026 aufgestellt, beim Kreisparteitag in Bogel seine Mannschaft auf den bevorstehenden Wahlkampf ein. 106 Mitglieder folgten der Einladung von Kreisgeschäftsführer Marcel Willig in die Mehrzweckhalle im Blauen Ländchen und applaudierten Lammert zu seiner Rede. Im Fokus: 34 Jahre keine CDU an der Spitze von Rheinland-Pfalz und – wenn es nach Lammerts Worten geht – 34 Jahre Stillstand. Zwar sei der Haushalt des Kreises endlich genehmigt, doch mit großen Einschränkungen. „Uns fehlt das Geld in den Kommunen. Das Land hält hier Geld zurück, um im Wahlkampf große Geschenk zu verteilen“, meinte der Landtagsabgeordnete, „auch wollte man die Probleme in der ärztlichen Versorgung lösen, davon hört man nichts mehr. Wir sind enttäuscht.“
Auch im Kreis versage die Landesregierung. „Es gab eine Zeit, da wollten alle eine Mittelrheinbrücke. Davon höre ich auch nichts mehr. Der große Brückenmacher Roger Lewentz zieht sich zurück. Eine Brücke gibt es immer noch nicht. Erbärmlich!“, so Lammert, der auch an der Bildungspolitik im Land kein gutes Haar ließ: „Wer Kinder hat, weiß, durch welch schlechtes Bildungssystem sie durchmüssen – da müssen wir ran. In Rheinland-Pfalz läuft es schlecht und wir wollen, dass es besser läuft“, feuerte er die Basis im Rhein-Lahn-Kreis an, MdL Gordon Schnieder zum neuen Ministerpräsidenten zu machen. Nicht ohne noch mal Richtung Landesregierung auszuteilen und ihr Überheblichkeit im Umgang mit der Opposition sowie Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) mangelnde Neutralität zu attestieren. Deshalb sei er froh, dass man mit Orthey und Oster nach der letzten Bundestagswahl zumindest wieder zwei starke CDU-Stimmen aus beiden Wahlkreisen der Region in Berlin habe.
Ein positives Resümee zog Lammert in seinem Bericht aus den mittlerweile mehr als 100 Bürgerdialogen in den vergangenen zwei Jahren, in denen man „den Menschen anders als die Landesregierung wieder zugehört hat. Zur Kommunalwahl waren wir nah bei den Menschen und sind dadurch im Kreistag mit Abstand stärkste Kraft geworden.“

Das freute auch Jens Güllering, Fraktionsvorsitzender im Kreistag: „Ich glaube, wir konnten in den letzten Jahren die Menschen überzeugen, dass wir nicht die sind, die immer Frontalopposition betreiben, sondern mit konstruktiven Vorschlägen aufwarten. Aber mir ist auch wichtig zu sagen: Wir als Fraktion sind die Speerspitze der Partei im Kreis, aber die Mitglieder sind die Federn, die dem Pfeil die Richtung vorgeben. Also sagt uns, wo drückt der Schuh im Kreis, wir brauchen Impulse, damit wir im Kreis die Ideen platzieren können“, richtete er das Wort an die Mitglieder.
Dabei gebe es nun nach Kommunalwahlen Arbeit genug. Der Rhein-Lahn-Kreis steuere mit einem minus von 28 Millionen Euro auf den finanziellen Abgrund zu. „Wir haben mit allen Krediten 84 Millionen Euro Schulden. Dabei wat der Haushalt 2019 ausgeglichen“, so Güllering. Für ihn ein Zeichen dafür, dass die Kommunen nicht auskömmlich ausgestattet sind, um ihre Aufgaben zu erledigen. „Heute hat das Bundeskabinett den Wachstumsbooster auf Weg gebracht, das ist sicher gut“, betonte Güllering, „aber das führt zu Einnahmeausfällen von 17 Milliarden Euro, das belastet die Kommunen.“ Das sei keine Kritik an der neuen Regierung, aber man müsse das auf Bundesebene kompensieren, „sonst werden wir weiterhin nur schwer unsere Aufgaben erledigen können.“
Dazu gehöre auch, dass der Kreis den Verlust des Nastätter Paulinenstifts für die zweite Hälfte 2024 und 2025 übernimmt. „Der Landkreis muss sich kümmern, denn das Krankenhaus ist als bedarfsnotwendig eingestuft“, erklärte Güllering. Aber man erwarte einen Krankenhausentwicklungsplan und eine Planung, wie der Standort weiterentwickelt werden kann. „Dazu warten wir weiter auf Rückmeldung aus dem Kreishaus, andere sind schon weiter, unser Landkreis muss jetzt liefern“, forderte er Richtung Kreisverwaltung.

Neben kämpferischen Reden wählte der CDU-Kreisverband Rhein-Lahn wieder einen neuen Vorstand. Mit einer großen Mehrheit von 97,2 Prozent bestätigten die Mitglieder Lammert wieder ins Amt. 104 von 107 Wählenden sprachen dem Diezer ihr Vertrauen aus. Lammert nahm die Wahl mit großer Freude an: „Ich bin seit 1997 Kreisvorsitzender, der dienstälteste in Rheinland-Pfalz. Und ich will unbedingt diese Partei in die Landesregierung führen“, rief er euphorisch. Zu Lammerts Stellvertretenden wurden Bianca Heuser aus Nastätten mit 103 Ja-, 3 Neinstimmen und 1 Enthaltung sowie Dennis Maxeiner aus Lahnstein mit 100 Ja- und 5 Neinstimmen wiedergewählt.
Interessantes aus der Mitgliederentwicklung berichtete die Mitgliederbeauftragte Nicole Hecker-Meyer, die von den Mitgliedern im Amt bestätigt wurde. Laut Hecker-Meyer verzeichnet der CDU-Kreisverband Rhein-Lahn aktuell 831 Mitglieder, davon etwa ein Drittel Frauen. „Das sind schlicht zu wenig. Daran müssen wir arbeiten. Und zwar alle Mann“, formulierte es Hecker-Meyer und sorgte damit für Schmunzler in der Zuhörerschaft. Das Durchschnittsalter bei den Mitgliedern beläuft sich laut Hecker-Meyer auf 64 Jahre – „deutlich zu alt“, sagte die Mitgliedsbeauftragte unumwunden, auch daran müsse man arbeiten. Auf 74 Neumitglieder seit Mai 2023 kommen 72 Austritte – davon 40 Verstorbene. „Gespräche mit den Austrittswilligen zeigen, dass die meisten gehen, weil sie sich nicht mit der Bundespolitik identifizieren“, berichtet Hecker-Meyer, „die wenigsten treten wegen des CDU-Kurses auf Kreisebene aus.“ Eine gute Nachricht für den alten und neuen Kreisvorsitzenden Lammert.