Heimatverein Kestert veröffentlicht Mundart-Buch - Erlös soll helfen, Projekte umzusetzen
Kesterter Mundart-Buch: Der Dialekt ist die Sprache des Herzens
Der Heimatverein Kestert hat die alte Markthalle mit Fotomotiven vom Kirschanbau und aus der Kirschernte umgestaltet.
Dagmar Stadtfeld

Kestert. „Der Dialekt ist die Sprache des Herzens“ – so schreibt es Gerd Kesten, Vorsitzender des Heimatvereins Kestert, im Vorwort zum Buch „Kesterter Geschichte(n)“, das vor Kurzem bei einer Veranstaltung des Heimatvereins der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die alte, dörflich geprägte Umgangssprache soll auch der Nachwelt erhalten bleiben, das war das Ziel des Vereins, der 2015 gegründet wurde. Denn mit Sprache ist ein Stück Heimat verbunden. Sie ist ein Teil des Kulturgutes der Menschen in ihrer jeweiligen Dorfgemeinschaft, die aufgrund immer schnellerer Veränderungen in unserer heutigen Gesellschaft zunehmend verloren geht.

Vor Kurzem hat der Verein eine Hinweistafel am Kirchköppel aufgestellt mit vielen Informationen zur Geschichte.
Dagmar Stadtfeld

Schaut man mal genauer hin, kann man schnell feststellen, dass die verschiedenen Wörter und Begriffe aus einer bäuerlichen Alltagswelt sind, die früher das Leben der Menschen geprägt haben. So bezeichnet beispielsweise der Begriff „Pissdöbbche“ den Nachttopf, den die Menschen benutzt haben, da es noch keine Toiletten wie heute gab. Oder ein „Kabbesdöbbe“ ist ein Topf zum Einmachen von Kohlgemüse und lässt darauf schließen, dass eingemachter Kohl damals auf dem Speiseplan stand. Unter dem Motto „Su werd bei uus geschwätzt“ haben die Vereinsmitglieder in mühseliger Arbeit viele Begriffe gesammelt, sortiert und alphabetisch aufgelistet mit ihren jeweiligen Bedeutungen.

Zahlreiche Vorschläge zu Begriffen und Redewendungen kamen von den 600 Einwohnern des Dorfes, die von einer Arbeitsgruppe geordnet wurden. Insbesondere Toni Diesler, Dietmar Schlaadt und Michael Kaminski haben hier federführend mitgearbeitet, auch unter der Zuarbeit von Peter Schwarz. Unter der Leitung von Erwin Michels wurden zunächst ein Fragebogen entwickelt und Interviews mit vorwiegend älteren Bürgern geführt, die noch einen Zugang zur Mundart haben.

Ende 2018 war man mit der Bestandsaufnahme fertig und die Systematisierung begann. „Besonders schwierig war es, die Schreibweisen zu überprüfen“, so Gerd Kesten, „denn es gibt ja keinen Duden für Mundart“. Man schreibt es einfach so, wie man es hört. So war die Anweisung, was in der Arbeitsgruppe jedoch oft zu Diskussionen führte. Gerd Kesten, der als Zugezogener aus Norddeutschland die Mundart am Rhein nicht spricht, konnte diesen Teil des Projektes ausgleichend betreuen und hat hierfür die Regie übernommen. Da die Sprachgrenze zwischen dem Rheinfränkischen und Moselfränkischen etwas südlich von Kestert verläuft, ergeben sich viele Lautverschiebungen, die die Sache zusätzlich erschweren.

Der Heimatverein Kestert hat die alte Markthalle mit Fotomotiven vom Kirschanbau und aus der Kirschernte umgestaltet.
Dagmar Stadtfeld

12 Euro kostet das kleine Buch, das man beim Heimatverein Kestert bestellen kann. Insgesamt 100 Stück wurden gedruckt, mehr als 60 Bücher sind schon verkauft. Bestückt mit vielen Fotos aus früheren Zeiten kann man hiermit auf eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit gehen. Außerdem gibt der Verein jedes Jahr einen Kalender mit Fotomotiven aus der Dorfregion heraus, der sehr gut ankommt.

Doch nicht nur der Pflege der Mundart will sich der Verein widmen, er setzt sich auch für den Erhalt von altem Kulturgut und die Verschönerung des Ortes ein. Dafür haben sich die 75 Mitglieder in einem gemeinnützigen Verein zusammengeschlossen. Der Vorstand des Vereins, bestehend aus Gerd Kesten, Joachim Hewel, Stefan Michels und Markus Noback, will mit dem Erlös aus dem Verkauf des Buches und dem Kalender vor allem viele neue Projekte umsetzen.

So wurde die alte Markthalle mit Fotomotiven vom Kirschanbau und aus der Kirschernte neu gestaltet. Von 1954 bis in die 70er-Jahre war Kestert der größte Kirscherzeuger der Obst-Absatzgenossenschaft am Rhein. Aus dieser Zeit stammt auch die Markthalle. Später wurde der Kirschanbau aufgegeben, da er durch Billigimporte aus dem Ausland unwirtschaftlich wurde.

„Kesterte Schwarze“, so war die Bezeichnung der alten Süßkirsche, die aufgrund ihres hohen Zuckergehaltes unter anderem zum Schnapsbrennen verwendet wurde. Früher hatte der Kirschanbau eine wichtige wirtschaftliche Bedeutung für den Ort. Heute ist der Bestand dieser alten Sorte gefährdet. Der Heimatverein will mit Rekultivierungsmaßnamen den alten Baumbestand wiederbeleben, denn mit dem Aussterben der Bäume ändert sich das Landschaftsbild am Rhein. Daher hat man eine ganze Baumreihe Kesterter Schwarze Hochstämme vor einigen Jahren neu angepflanzt.

Vor Kurzem hat der Verein eine Hinweistafel am Kirchköppel aufgestellt mit vielen Informationen zur Geschichte. In römischer Zeit wurde dieser Hügel als Kultstätte genutzt, hier stand auch die erste kleine Pfarrkirche des Ortes. Heute hat der Verein Weinreben und Kirschbäume angepflanzt. Im Rahmen dieser Aktion haben die Verantwortlichen den Hügel winterfest gemacht, sie mähten die Wiese, streuten Wildsamen aus und düngten die Bäume. Mit diesem Projekt blickt der Verein schon auf die Buga 2029, denn der Kirchköppel in Kestert ist ein Vorzeigeobjekt im Landschaftsbau und kann durchaus als Besuchermagnet mit in die Planungen aufgenommen werden. Der Verein hat außerdem dafür gesorgt, dass sechs Wanderwege rund um den Ort wieder freigelegt wurden. Demnächst soll dazu ein Flyer erscheinen mit vielen Informationen zu den Wanderwegen.

An Ideen mangelt es sicherlich nicht, doch ist es wohl nicht immer einfach, die Menschen zur Mitarbeit zu bewegen. „Im Ort leben vorwiegend ältere Menschen“, so Gerd Kesten, „die oft schwer zu motivieren sind“. Aktuell werden noch Helfer gesucht für das Anbringen einer Lichterkette auf dem Kirchköppel, denn der kleine Hügel soll im Advent weithin zu sehen sein und auf das kleine Dorf am Rhein aufmerksam machen.

Von unserer Mitarbeiterin
Dagmar Stadtfeld

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