Medizinische Versorgung
Klinik in Limburg will Kindermedizin ausbauen
Seit rund 50 Jahren befindet sich das St.-Vincenz-Krankenhaus auf dem Schafsberg. Das neueste Projekt: die Schaffung eines Institutes für spezialisierte Kinderheilkunde. Foto: St.-Vincenz-Krankenhaus
Picasa. St. Vincenz Krankenhaus

Eine Lücke in der medizinischen Versorgung will das Limburger St.–Vincenz-Krankenhaus schließen. Dort soll ein Institut für spezialisierte Kinderheilkunde entstehen.

In Limburg einen Termin beim Kinderarzt zu bekommen, ist schon schwierig genug, wie im vergangenen Jahr viele Eltern leidvoll erfahren mussten. Verschärft wurde die Versorgungssituation dadurch, dass vier Kinderärzte in der Domstadt ihre Kassenzulassung zurückgegeben haben. Bis heute wurde nicht für alle Ersatz gefunden. Immerhin soll sich die Lage deutlich entspannen, wenn demnächst eine auf Kindermedizin spezialisierte Filiale des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) Medicum Mittelhessen im Ärztehaus in der Limburger Werkstadt ihre Pforten öffnen wird.

Noch viel schwieriger als bei den Allgemein-Pädiatern jedoch ist die Versorgungslage in den Spezialdisziplinen der Pädiatrie. Also beispielsweise bei den Kinderneurologen, Kinderkardiologen oder auch den Kindergastroenterologen. Diese fehlen in Limburg – abgesehen von einem Kinderkardiologen – gänzlich, sodass Eltern von erkrankten Kindern bisher nichts anderes übrig bleibt, als in großer Entfernung einen Spezialisten aufzusuchen, meistens ist dies die Kinderklinik Gießen, häufig verbunden mit langen Wartezeiten. Eine Versorgungslücke im Kreis Limburg-Weilburg also, die der Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Limburger St.-Vincenz-Krankenhaus, Stefan Rupp, nun schließen möchte. Seine Idee: Am Limburger Krankenhaus soll ein Institut für spezialisierte Kinderheilkunde eröffnen.

Wartezeiten von sechs Monaten und mehr

Die Problemlage macht Stefan Rupp an einem konkreten Beispiel deutlich. Ein neugeborenes Kind, das unter chronischen Herzgeräuschen leidet, findet bei niedergelassenen Pädiatern derzeit kaum eine angemessene Behandlung. Sei es, weil sie in der Regel nicht über das notwendige Herz-Ultraschallgerät verfügen, sei es, weil ihnen die erforderliche Spezial-Ausbildung fehlt. Und ein „normaler“ Kardiologe kommt erst für Patienten frühestens vom späten Kindesalter an in Betracht, sagt Stefan Rupp, der selbst ausgebildeter Kinderkardiologe ist.

Die nächstgelegenen Kinderkardiologen befinden sich im Raum Gießen, Wiesbaden, Frankfurt oder Siegen. Wartezeiten von sechs Monaten und mehr seien dort keine Seltenheit, so Rupp. Limburg sei hinsichtlich der Zahl von potenziellen Patienten mit Herzproblemen allerdings so klein, dass es sich für einen Spezialisten nicht lohnen würde, eine eigene Praxis zu eröffnen. Und auch für eine Vollzeitstelle in der Kinderklinik wäre die Zahl der Patienten viel zu gering. Hier kommt nun das geplante Institut für spezialisierte Kinderheilkunde ins Spiel: Ein Spezialist aus einer Großstadt-Klinik könnte an einem Tag pro Woche Sprechstunden anbieten. So würde sich eine solche Spezialeinrichtung, die der Limburger Kinderklinik angegliedert würde, tragen.

Kosten für das Institut von rund 1 Million Euro

Bisher befindet sich Rupps Idee noch in einem frühen Stadium. „Ich bin aber schon im Gespräch mit Spezialisten“, sagt der Kinderklinik-Chef, der besonders enge Kontakte zu seiner Alma Mater, der Universität Gießen, pflegt. Doch auch Spezialisten aus anderen Häusern seien für sein Projekt willkommen, betont er. Da sein Vorhaben mit Kosten, beispielsweise für den Umbau, die initialen Anschaffungskosten der medizinischen Geräte, aber auch für zusätzliches Personal, verbunden ist, hat das St.-Vincenz-Krankenhaus einen Förderantrag beim Hessischen Ministerium für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales gestellt. Rupp schätzt die Kosten für sein Institut auf rund 1 Million Euro für die ersten drei Jahre.

Rupp ist sich sicher: Beide Seiten würden von einer Kooperation profitieren. Die Großstadt-Klinik würde von einfachen Untersuchungen entlastet und könnte ihr Netzwerk erweitern, im Gegenzug würde die Limburger Kinderklinik deutlich aufgewertet. Auch an Telemedizin denkt der Limburger Chef-Pädiater. Um beim Beispiel des herzkranken Kindes zu bleiben: Ein Spezialist aus der Kinderklinik Gießen würde in Limburg die Diagnose erstellen und das Kind der kinderchirurgische-kardiologischen Konferenz in Gießen vorstellen. Dort würde der kleine Patient dann weiterbehandelt und gegebenenfalls operiert.

Schwierigkeiten, alle Vollzeitstellen zu besetzen

Ob Rupps Idee dazu beiträgt, das große Problem des allgemeinen Ärztemangels zu lösen, muss sich allerdings noch zeigen. Aktuell hat der Chefarzt damit zu kämpfen, alle zwölf ärztliche Vollzeitstellen seiner Kinderklinik zu besetzen. Das Problem: Es gibt nicht genügend Nachwuchs – übrigens nicht nur in der Kindermedizin, sondern in allen übrigen Fachdisziplinen ebenso. Rupp schätzt, dass deutschlandweit etwa 30 Prozent Ärzte fehlen. „1987 gab es 20 Prozent mehr Studienplätze als 2024“, sagt er. „Und weil heute vorwiegend Frauen Medizin studieren, von denen viele Kindererziehungszeiten nehmen und nicht in den Beruf zurückkehren, wird das Problem noch verschärft.“

Wie groß der Bedarf beispielsweise in der Limburger Kinderklinik ist, macht eine Zahl deutlich: Im Jahr 2024 hatte die Klinik in Ihrer Notfallambulanz nach Rupps Angaben 6500 Patientenkontakte – deutlich mehr (30 Prozent) als in den Jahren davor, die Tendenz ist seit Jahren ansteigend. Nur zum Teil sei dies auf die Rückgabe von Kassensitzen in Limburg zurückzuführen.

Dritte Säule für Versorgung in Limburg

Das Institut für Kinderheilkunde wäre nach Rupps Vorstellung neben der ambulanten Betreuung durch niedergelassene Ärzte und der stationären Behandlung in der Kinderklinik die dritte Säule für eine bestmögliche kindermedizinische Versorgung in der Domstadt. Um das Projekt auch für andere Regionen außer Limburg nutzbar zu machen, soll es nach seiner Vorstellung wissenschaftlich begleitet werden. Partner wäre das Willy–Robert–Pitzer-Institut für Versorgungsforschung und Rehabilitation der TH Mittelhessen. Nach drei Jahren soll ausgewertet werden, wie groß der Bedarf für das anvisierte Spezialinstitut tatsächlich ist und wie sich die Kosten entwickelt haben. Stefan Rupp: „Unser Ziel ist, dass das Institut ohne Förderung weitergeführt werden kann.“

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