Von unseren Reportern
Hinter verschlossenen Türen beraten können die Räte und auch Ausschüsse demnach nur noch, wenn dies ausdrücklich bestimmt oder die Beratung in nicht-öffentlicher Sitzung aus Gründen des Gemeinwohls oder wegen schutzwürdiger Interessen Einzelner erforderlich ist. Welche Auswirkungen das auf die Ratsarbeit haben wird, wissen viele Entscheidungsträger heute noch nicht einzuschätzen. Sie wollen abwarten, wie die Bürger das neue Angebot annehmen.
Auch die Grundlage für ein Livestreaming im Internet ist geschaffen. „Die Zulässigkeit von Ton- und Bildübertragungen sowie Bild- und Bildaufzeichnungen in öffentlichen Sitzungen durch Presse, Rundfunk und ähnliche Medien kann in der Hauptsatzung geregelt werden“, heißt es nun in der Gemeindeordnung. Soll heißen: Der jeweilige Rat kann selbst entscheiden, ob er in seiner Hauptsatzung festlegt, dass Aufzeichnungen und Übertragungen erlaubt sind. Unsere Reporter haben sich in einigen Kommunen im Rhein-Lahn-Kreis umgehört, wie das neue Gesetz aufgenommen und konkret umgesetzt wird.
Puchtler: „Mehr Transparenz hilft, die Menschen bei Themen mitzunehmen“
Landrat Frank Puchtler sieht die neue Regelung als Chance: “Mehr Transparenz hilft, die Menschen bei Themen mitzunehmen, die unsere Region voranbringen.„ Gleichwohl müsse jeder Verständnis dafür haben, dass Personalangelegenheiten oder weitergehende Details bei Auftragsangelegenheiten aufgrund von Schutzrechten hinter verschlossenen Türen bleiben. Puchtler ist sich sicher, dass sich die neue Verfahrensweise in den Gremien des Kreistages und bei den Mitarbeitern der Verwaltung schnell einspielen wird. Auch bei Film- und Tonaufnahmen hat der Landrat keine Bedenken: “Das haben wir schon immer so gehandhabt, wenn das Interesse der Medien vorhanden war.„
Rau: „Damit erweist man der eigentlichen Absicht einen Bärendienst“
Nassaus Bürgermeister Udo Rau hat mit den Ortsbürgermeistern in der jüngsten Dienstversammlung Anfang dieser Woche darüber gesprochen, wie man mit der neuen Gesetzeslage umgehen soll. Man einigte sich in der Frage der Bekanntgabe nicht-öffentlich gefasster Beschlüsse darauf, am Ende der Sitzung die Öffentlichkeit herzustellen und über die Ergebnisse zu informieren. “Ob dann überhaupt eine Öffentlichkeit anwesend ist, sei mal dahingestellt„, sagt Rau. Die grundsätzliche Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen betreffe nur die Stadt Nassau, die Ortsgemeinde Singhofen sowie die Verbandsgemeinde selbst, da in den kleineren Kommunen alle Beratungen in den Räten stattfinden. Generell hält Rau die Öffentlichkeit der Beratung für problematisch, weil dort auch mal Gedanken formuliert würden, die in der Öffentlichkeit so nicht dargeboten werden. Er geht davon aus, das die Vorberatungen in den vorparlamentarischen Bereich vorgezogen werden, also abseits von Ausschuss- und Ratssitzungen in den Fraktionen diskutiert werden. “Damit erweist man der eigentlichen Absicht einen Bärendienst„, sagt Rau. Dass neuerdings Bürger in die Aufstellung der Gemeindehaushalte eingebunden werden müssen, hat Folgen für die eigentlich bereits im vergangenen Herbst abgeschlossene Terminplanung für die Ratssitzungen. Durch die geforderte 14-tägige Offenlage werde nun mehr Zeit zwischen Vorberatung und der Sitzung, in der ein Beschluss gefasst werden soll, notwendig. Inklusive der Veröffentlichung der Auslegung seien drei Wochen zusätzliche Zeit notwendig. Da Haushalte bis Jahresende beschlossen werden müssen, lautet die Konsequenz: “Wir werden jetzt früher mit den Vorberatungen beginnen müssen.„
Gemmer: “Schwierige Situation für Kommunalpolitiker und Ehrenamtler„
Harald Gemmer, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Katzenelnbogen, stellt sich zunächst mit einem schelmischen Lachen ahnungslos: “Was? Davon habe ich ja noch nie gehört!„ Ernst geworden erklärt er dann jedoch: “Das ist schon eine schwierige Situation für die Kommunalpolitiker und Ehrenamtler. Es gibt tatsächlich schon mal Verhandlungen, beispielsweise in den Ortsgemeinden zu Baugebieten und Ähnlichem, wo man sich zunächst einigen muss. Wenn diese Diskussionen öffentlich stattfinden, gehen auch öffentlich die entsprechenden Spekulationen los. Das könnte die Entscheidungen in Zukunft durchaus erschweren. Bisher kamen ja oft einfach die Ergebnisse solcher Verhandlungen in den öffentlichen Teil der Sitzungen und dann stand fest: Das ist jetzt so entschieden, jetzt machen wir das so und so.„ Die Möglichkeit, unter gewissen Bedingungen doch hinter verschlossenen Türen zu tagen, sehen die Kommunalpolitiker in Katzenelnbogen kritisch und realistisch: Es sei dann wichtig, dass man die Notwendigkeit belegen könne, andernfalls könne man schließlich richtig Ärger bekommen.
Bürgermeister Werner Groß sieht bei der Umsetzung der neuen Regelungen keine Probleme auf die Verbandsgemeinde Loreley zukommen: “Wir haben uns auf die neue Gesetzeslage eingestellt und werden das entsprechend umsetzen.„ Über die Live-Aufnahmen wird nach Ansicht des VG-Chefs noch zu diskutieren sein. “Wir hatten das in Einzelfällen auch im Vorfeld mal zugelassen„, sagt Groß, gibt aber zu bedenken, dass bei laufenden Kameras viele ehrenamtliche Ratsmitglieder, die nicht rhetorisch geschult seien, eventuell stark gehemmt sein könnten, sich zu Wort zu melden. Grundsätzlich sei aber abzuwarten, wie groß das Interesse überhaupt sein wird.
Satony: “Wir tun das schon lange„
“Wir tun das schon lange„, betont Hahnstättens Bürgermeister Volker Satony. Er erläutert, dass in den Kommunen der VG Hahnstätten bereits seit Längerem “Punkte auf die Tagesordnung des öffentlichen Sitzungsteils gesetzt werden, die früher nicht-öffentlich beraten worden wären„. Auch Berichte über Ergebnisse von Ausschusssitzungen würden bekannt gemacht: “Jeder, der wissen möchte, an wen zum Beispiel ein Auftrag vergeben wurde, kann das nachlesen„, sagt Satony. Er hebt allerdings hervor, dass die Gemeindevertreter sich dabei auf einem schmalen Grat zwischen Datenschutz des Einzelnen und Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit bewegten.
Das Thema wurde auch im Diezer VG-Rat von Bürgermeister Michael Schnatz angesprochen. “Die Umsetzung dürfte anfangs nicht so einfach sein„, schätzte er. “Wenn künftig Haushaltssatzung und Haushaltsplan zwei Wochen lang öffentlich ausgelegt werden, dann können schon einige Zeitpläne gehörig durcheinandergeraten", befürchtete Schnatz. In diesen Wochen können Bürger zu den Plänen Stellung beziehen.