Protestaktion am St.-Elisabeth-Krankenhaus
Kahlschlag im Lahnsteiner Krankenhaus: Mitarbeiter sind aus allen Wolken gefallen
Enttäuschung, Frust und Trauer: Zahlreiche entlassene Mitarbeiter des St.-Elisabeth-Krankenhauses demonstrierten gestern ihre Betroffenheit. Fotos: Lui
tl

Am Mittwoch haben die letzten Patienten das Lahnsteiner St.-Elisabeth-Krankenhaus verlassen. Sie wurden entweder entlassen oder in ein anderes Krankenhaus verlegt. „Alle Entlassungen oder Verlegungen waren aus medizinischer Sicht zu vertreten“, versichert Christoph Esten, der Chefarzt der Klinik für Innere Medizin. „Alles andere hätten die Kollegen und ich aus ethischen Gründen niemals mitgemacht.“

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Enttäuschung, Frust und Trauer: Zahlreiche entlassene Mitarbeiter des St.-Elisabeth-Krankenhauses demonstrierten gestern ihre Betroffenheit. Fotos: Lui
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Das war’s auch schon mit guten Nachrichten rund um die insolvente Klinik: 200 der 330 Mitarbeiter haben dieser Tage ihre Kündigung für den 31. Mai erhalten, sind ab 1. März freigestellt. Zahlreiche Mitarbeiter protestierten gestern vor dem Krankenhaus – und zeigten sich schockiert darüber, was gerade abläuft.

Fassungslosigkeit bleibt zurück

Binnen weniger Tage wurde ein Krankenhaus im Vollbetrieb stillgelegt. Zurück bleibt Fassungslosigkeit: Bei Menschen, die nach Jahrzehnten ihren Job verloren haben. Bei Kranken, die von jetzt auf gleich vor die Tür gesetzt wurden. Und bei den Bürgern im Rhein-Lahn-Kreis, denen beim Blick auf die Gesundheitsversorgung der Zukunft angst und bange wird.

Seit 2009 ist Christoph Esten am Lahnsteiner Krankenhaus. Was er derzeit erleben muss, verschlägt auch ihm die Sprache. „Am Mittwoch haben wir alle noch mal zusammengesessen und die vielen Jahre im Haus Revue passieren lassen. Es fühlte sich an, wie bei einer Massenbeerdigung.“ Die Mitarbeiter seien immer mit Herz zur Arbeit gegangen, „keiner hat die Patienten die letzten Tage im Stich gelassen – obwohl viele noch Resturlaub oder Überstunden haben.“ Auf den verzichteten allesamt. „Ich bin stolz auf unsere Kollegenschaft“, sagt Esten.

Sachwalter hat das alleinige Sagen

Nichts, rein gar nichts habe in den vergangenen Wochen darauf hingedeutet, dass das Krankenhaus geschlossen werde, berichtet er weiter. Sein Eindruck: „Das vorgelegte Konzept wäre zukunftsfähig gewesen.“ Doch in der geplanten Transformation zu einem „Krankenhaus der Altersmedizin“ inklusive HNO-Abteilung und Orthopädie sahen die beiden verbliebenen Bieter für eine Übernahme wohl keine Perspektive – und auch der vom Amtsgericht bestelle Sachwalter Christoph Niering nicht.

„Am Montag wurden wir alle vor vollendete Tatsachen gestellt“, berichtet Esten. Auch Interimsgeschäftsführer Claudius-David Walker und der Generalbevollmächtigte Moritz Handrup sollen von der Entscheidung sehr überrascht gewesen sein, alles zu schließen und nur die psychiatrische Abteilung zu halten.

Das Lahnsteiner Krankenhaus ist eine Institution in der Stadt: Einweihung war am 29. Juni 1965. Der jetzt vollzogene Kahlschlag ruft geharnischte Proteste hervor.
Tobias Lui

Pflegedienstleiter warb für Neuaufstellung

Ein Schlag ins Gesicht – auch für Richard Rosenthal. Der ist als Pflegedienstleiter des Krankenhauses für 194 Mitarbeiter verantwortlich. Rosenthal ist sichtlich getroffen. „Uns wurde in den vergangenen Monaten immer und immer wieder eine Zukunftsperspektive genannt“, erklärt er. „Dass Umstrukturierungen kommen, wussten alle, aber doch keine Entlassungen in diesem Stile.“

Er selbst sei von den Ideen zur Neuaufstellung überzeugt gewesen, habe bei den Kollegen dafür geworben – auch bei solchen, die eigentlich wegwollten. „Und jetzt das. Das Einzige, was ich jetzt noch tun kann, ist, den Kolleginnen und Kollegen Zeugnisse zu schreiben.“ Dabei haben einige noch nicht mal ihre Kündigung – zum Beispiel die Mitarbeiter der Cafeteria. Bei einigen Angestellten mit Behinderung droht gar ein juristisches Nachspiel: Nach RLZ-Informationen muss das Integrationsamt informiert werden, bevor Menschen mit Schwerbehinderung entlassen werden. Dies ist nicht geschehen, die Mitarbeiter wollen klagen.

Übernahme Psychiatrie noch nicht in trockenen Tüchern

Überall herrscht Ratlosigkeit. Sogar bei den Mitarbeitern der Psychiatrie, die ja bestehen bleiben soll. Zumindest, wenn die Übernahme durch die Barmherzige Brüder Trier gGmbH (BBT) tatsächlich gelingt. „Wartet mal ab. Das ist noch nicht in trockenen Tüchern“, warnt ein Insider, dass diese Übernahme durchaus noch scheitern könne. Die BBT hatte sich im Bieterverfahren gegen den bisherigen Träger Elisabeth Vinzenz Verbund (EVV) durchgesetzt. Aber auch dieser, so Informationen unserer Zeitung, hatte ebenfalls nur ein Angebot für den Weiterbetrieb als reine psychiatrische Fachklinik abgegeben.

Tobias Lui

Warum aber hat das Konzept von Walker und Handrup nicht überzeugt? Und wie lässt es sich mit christlichen Werten vertreten, langjährige Mitarbeiter über Wochen hinweg im Unklaren zu lassen – und dann von heute auf morgen auf die Straße zu setzen? Weder der EVV noch die BBT wollen sich aktuell dazu äußern. Beide führen rechtliche Gründe an.

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