Physiotherapeut profitiert von Erfahrungen im Profisport - Konzentration auf Praxis in Lahnstein
Kerber und Co. setzen auf Physio von Timo Schall – Im normalen Leben Praxis in Lahnstein
Timo Schall ist seit Jahren im Profisport als Physiotherapeut aktiv. Nun rückt die eigene Praxis in Lahnstein mehr in den Vordergrund. Foto: Dagmar Stadtfeld
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Lahnstein. „Ich teile das Leben mit dem Sportler“, sagt Timo Schall über seine Arbeit im Profisport, „Man wird tatsächlich zum Schatten des Spielers, denn man ist immer an seiner Seite.“ Seit vielen Jahren ist er als Physiotherapeut unterwegs und betreut Sportgrößen, kennt die aufregenden und spannenden Momente, aber auch die Schattenseiten.

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Für Tommy Haas war er schon im Einsatz, und seit 2018 ist er der Mann an der Seite von Angelique Kerber. Derzeit spielt die an Nummer 19 der Weltrangliste im Damentennis geführte Spielerin keine Wettkampfmatches, denn sie erwartet ein Baby. Daher hat Timo Schall aktuell auch mehr Zeit, sich um seine im Mai neu eröffnete Praxis in Lahnstein zu kümmern.

Hier kann er alle seine gesammelten Erfahrungen aus der Betreuung von Sportlern gut für die Behandlung der Patienten gebrauchen. „Mein Ziel war es immer schon, Vollzeit im Profisport zu arbeiten“, sagt der 30-Jährige. Schon als Kind hat er viel mitbekommen rund um die Physiotherapie, denn beide Eltern haben als Therapeuten gearbeitet.

Von seinem Vater hat er viel gelernt und die Begeisterung für diesen Beruf übernommen. In der Praxis des Vaters hat er selber viele Jahre gearbeitet, bevor er jetzt seine eigene gegründet hat. Aufgewachsen ist er in Eitelborn und hat dort schon vor Beginn der Ausbildung die heimische Fußballmannschaft betreut. Daneben war er für die Vulkanladies, die in der 1. Bundesliga im Handball spielen sowie den KTV Koblenz, den Kunstturnverein aus Koblenz, der in der 2. Bundesliga spielt, tätig.

Das wurde dann sogar zu seinem Herzensprojekt, denn mehrere Familienmitglieder sind richtig gute Turner und im KTV aktiv. Selbst spielt er leidenschaftlich gerne Tennis und ist auch sonst immer sportlich unterwegs. Relativ schnell war ihm damals aber klar, dass man als Physiotherapeut in der Sportlerbranche sein Leben nur dann bezahlen kann, wenn man in der richtigen Sportart arbeiten kann. „Da kommen nur Tennis, Fußball, Golf und die Formel 1 in Frage“, so Timo Schall.

Er hatte das Glück auf einer Fortbildung den Therapeuten von Tommy Haas kennenzulernen, der ihm einige Monate später anbot, seinen Job zu übernehmen. Timo überlegte nicht lange und sagte zu. Er lernt den Tennisprofi persönlich kennen. Die beiden verstehen sich auf Anhieb gut und werden ein Team, denn um eine gute Arbeit zu leisten, ist das besonders wichtig: „Das Zwischenmenschliche muss passen“, sagt er. Mit Tommy Haas arbeitet er ein Jahr zusammen. Daneben beginnt er ein duales Studium. Nach dem Examen in der praktischen Ausbildung geht es in ein Vollzeitstudium über. Er muss noch mal eineinhalb Jahre studieren, um den Abschluss im Gesundheitsmanagement zu erreichen. Dafür muss er den Spagat zwischen Job und Studium irgendwie schaffen, was nicht so ganz einfach ist. Noch vor Abschluss des Studiums wird er nach Beendigung der Zusammenarbeit mit Tommy Haas von dem Manager von Angelique Kerber angerufen und gefragt, ob er für sie arbeiten wolle. Dass er das wollte, war gar keine Frage. Doch zunächst musste das Studium beendet werden. Nachdem man sich da einig war, dass er erst fertig studieren konnte, ging es dann ab Februar 2018 auf Tour mit der Tennisspielerin. Aus der fast fünfjährigen Zusammenarbeit ist eine richtige Freundschaft entstanden. Man hat alles zusammen gemacht, und auch heute noch sehen sie sich regelmäßig. Wenn alles klappt, wird Angelique Kerber auch nach der Schwangerschaft wieder im Profitennis spielen wollen, und dann ist Timo Schall wieder mit dabei.

Besonders reizvoll ist es für ihn, dass er in der Betreuung von Profisportlern mit den besten Medizinern und Therapeuten auf einem extrem hohen Niveau arbeiten kann. Er bekommt hier immer sofort eine Rückmeldung, ob seine Arbeit gut ist. Nur dann, wenn er gute Arbeit geleistet hat, kann der Sportler auch gut sein. Dabei hat die Prävention einen ganz wichtigen Anteil, denn Schmerzen und Verletzungen sollen ja möglichst vermieden werden. Ist der Schmerz einmal da, ist es eigentlich schon zu spät. Daher gibt es jeden Tag Behandlungen, und man muss sich einen guten Plan für die Therapien überlegen. Mit zwei großen Koffern reist er mit den Spielern durch die Welt. Immer dabei sind die Massagebank und alle möglichen Hilfsmittel, die er für seine Therapien braucht. „Man hat schon eine große Verantwortung“, sagt Timo Schall, „und natürlich einen großen Druck. Bin ich nicht gut genug, bin ich schnell raus. Man kann schnell ausgetauscht werden.“ Viele hat er schon kommen und gehen sehen, denn schließlich hängt vom Erfolg des Sportlers einiges ab. Rückblickend ist er mit seiner Betreuung von Angelique Kerber jedoch sehr zufrieden mit sich, denn glücklicherweise hatte sie bisher noch keine größeren Verletzungen.

Was für viele so verlockend klingt, das Reisen durch die ganze Welt und auf den berühmten Center Courts zu Hause zu sein, kann aber auch ganz schön anstrengend sein. Ein wirkliches Privatleben gibt es da nicht, er ist rund um die Uhr im Einsatz. Da müssen Freunde und Familie schon zurückstecken können. Seiner Freundin Alina Lemler ist Timo daher unglaublich dankbar, dass sie schon seit zehn Jahren dieses Leben mit ihm teilt und ihn weiterhin unterstützt. „Schön ist es sicherlich nicht, wenn ich an Weihnachten nicht da bin oder wir nicht zusammen Silvester feiern können, weil mal gerade wieder ein Tennismatch ansteht“, meint er.

Daher genießt er gerade aktuell die Pause und kann mal mehr private Dinge tun. Auch der Aufbau der neuen Praxis erfordert einiges. Insgesamt zehn Mitarbeiter sind bei ihm beschäftigt. Die Nachfrage von Patienten nach einem Behandlungsterminen ist riesig. In der Therapiebranche hat er sich einen Namen gemacht, viele Therapeuten wollen gerne bei ihm arbeiten. Somit hat er wenigstens nicht das Problem, gutes Personal zu finden. Mehr als 1000 Patienten werden alleine in diesem Jahr von ihm und seinem Team betreut. Bei einem Besuch in seiner Praxis wird man gleich mit dem Profitennis konfrontiert, denn seine Behandlungsräume hat er nach den Grand Slams Turnieren benannt: Australian Open, French Open, Wimbledon und US Open. Einige Andenken von diesen Spielstätten und ein großes Bild in der Eingangshalle, das den Physiotherapeuten mit Angelique Kerber zeigt, machen die Verbundenheit mit dem Tennis deutlich. Arbeitsschwerpunkt in der Praxis ist die Orthopädie, aber auch andere medizinische Fälle werden versorgt. Viele Sportler gehen bei ihm ein und aus. Gern wird die kleine Trainingsfläche genutzt, um so die Behandlungen zu optimieren.

Nun im Oktober wird er bis März 2023 mit der Nationalmannschaft der Bobfahrer, die er schon seit 2019 betreut, wieder unterwegs sein. Doch nach sechs Jahren im Profisport will Timo das nun nicht mehr zu seinem Hauptlebensinhalt machen. Vielmehr will er verstärkt in der Region sein, sich um seine Praxis weiter kümmern und für die Familie da sein. Alles hat seine Zeit.

Von Dagmar Stadtfeld

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