Grund genug, dass der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch persönlich ins Kreuzfeuer des Kreisausschusses ging, um den Kommunalpolitikern Rede und Antwort zu stehen und aus Sicht der Landesregierung auf die Notwendigkeit zu pochen, dass das Paulinenstift in Nastätten für die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung in diesem Teil des Landkreises erhalten bleibt.
Zwei Kreise wollen Gutachten
Zunächst aber erläuterte Landrat Jörg Denninghoff, was angesichts der Krankenhaussituation im Kreis in den vergangenen Tagen und Wochen an Gesprächen gelaufen ist. Zusammen mit dem Rhein-Hunsrück-Kreis, in dem das Bopparder Heilig-Geist-Hospital liegt, soll ein Gutachten in Auftrag gegeben werden, mit dem die Situation und die Aufgaben der beiden Kreise zu klären sind, falls die beiden kleineren Krankenhäuser auch noch in Gefahr geraten.
Denn sowohl das Paulinenstift als auch Heilig-Geist gehören zum Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein (GKM). Nachdem hier die Übernahmeverhandlungen mit der Klinikgruppe Sana gescheitert sind, mussten die kommunalen Träger des GKM, die Stadt Koblenz und der Kreis Mayen-Koblenz, zuletzt jeweils 2,5 Millionen Euro zuschießen, um das Gemeinschaftsklinikum zu stabilisieren.
Zumindest in der Koblenzer Kommunalpolitik wird seitdem der Ruf lauter, dass sich auch der Rhein-Lahn-Kreis und der Rhein-Hunsrück-Kreis gefälligst an der Finanzierung beteiligen sollen. Das ist schnell rausposaunt, wegen der speziellen Struktur des GKM, in dem neben Stadt und Kreis noch mehrere Stiftungen das Sagen haben, aber gar nicht so einfach – selbst wenn das nötige Geld dafür in Bad Ems und Simmern locker sitzen würde. Dennoch wollen die beiden Landkreise für alle Fälle gewappnet sein – insofern unterstützt der Kreisausschuss auch einstimmig das weitere Vorgehen von Landrat Denninghoff.
Der wiederum fragte den Minister zum Auftakt einer längeren Diskussion, ob Standorte des Gemeinschaftsklinikums, speziell Nastätten, nach den Schließungen in Bad Ems und Lahnstein ebenfalls in Gefahr sind oder zur Diskussion stehen. Clemens Hoch äußerte Verständnis für die Sorgen im Rhein-Lahn-Kreis, wenn zwei Krankenhäuser kurz nacheinander schließen. Die Geschwindigkeit und Härte der Entscheidung in Lahnstein habe auch ihn überrascht, besonders was Patienten und Mitarbeiter angeht. Es könne jedoch sein, dass die Barmherzigen Brüder Trier (BBT), die den Standort jetzt übernommen haben, neben der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, die erhalten bleibt, dort zukünftig das Leistungsangebot in Richtung Geriatrie sukzessive erweitern werden.
Was die medizinische Versorgung im Rhein-Lahn-Kreis angeht, so räumte Minister Hoch ein, dass es Probleme bei der Versorgung mit niedergelassenen Ärzten gibt. Dies führe zu Ängsten in der Bevölkerung. Verantwortlich sei diesbezüglich die Selbstverwaltung der Kassenärztlichen Vereinigung – da müsse man darüber nachdenken, wie man das Problem in Zukunft regelt.
In Zusammenhang mit Krankenhausschließungen führe dies dazu, dass die medizinische Versorgung insgesamt als schlecht empfunden werde. Tatsächlich aber sei die stationäre Versorgung in weiten Teilen des Kreises im Vergleich gut. Im Raum Diez gebe es ein Krankenhaus und weitere Kapazitäten in Limburg, der Raum Bad Ems und Lahnstein sei durch Häuser in Koblenz und Montabaur mit versorgt. Hier sei die Lage „vernünftig und auskömmlich“. Auch wenn er wisse, dass dies in der Bevölkerung anders gesehen wird, sehe er die Lage im Kreis momentan „relativ entspannt“ – zumindest solange es das Paulinenstift in Nastätten gibt.
Auch das Land erarbeite zurzeit ein Gutachten zur medizinischen Versorgung, und da spiele der Rhein-Lahn-Kreis eine große Rolle. Wenn nämlich das Paulinenstift morgen zumachen müsste, dann hätten 30.000 Menschen in diesem Teil des Kreises Wege von mehr als einer halben Stunde zum nächstgelegenen Krankenhaus. „Wir brauchen den Standort Nastätten zur medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung.“ Das Paulinenstift sei ein Satellit des Gemeinschaftsklinikums, Defizite wurden bisher im Verbund aufgefangen.
Das GKM habe keine Probleme wegen Verschuldung, sondern aufgrund gestiegener Personal- und vor allem Energiekosten ein Liquiditätsproblem. Ziel sei es, dass sich das GKM als Verbund selbst tragen kann. Da hoffe er, so Hoch, auch auf eine stärkere Refinanzierung durch die Bundesregierung. Wenn aber alles „schiefgehen würde“, dann werde es einen Anspruch an die kommunalen Gebietskörperschaften, also auch den Rhein-Lahn-Kreis, geben.
Kritik an Ministeräußerungen
Widerspruch unter den Kommunalpolitikern im Kreisausschuss rief Minister Hochs Einschätzung hervor, die momentane Situation im Rhein-Lahn-Kreis sei vernünftig. Die Menschen im Kreis hätten da ein anderes Bild, sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Carsten Göller. Fehlende Fach- und Hausärzte und nun die Krankenhausschließungen – das führe in der Summe zu Unsicherheit. „So kann es nicht weitergehen“, erklärte Göller, „es kann nicht sein, dass es irgendwann zwischen Koblenz, Montabaur, Limburg und Wiesbaden kein Krankenhaus mehr gibt.“
Wenn der Minister „entspannt“ sei, so CDU-Fraktionschef Jens Güllering, „dann nehmen wir das zurzeit anders wahr.“ Land und Kreis stünden gemeinsam in der Verantwortung, was gerade auch für das Paulinenstift in Nastätten gelte. Güllering begrüßte das Vorhaben der beide Landkreise, ein Gutachten in Auftrag zu geben – dies, ebenso wie die Einladung des Ministers, habe seine Fraktion ja auch beantragt: „Wenn die Struktur des Gemeinschaftsklinikums in Zukunft nicht mehr tragen könnte, dann müssen wir gewappnet sein.“
„Situation ist nicht entspannt“
Jutta Niel von den Grünen rieb sich am „nüchternen Blick“ des Ministers auf die Situation und wies auf die Berichte von Ärzten hin, wonach es bereits Todesfälle gegeben habe, da die ortsnahe Versorgung im Kreis nicht vorhanden war. „Wir haben Angst, dass Nastätten über die Wupper geht“, sagte Bernd Hartmann von der FWG. „Ich glaube nicht, dass Koblenz und der Kreis Mayen-Koblenz auf Dauer für unser Haus mitbezahlen.“ Hartmann führte das Beispiel einer älteren Frau aus Ruppertshofen an, die in ein Trierer Krankenhaus eingeliefert werden musste, weil sie ortsnah nicht angenommen wurde. Und auch Sebastian Seifert (Freie Wähler) hatte ein solches Beispiel parat: Sein achtjähriger Neffe sei als Notfall nach Köln gekommen; die Situation sei definitiv nicht „entspannt“.
Die Erste Kreisbeigeordnete Gisela Bertram (SPD) erinnerte daran, dass Bad Ems allein schon wegen der Stiftung Scheuern und mehrerer Kurkliniken ohne Krankenhaus mit Akutversorgung in einer prekären Situation sei. Und Udo Rau (CDU) fasste zusammen: Wenn etwa 3500 Personen im Jahr in die Akutversorgung der Paracelus-Klinik gekommen sind, dann müssten diese Menschen nun woanders hingebracht werden. Aber auch in benachbarten Krankenhäusern sind nicht immer ausreichend Kapazitäten frei. „Es geht um Leben und Tod“, so Rau. „Dafür müssen wir Lösungen finden.“
Damit kein „falscher Zungenschlag“ in die Diskussion kommt, erklärte der Gesundheitsminister, dass er die Situation momentaner stationärer Versorgung als vernünftig bezeichnet habe. Er hob noch einmal die besondere Situation in Nastätten hervor, und sagte bezüglich der allgemeinen Lage der Krankenhäuser, dass Entscheidungen nicht allein aus wirtschaftlichen Gründen getroffen werden dürften. Zur Wahrheit gehöre aber, wenn der Kreis meint, es fehle an einem Ort ein Krankenhaus, dann müsse er auch für die Finanzierung sorgen.
Kleine Häuser haben keine Chance
Klare Worte fand dann Kristian Brinkmann, Mitglied im Vorstand der Diakoniegemeinschaft Paulinenstift: Kleine Krankenhäuser seien betriebswirtschaftlich allein nicht mehr zu betreiben. Bisher seien im GKM-Verbund kleine durch die großen Häuser gestützt worden. Die Stiftung habe „ein vitales Interesse“ daran, dass das Paulinenstift erhalten bleibt. Allerdings habe das GKM die Federführung. Kaufinteressant Sana, so Brinkmann, hatte für die kleineren Standorte das Konzept eines Gesundheitszentrums entwickelt. Dies sei eine Perspektive. Jedenfalls müsse jede Änderung mit der Landesregierung abgestimmt werden, denn beim Gemeinschaftsklinikum handelt es sich um ein Krankenhaus mit fünf Standorten.