Vokalensemble Rhein-Lahn und der Lahnsin(n)fonie begeisterten bei gemeinsamem Konzert in der Barbarakirche
Konzert in Lahnstein: Musikalische Koproduktion der Extraklasse

Lahnstein. Dieses Treffen hatte es in sich, so viel steht fest. „Vokalensemble Rhein Lahn meets Lahnsin(n)fonie“ hieß es jüngst, als der 1995 ins Leben gerufene Chor und das rund 16 Jahre später gegründete Nassauer Blasorchester zu einem gemeinsamen Konzert in die Niederlahnsteiner Barbarakirche einluden. Denn was dort erklang, überzeugte, um es vorwegzunehmen, auf ganzer Linie.

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Woran das lag? Am musikalischen Können der beiden Akteure natürlich, aber nicht nur. Denn zum Gelingen dieses Kirchenkonzerts trug definitiv auch die pfiffige Programmauswahl bei. Der Bogen spannte sich von geistlichen Liedern über Klassik bis hin zu Pop, hatte Film- und Musicalmelodien ebenso auf Lager wie moderne Marschmusik – mit anderen Worten: Langweilig wurde es in diesen rund eindreiviertel Stunden nie. Und musikalisch mittelmäßig erst recht nicht: So bewies das Vokalensemble Rhein-Lahn bereits bei seinen beiden Einstiegs-Liedern, der Motette „Preis und Anbetung“ von Josef Rheinberger und dem Beitrag „Ubi Caritas Et Amor“ aus der Feder der zeitgenössischen US-amerikanischen Komponistin Audrey Snyder, dass es sich hervorragend blicken – oder, besser gesagt: hören – lassen kann. Der harmonische Gesamtchorklang, der den Vortrag wie aus einem Guss erscheinen lässt, ist zweifellos ein Markenzeichen des dreifachen Meisterchors, dessen „Belegschaft“, nebenbei bemerkt, nicht nur aus dem namensgebenden Rhein-Lahn-Kreis, sondern auch aus angrenzenden Regionen kommt.

Klarer Fall: Das Vokalensemble setzte an diesem Abend größtenteils auf Bekanntes, Bewährtes, sozusagen zum kollektiven Gedächtnis Gehörendes. Auf Titel wie das in den späten 1930er-Jahren durch Judy Garland zu Berühmtheit gelangte Lied „Over The Rainbow“ aus dem Filmmusical „Der Zauberer von Oz“ oder die von Ex-Beatle Paul Simon 1970 geschriebene Softrock-Ballade „Bridge Over Troubled Water“ zum Beispiel, bei der man sich ebenfalls regelrecht anstrengen muss, um sie nicht zu kennen.

Melodiöse, gefühlsbetonte Lieder waren es, die zum Träumen anregten – und in ihrer gleichermaßen technisch ausgefeilten wie emotional ansprechenden Umsetzung deutlich erkennen ließen, dass Franz-Rudolf Stein als Gründer und Leiter des Vokalensembles Rhein-Lahn im Vorfeld wieder einmal ganze Arbeit mit seinen Sängerinnen und Sängern geleistet hatte. Apropos Ex-Beatle: Besonders ausdrucksstark brachte der Chor den zur Hymne der Friedensbewegung avancierten und auf dem Hintergrund des Ukraine-Krieges zu unverhoffter Aktualität gelangten John-Lennon-Titel „Imagine“ zu Gehör. Und hatte, um nur einen der weiteren Programmpunkte zu nennen, mit Annettes Humpes „So soll es bleiben“, auch einen deutschsprachigen Popsong in der Pipeline – apart, wie das Ensemble die im Arrangement von Carsten Gerlitz angelegte wellenförmige Melodiebewegung abzubilden wusste. Kompetente instrumentale Unterstützung bekamen die Sängerinnen und Sänger übrigens von Pianist Harald Meyer, Bass-Gitarrist Volker Langenbahn und Schlagzeuger Jonathan Bröcker.

Und verbale von Hanah Alefsen und Robin Schneider: Das Moderatoren-Duo, das reichlich Wissenswertes zu den verschiedenen Komponisten und Liedern beizusteuern wusste, führte gleichermaßen informativ wie kurzweilig durch den Abend. Natürlich auch bei der Lahnsin(n)fonie unter Leitung von Kay Gutjahr, die ein eindeutiges Faible für Südeuropa erkennen ließ: So begeisterten die Blasmusiker in ihrem ersten Konzertblock unter anderem mit einer Kurzfassung von Alfred Bosendörfers – oder, so der echte Name hinter dem Pseudonym, Cornelius Vlaks – „Viva Belcanto“, in der vom „Gefangenenchor“ aus „Nabucco“ bis zur Seilbahn-Hymne „Funiculì, Funiculà“ Meilensteine der italienischen Musik miteinander verwoben sind. Noch einen Tick beschwingter ging es dann im zweiten Block beim „Italo-Pop“ mit Ohrwürmern neueren Datums wie „Azzuro“ oder auch „Cantare“ zu. Punktgenaue Einsätze, enorm viel Drive und ein sich auf weit überdurchschnittlichem Niveau bewegendes Zusammenspiel – das zeichnete auch die anderen Beiträge des Nassauer Blasorchesters aus. Zum Beispiel den feierlich anmutenden Konzertmarsch „Arsenal“ im Arrangement von Jan van der Roost. Oder den majestätischen „Mt. Everest“ im Arrangement von Rossano Galante, bei dem man via Kopfkino die Naturgewalt des höchsten Bergs der Erde, aber auch das eine oder andere lieblich vor sich hin plätschernde Bächlein vor sich sah. Schier unglaublich, welche lautmalerischen Qualitäten die Lahnsin(n)foniker besitzen: Eines der mitreißendsten Stücke in dieser Hinsicht war sicherlich „The Great Locomotive Chase“, eine vom Sound losratternder Lokomotiven geprägte Komposition, für die sich der zeitgenössische Musiker Robert W. Smith von einem echten, in die Geschichte des amerikanischen Bürgerkriegs eingegangenen Eisenbahnrennen inspirieren ließ. Bei „The Lion King“, der von John Higgins für Blasorchester arrangierten Musik zum gleichnamigen Elton-John-Film, marschierte dann gleich die ganze Serengeti auf, wobei jedes der Savannentiere in einem anderen musikalischen Gewand erschien. Überhaupt die Filmmusik: Bei „Pixar Movie Magic“, einer Mischung aus verschiedenen Filmmelodien, bewies die Lahnsin(n)fonie ein für allemal, dass sie auch melodisch und rhythmisch sehr komplex angelegte Kompositionen mit Bravour zu meistern versteht. Logisch, dass die Beiträge, bei denen die beiden „Klangkörper“ gemeinsam in Aktion traten, zu den Höhepunkten des Abends zählten. Äußerst harmonisch, sich perfekt ergänzend und einfach zeitlos schön – diesen Eindruck gewann man sowohl bei Johann Sebastian Bachs „Air“ aus der Orchestersuite Nr. 3 als auch bei dem fast drei Jahrhunderte später von Vangelis komponierten „Conquest of Paradise“, das so schön war, dass es als Zugabe gleich nochmal erklang.

Einziger kleiner Wermutstropfen: Der Energiekrise geschuldet, ließ die Temperatur in der Kirche jeden, der nicht mit dicker Winterkleidung vorgesorgt hatte, frösteln. „Das Konzert war bombig“, meinte ein Besucher dazu. „Aber wenn sie die Heizung nicht wenigstens ein bisschen mehr aufdrehen, kommt zu solchen Veranstaltungen bald keiner mehr.“

Von Ulrike Bletzer

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