Kritik am Landrat
Lahntalbahn: Schülerverkehr mit Risiken 
Ein Regionalexpress rollt in den Bad Emser Bahnhof ein, in dem weiter an der Halle und den Überdachungen gearbeitet wird. Der RE25 besteht allerdings nur aus einer einzigen Wageneinheit. Auf der Lahntalbahn hatte es mehrfach Probleme bei der Schülerbeförderung wegen zu geringer Kapazitäten gegeben.
Andreas Galonska

Die Lahntalbahn fährt wieder, aber oft reichen die Kapazitäten nicht aus. Vor allem bei der Schülerbeförderung kommt es zu Engpässen und gefährlichen Situationen, weswegen Eltern Landrat Jörg Denninghoff kritisieren.

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Auch Wochen nach der Wiederaufnahme des Zugverkehrs auf der Lahntalbahn reißen die Probleme nicht ab. Verspätungen, Zugausfälle und überfüllte Züge sind weiterhin an der Tagesordnung – besonders betroffen: zahlreiche Schülerinnen und Schüler, die täglich auf eine funktionierende Verbindung angewiesen sind. Die Kritik an Landrat Jörg Denninghoff, in dessen Zuständigkeit die Schülerbeförderung fällt, wird lauter.

Jörg Dillmann aus Singhofen, Vater zweier Schüler des Goethe-Gymnasiums Bad Ems und Mitglied im Schulelternbeirat, hat sich in einem offenen Brief an den Landrat gewandt. Darin schildert er drastische Szenen, wie sie sich inzwischen regelmäßig an Bahnsteigen und in den Zügen der Linien RB23 und RE25 abspielen: „Zu Stoßzeiten setzt die Bahn weiterhin Fahrzeuge mit völlig unzureichender Kapazität ein. Viele Kinder finden keinen Platz, Gedränge und gefährliche Situationen auf den Bahnsteigen sind die Folge.“

Kinder nehmen Umweg in Kauf, um einen Platz im Zug zu bekommen

Um nicht am Haltepunkt Bad Ems West von älteren Schülergruppen verdrängt zu werden, weichen jüngere Kinder bereits aus – sie fahren zunächst in die Gegenrichtung nach Nievern, um dort frühzeitig wieder zuzusteigen und überhaupt noch einen Platz zu bekommen. Für die Eltern ist das ein inakzeptabler Zustand. „Das ist kein tragfähiges Konzept für eine sichere Schülerbeförderung, sondern Ausdruck eines massiven Organisationsversagens“, so Dillmann. Auch auf konkrete Vorfälle wird hingewiesen: Am 16. Juni blieb ein Zug in Bad Ems auf unbestimmte Zeit stehen – erneut mussten Eltern spontan ihre Kinder selbst abholen. Einen Tag später, am 17. Juni, fiel der Zug um 12.29 Uhr komplett aus. Der nachfolgende bestand lediglich aus einem einzelnen Triebwagen – für die große Zahl an Schülern völlig unzureichend. Die Konsequenzen trugen einmal mehr die Familien.

Der Brief des Vaters wird deutlich: Die derzeitige Organisation der Schülerbeförderung stelle ein ernstzunehmendes Sicherheitsrisiko dar. Dass es während der monatelangen Bahnsperrung durch Busse auch anders – und besser – funktionierte, wird als Beleg dafür gewertet, dass hier offenbar vor allem aus Kostengründen gehandelt wird. Der Vorwurf lautet: Die Sicherheit der Kinder werde politischen oder wirtschaftlichen Erwägungen untergeordnet.

„Der sichere und verlässliche Transport unserer Kinder liegt in Ihrer Verantwortung.“
Aus dem Schreiben der Eltern an den Landrat

„Der sichere und verlässliche Transport unserer Kinder liegt in Ihrer Verantwortung“, heißt es im Schreiben an Landrat Denninghoff. „Diese Entwicklung ist weder vermittelbar noch länger hinnehmbar. Wir fordern Sie daher nachdrücklich auf, Ihrer Verantwortung gerecht zu werden und umgehend für stabile, verlässliche und sichere Beförderungsbedingungen zu sorgen.“

Thorsten Müller, Verbandsdirektor des Zweckverbands SPNV-Nord, zeigt sich auf Anfrage ebenfalls unzufrieden mit der aktuellen Leistung des Betreibers DB Regio: „Wir haben das kritisch mit DB Regio diskutiert.“ Ursachen für die Ausfälle sind laut Zweckverband technische Defekte bei den bis zu 25 Jahre alten Fahrzeugen, die hohen Temperaturen verschärften die Lage zusätzlich. Nach Auskunft der DB arbeiten die Mitarbeiter in der Werkstatt Limburg mit Hochdruck und in Zusatzschichten an der Instandsetzung. Zwei Fahrzeuge seien bereits wieder im Einsatz, weitere Reparaturen verzögerten sich jedoch aufgrund ausstehender Aggregate, die erst Anfang Juli geliefert werden. Für den Schülerverkehr habe DB Regio laut Müller zugesichert, bis zu zwei Ersatzbusse täglich bereitzustellen. In welcher Form diese kurzfristigen Zusatzangebote jedoch kommuniziert werden, ist bislang nicht klar – für die betroffenen Familien ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor.

„Die aktuelle Situation ist nur der sichtbare Gipfel eines lange ignorierten Problems.“
Schulelternvertreter Jörg Dillmann

Auch technische Störungen am elektronischen Stellwerk in Nassau haben die Situation in den vergangenen Wochen weiter verschärft. Mehrfach kam es zu teils gravierenden Einschränkungen: Verspätungen von bis zu 90 Minuten, komplette Zugausfälle und die gleichzeitige Sperrung mehrerer Bahnübergänge legten den Verkehr zeitweise lahm. Zwischen Bad Ems und Lahnstein laufen derzeit nächtliche Vorbereitungsarbeiten für den Neubau des Stellwerks Niederlahnstein im Rahmen der geplanten Generalsanierung der rechten Rheinstrecke.

Doch diese Probleme sind nicht neu: Wie Jörg Dillmann betont, bestehen die Mängel im Schienenverkehr bereits seit Jahren – nicht erst seit dem aktuellen Wiedereinstieg. Auch das Goethe-Gymnasium habe wiederholt auf die unzuverlässige Schülerbeförderung hingewiesen, ohne dass nachhaltige Verbesserungen erfolgt seien. „Wir sprechen hier nicht von Einzelfällen, sondern von einem systemischen Versagen auf Kosten der Kinder“, so der Schulelternvertreter. „Die aktuelle Situation ist nur der sichtbare Gipfel eines lange ignorierten Problems.“ Ob und wann die Gesamtsituation stabiler wird, bleibt ungewiss. Für viele Eltern aber ist klar: Es geht längst nicht mehr nur um Verspätungen, sondern um die grundlegende Frage, ob der Rhein-Lahn-Kreis seiner Verantwortung für eine sichere Schülerbeförderung gerecht wird.

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