Keine Einbußen in der Publikumsgunst mussten die Musiker des Akkordeonorchesters Aartal am vergangenen Samstag wegen des letzten Spieltages der Fußball-Bundesliga hinnehmen. Ganz im Gegenteil, bei rund 350 Besucher mussten einige von ihnen das Konzert stehend angelehnt an der Hallenwand verfolgen. Die Organisatoren des traditionellen Jahreskonzerts waren schier aus dem Häuschen.
Wenn der Wind Musik macht: Wenn man an ein Orchester denkt, schießen einem sofort Bilder von Violinen, Pauken und einem sehr ernst dreinblickenden Dirigenten in den Kopf. Doch wer am Samstagnachmittag das Konzert des Akkordeonorchesters Aartal besucht hat, der wurde eines Besseren belehrt – und auf charmante Weise überrascht. Schon beim ersten Stück – „Smoke on the water“ – wurde klar: Das Akkordeon ist ein unterschätzter Superstar. Es haucht, schnauft, tanzt und singt. Mit einem Ensemble aus 23 Musikern, brachte das Orchester die Bühne regelrecht zum Vibrieren. Nach dem Einstieg mit Deep Purple und den nachfolgenden Hits „Hollywood Hills“ und „Don’t stop me now“ wähnte man sich nicht mehr im DGH, sondern in einer der großen Konzerthallen der Welt. Und Dirigent, Andreas Berger, dirigierte mit vollem Körpereinsatz.
Zwei Stunden musikalisches Feuerwerk
Das Programm war so bunt wie die Blumendekoration. Auf die 1971 entstandene Rockballade „Stairway to Heaven“ von Led Zeppelin folgte „The Best“ von Tina Turner, und irgendwo dazwischen wagten sich die Musiker, gemeinsam mit den Gesangssolisten Denia Gilberg und Daniel Windrich vom Jungen Staatsmusical des Staatstheater Wiesbaden sogar an „The time of my Life“ aus dem Musical Dirty Dancing. Alle gemeinsam zeigten die klangliche Bandbreite des Programms: Mal seufzend romantisch, dann wieder dramatisch und donnernd. Beeindruckend auch das Gitarren-Solo von Kristof Vantomme bei „Stairway to Heaven“. Doch das Konzert war nicht nur musikalisch ein Genuss, sondern auch unterhaltsam moderiert: Andreas Holzner führte mit launigen Anekdoten durchs Programm. Nach rund zwei Stunden musikalischem Feuerwerk und mit den Zugaben „Ice in the sunshine“ und „Mein kleiner grüner Kaktus“ war klar: Das Akkordeon mag ein Instrument mit viel Vergangenheit sein – aber es hat eine ebenso lebendige Zukunft. Und ein Konzertabend mit einem Akkordeonorchester ist alles andere als angestaubt. Es war ein Erlebnis für Herz, Hirn und Hüfte – denn bei diesen Rhythmen wippten selbst die kritischsten Zuhörer irgendwann mit dem Fuß.
Fazit: Mehr oder weniger liebevoll tituliert als Quetschkommode, Schifferklavier oder „Blasebalg der Hölle“, besitzt das Akkordeon mindestens eben so viel Charme, wie Namen – und eine große Fan-Familie. Wer Akkordeon nur mit Seemannsliedern und „La Paloma“ verbindet, sollte sich schleunigst einen Platz für das nächste Konzert im kommenden Jahr sichern. Das „Akkordeonorchester Aartal“ zeigte: Musik mit Balg hat Biss.