Dem auf dem Einladungsflyer angestrebten Feiern des Frühlings machten die eher frostigen Temperaturen zwar einen Strich durch die Rechnung. Ansonsten aber war sie ein fröhliches kleines Happening, die Eröffnung der Schaufensterausstellung der Berliner Künstlerin Mecmoiselle. Schaufensterausstellung? Ja, denn innen fällt das RichCake der Artist Residency Schloss Balmoral in der Römerstraße als Ausstellungsraum momentan aus – es bekommt gerade einen neuen Boden spendiert. Warum hier am Freitagabend trotzdem ordentlich was los war? Weil visueller Leerstand auch geistigen Leerstand nach sich ziehe, lege man Wert darauf, das RichCake auch in den Monaten, in denen keine Stipendiaten vor Ort sind, für Ausstellungen zu nutzen, so Balmoral-Kuratorin Agnes Schofield. Und außerdem: Eine Baustelle? Na und? Jetzt erst recht: „Mecmoiselles Arbeiten kann man schließlich auch gut in einem Schaufenster zeigen.“
In der Tat: Auf den ersten, oberflächlichen Blick hin wirkt es wie die Auslage einer Kleiderboutique. Und ist auf den zweiten Blick doch so viel mehr: Die Seidentücher linkerhand zum Beispiel sind Teil von Mecmoiselles „Vulva Carré Collection“, deren Vorgeschichte ins Jahr 2023 zurückreicht. „Damals war in einer Pop-Up-Galerie in München eine Rauminstallation von mir zu sehen, für die ich Vulven auf lange Seidenbahnen gemalt habe“, so die Künstlerin. „Ich wünschte mir nicht nur eine Fortführung der Thematik, sondern auch, dass die Vulven den geschützten Raum einer Kunstausstellung mit einem überwiegend elitären Publikum verlassen und in den Alltag Einzug finden.“ Will heißen: Die quadratischen Seidentücher, die Mecmoiselle in einer limitierten Edition von 500 Exemplaren in unterschiedlichsten Farbkombinationen handgefertigt hat, kann man über ihre Internetseite kaufen und „ganz normal“ tragen.
Die Collection soll dazu beitragen, die Vulva aus der Schamecke, in die sie sehr lange verbannt war, herauszuholen und ihre Schönheit zu feiern.
Die Künstlerin Mecmoiselle
Sollte sich dabei aber bewusst sein, dass man sich eine feministische Botschaft umgebunden hat: Schließlich handelt es sich bei der Vulva um das äußere Geschlechtsorgan der Frau. „Die Collection soll dazu beitragen, die Vulva aus der Schamecke, in die sie sehr lange verbannt war, herauszuholen und ihre Schönheit zu feiern“, erklärte sie. „Ja, sie ist schön“, heißt es denn auch auf drei Bannern und in drei Sprachen. Die Seidentücher sind für Mecmoiselle eben weit mehr als Kleidungsstücke. Sie sind ein textiles Medium für gesellschaftspolitische Inhalte und Aussagen.
Das gilt auch für die Exponate im rechten Fenster, drei schwarze Blazer mit der Rückenaufschrift „I am an immigrant“. Eine sehr persönliche Arbeit, betonte Alexandra Dabrowski, so der bürgerliche Name hinter dem Künstler-Pseudonym Mecmoiselle (übrigens eine Mischung aus „le mec“, französisch „der Typ“, und „mademoiselle“ für „Fräulein“). Als Kind in den 1990er-Jahren mit ihren Eltern aus Polen eingewandert, habe sie schon früh Diskriminierung erlebt, blickte sie zurück. Die „Blazer-Show“ hat allerdings einen sehr viel aktuelleren Hintergrund. „Das Happening ‚I am an immigrant‘ ist nach den verheerenden Bundestagswahlen, deren Zeichen in Richtung einer restriktiven Flüchtlingspolitik zeigen, entstanden“, berichtete Katharina Fink, die künstlerische Leiterin der Artist Residency. „Es macht uns bewusst, dass wir alle Migranten sind, weil jeder von uns von woanders herkommt und woanders hin will.“
Offenheit und Vielfalt
Man sieht es schon: Diese Vernissage der etwas anderen, da auf den Bürgersteig “outgesourcten“ und von fetziger Lautsprecher-Musik untermalten Art punktete mit Offenheit, Vielfalt und Internationalität – unterstrichen vom Iftar, dem während des muslimischen Fastenmonats Ramadan üblichen Essen nach Sonnenuntergang. Aber auch das Lokale fand hier seinen Platz: Mecmoiselle ist in Koblenz aufgewachsen, kennt Bad Ems, wo ihre ältere Schwester die Grundschule besuchte, von Spaziergängen her – und freute sich sichtlich, das Städtchen wieder zu sehen. Einblicke in ihr Schaffen kann man noch bis Samstag, 5. April, beim „Schaufensterbummel“ im RichCake in der Römerstraße 27 gewinnen.