„Meine Gäste wollen immer stärker bespaßt werden. Sie erwarten All-inclusive wie auf Mallorca, nur eben am Mittelrhein“, sagt Uwe Girnstein, der gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Diana Hein seit 2016 das Hotel „Rheingraf“ in Kamp-Bornhofen betreibt. Diesem Anspruch will der 44-Jährige nun gerecht werden. Auch wenn er in seinem früheren Leben Handwerker war, schlägt nun sein Herz sichtlich für die Gastronomie. Und so soll es auch bleiben, der „Rheingraf“ soll die Zukunft des Paares sichern – vor allem auch mit Blick auf die Bundesgartenschau 2029. „Mein Ziel ist, dass unsere Gäste zur Buga jeden Abend hier etwas erleben können“, sagt er motiviert. „In den 70ern liebten die Menschen den Mittelrhein mit seinen bunten Lämpchen und dem Dieter mit der Quetschkommode auf dem Schoß, das war dann lange out, heute wollen die Touristen genau dieses Gefühl wieder haben.“
Region im Glas und dazu lokale Kultur – das will Girnstein seinen Gästen nun in zwei Weinproben die Woche bieten. Auf dem Programm stehen fünf Weine vom Mittelrhein von Rüdesheim bis Königswinter und dazu fünf Geschichten und Anekdoten rund um Weinbau und den Vater Rhein. Ein erster Aufschlag, um Weinproben und die Kneipenkultur in der Rheingemeinde wiederzubeleben. Aber auch ein ambitioniertes Ziel, blickt man auf die schwindende Zahl der Gaststätten im Mittelrheintal. „Noch vor 50 Jahren hatte allein Kamp-Bornhofen 40 Gastrobetriebe, das muss man sich mal vorstellen“, sagt Lothar Weinand, Vizepräsident des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Rheinland-Pfalz.

Als echter „Kamper Jung“ und Spross einer Wirtsfamilie kennt er die Gastroszene am Mittelrhein wie seine Westentasche und blickt mit Sorge auf die Entwicklung. „Der Schwund ist enorm. Vor allem auf der rechten Rheinseite müssen die Gäste nach Einkehrmöglichkeiten suchen. In Kamp-Bornhofen ist uns nur noch eine Handvoll Betriebe geblieben.“ Dabei war die Rheingemeinde einst ein Hotspot für Tagestouristen. Der Publikumsbringer: das Kloster. Ab Mai steppte in dem Dorf mit knapp 1500 Einwohnern der Bär, wenn die Wallfahrten losgingen. Diese Zeiten seien laut Weinand seit zehn Jahren vorbei. Man müsste sich nun anders aufstellen, ist er überzeugt und folgte deshalb gern der Einladung Girnsteins zum Auftakt seiner Weinproben.
Weinand sowie andere Akteure aus regionaler Touristik und auch ein paar Stammgäste rückten an der langen Theke des historischen Weinkellers des „Rheingrafen“ zusammen, während Girnstein Tropfen aus Oberwesel, Bornich und Königswinter ausschenkte. Einig war man sich schnell, dass es mehr Vernetzung unter den Betrieben braucht, um dem Anspruch der Gäste gerecht zu werden.

So wusste auch Rainer Knecht, Betreiber der Sommerbobbahn auf der Loreley, zu berichten, dass viele seiner Gäste auch auf Empfehlung der Beherbergungsbetriebe ihren Weg zu ihm finden. „Wir sind die Saison über gut beschäftigt, viele Gäste kommen regelmäßig, weil wir aber natürlich auch keine Konkurrenz in der direkten Umgebung haben und über die Region bekannt sind“, erzählt Knecht. Aber auch er merke, dass die Menschen mehr erleben wollen und die Ansprüche steigen.
„Aktuell haben wir den Tiefpunkt der Gastronomie in der Region erreicht.“
Lothar Weinand, Vizepräsident Dehoga RLP
Dass sich auch im Oberen Mittelrheintal etwas ändern muss, ist unumstritten. „Aktuell haben wir den Tiefpunkt der Gastronomie in der Region erreicht. Weniger Betriebe werden es nicht werden“, fasst Dehoga-Vizepräsident Weinand nüchtern zusammen. Wenn man daran was Gutes sehen will, dann habe hier eine Marktbereinigung stattgefunden. Die Betriebe, die übrig sind, profitieren davon. Nun müsse man einen Weg finden weg vom Konkurrenzdenken hin zu Mitbewerbern, die sich gegenseitig die Gäste zuschieben. „Dafür muss man aber auch die Neuen und Engagierten, die was wagen wollen, machen lassen“, betont Weinand. Ob da zum Beispiel Giersteins Modell der Weinprobe aufgeht und die Kollegen ansteckt, wird sich zeigen. „Erste Gespräche mit den anderen Gastronomen im Ort haben bereits stattgefunden“, ist Girnstein zuversichtlich.