Oraniensteiner Konzert Diez
Joseph Haydn hätte seine Freude gehabt
Das Publikum applaudiert dem Goldmund Quartett bei ihrem Auftritt im Oraniensteiner Schloss. Es spielten (von links): Florian Schötz, Pinchas Adt, Christoph Vandory und Raphael Paratore.
Anneke Jung

Schon vor vier Jahren hatten sie für Aufsehen gesorgt, nun kehrten die vier jungen Streicher des Goldmund Quartetts für ein Konzert nach Schloss Oranienstein zurück. Zu hören waren unter anderem Werke von Gerald Finzi, Joseph Haydn und Edvard Grieg.

Vor gut drei Jahren waren die vier jungen Männer des Goldmund Quartetts schon einmal in Oranienstein und sorgten mit ihren Interpretationen für Begeisterung. Schon damals spielten sie das einzigartige „Paganini“-Quartett von Stradivari. Die Instrumente des legendären Antonio Stradivari, ursprünglich im Besitz des Geigers Nicolò Paganini, wurden ihnen von der Nippon Music Foundation für einige Jahre zur Verfügung gestellt. Im Juli 24 entschied die Foundation, die Instrumente weiter bei dem Ensemble zu belassen. Eine große Auszeichnung, die für sich spricht.

„Mal glaubte man, wild gewordene Trolle seien unterwegs, dann fand das Stück zur feinen Lyrik zurück.“
Wild ging es im Intermezzo von Edvard Griegs Streichquartett Nr. 1 g-Moll, op. 27 zu.

Schon 2021 beeindruckte, wie gut die Musiker mit den kostbaren Instrumenten arbeiteten. Am vergangenen Samstag hatte man das Gefühl, da sind Künstler und Instrumente zu einer genialen Einheit verwachsen. Florian Schötz, Pinchas Adt (Violinen), Christoph Vandory (Viola) und Raphael Paratore (Violoncello), die seit ihrem Studium, zum Teil schon seit ihrer Schulzeit zusammen musizieren, verständigen sich nahezu blind miteinander. Das Zusammenspiel läuft so organisch und geschlossen, dass man glaubt, einen einzigen Klangkörper zu hören. Die kostbaren Instrumente sind Teil dieser Gemeinschaft geworden und entwickeln eine Klangfülle, die in dieser Besetzung außergewöhnlich ist. Der Klang ist kraftvoll, aber edel, tragend im leisesten Pianissimo und immer noch rund und warm, auch bei den ruppigsten Passagen. Damit kann man als Streichquartett alles realisieren, was man möchte – wenn man denn so großartig spielt wie die vier Goldmunds.

Haydn mit jeder Menge Sinn für Humor

Eine kompakte Kostbarkeit boten sie zu Beginn mit der „Romance“ op. 11 des Engländers Gerald Finzi aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, einem Meister der zarten, lyrischen Töne. Das Stück beginnt in großer Ruhe, fächert sich zu bezaubernder Farbigkeit und Lebendigkeit auf und findet schließlich wieder in den sanften Klang zurück.

Wer Streichquartette liebt, kommt an Joseph Haydn nicht vorbei. Sein riesiges Oeuvre bietet Laien wie Profis ein reiches Betätigungsfeld. An der Interpretation von Nr. 82 F-Dur, op. 77,2 hätte der Komponist wohl seine helle Freude gehabt. Haydn selbst hat in seinen Werken neben beeindruckender Motivarbeit, eine Fülle von melodischen Einfällen auch jede Menge Sinn für Humor und Ironie bewiesen. Das alles kitzelten die jungen Musiker bis aufs i-Tüpfelchen heraus. Pastös-flächiger Klang wechselte mit detailverliebter Virtuosität, sanft schmeichelnde Melodik mit krachend ruppigen Passagen. Im Menuett setzte sich der fast derb wirkende Bauerntanz mit seiner irritierenden Betonung gegen den Dreiertakt von dem zarten, wie aus einer anderen Welt kommenden Trio ab. Das Andante entwickelte sich als wunderschön melodiöser Variationensatz, bevor das mutwillig-rasante Finale zum Schluss führte. So lebendig, spielfreudig, manchmal frech und witzig hört man Haydn nicht oft, das reine Vergnügen.

Irrlichternde Klänge voller Dramatik

Edvard Griegs einziges Streichquartett Nr. 1 g-Moll, op. 27 bildete den zweiten Teil des Abends. Da konnten und mussten die Musiker alles geben. Der variantenreiche erste Satz war voller Dramatik, irrlichternder Klänge, schönen Cantilenen und gnadenloser Raserei am Ende. In der Romanze gab es Melodisches mit viel Nationalkolorit und tänzerische Elemente. Wild ging es im Intermezzo zu: „Mal glaubte man, wild gewordene Trolle seien unterwegs, dann fand das Stück zur feinen Lyrik zurück.“ Im Finale beeindruckten breite Klänge und mit Lust ausgespielte Dissonanzen, bevor ein wilder Tanz mit perkussiven Elementen im Cello das Werk beendete.

Im Publikum gab es danach kein Halten mehr. Mit stehenden Ovationen wurde das Goldmund Quartett gefeiert. Ihren Sinn für Humor bewiesen die vier Herren dann mit zwei witzigen Zugaben aus ihrer Münchner Heimat, bei denen sogar mitgeklatscht wurde. Ein großartiger Abend, der keine Wünsche offenließ.

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