Trotz der vorigen Zustimmung des Fachausschusses lehnte es im November eine Ratsmehrheit ab, das Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans und zur Aufstellung eines Bebauungsplans einzuleiten (unsere Zeitung berichtete). Der Grund: Einige im Rat sehen „zu viele offene Fragen“, das Verfahren sei aktuell nicht mehrheitsfähig, so die gemeinsame Sorge. Schließlich brauche man für ein solches Projekt eine „stabile Mehrheit“, wie es CDU-Chef Johannes Lauer damals formulierte. Die größten Unsicherheiten aus Sicht einer Ratsmehrheit: Die verkehrstechnische Erschließung, Nachhaltigkeit und die geplanten Dimensionen des Projekts.
Überrascht über Skepsis
„Wir waren damals schon ein wenig überrascht“, sagt Marcus Zischg, Vorstand bei der CG Elementum AG, im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Topmanager betreut aktuell insgesamt vier Projekte der Elementum AG, das Vorhaben am Rhein in Lahnstein ist das Größte. Was ihn verwundert: „Wenn das Bebauungsplanverfahren anläuft, hat die Stadt doch weiter das Heft des Handelns in der Hand. Der Rat kann im Bebauungsplan all das festlegen, was ihm später wichtig ist.“ Auch habe man die Möglichkeit gehabt, alles vorher vertraglich in einer Absichtserklärung zu fixieren – und später dann in einem städtebaulichen Vertrag zu verankern, so Zischg.
Vor etwa drei Jahren hat dessen Arbeitgeber, die CG Elementum AG, die Löhnberger Mühle von der Activ-Group das Areal erworben. Zunächst wollte man gemeinsam entwickeln. „Irgendwann aber haben die Partner festgestellt, dass allein entwickeln mehr Sinn macht“, beschreibt der Manager. Also stieg der Vorbesitzer aus, die CG Elementum AG entwickelt seitdem allein.
Das Unternehmen ist seit mehr als 25 Jahren auf dem Wohnungsbaumarkt und hat sich seit einigen Jahren „nachhaltige Immobilienentwicklung“ auf die Fahnen geschrieben. Mittlerweile setze man komplett auf digitales und nachhaltiges Bauen, erklärt Zischg. Bausteine davon: kostengünstiges serielles Bauen, Fotovoltaik, Geothermie, Wasserstoffspeicher, Blockheizkraftwerke, Abwasserwärme et cetera. „Mit dem Rhein daneben ist das Areal ideal gelegen, um Wärme aus dem Wasser zu gewinnen“, erklärt Zischg. Man werde mit einer Geothermie-Anlage im Rhein höchsten ökologischen Ansprüchen entsprechen, Gleiches gelte für Fotovoltaik.
Bloßes Investorengeschwätz? „Wir halten, was wir versprechen“, betont der Manager. „Davon zeugt die große Anzahl unserer fertiggestellten Projekte deutschlandweit.“ In Köln-Mülheim habe man beispielsweise den Cologne Campus entwickelt: Das Areal bietet moderne Flächen für Büro, Gewerbe, Gastronomie sowie Kunst und Kultur. Alle Neubauten werden von Fotovoltaik- und Geothermieanlagen versorgt, berichtet Zischg. „Wir stehen für nachhaltiges Bauen – und zwar nahezu klimaneutral.“
Und jeder, der Zweifel an den Absichten des Immobilienriesen habe, könne sich gern bei Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker informieren. „Unser Gründer Christoph Gröner hat Frau Reker versprochen, die Künstler, die auf dem Cologne Campus angesiedelt waren, auch nach einer Revitalisierung das Gebäude zu kostengünstigen Mieten weiter auf dem Areal zu beheimaten. Und dies ist zu 90 Prozent auch gelungen. Wir stehen zu dem, was wir versprechen.“ Man sei keine der viel zitierten „Heuschrecken“, die mit Spekulationen Geld mache. „Davon zeugen die vielen Projekte, die wir in den letzten Jahren erfolgreich umgesetzt haben.“
Brauwiesen mit im Boot
Bereits im Jahr 2019 habe man erstmals mit der Stadtverwaltung um den damaligen Oberbürgermeister Peter Labonte über das Projekt gesprochen, erinnert sich der 45-Jährige. „Herr Labonte war begeistert und hat viele eigene Ideen beigesteuert.“ Da sich zu diesem Zeitpunkt aber das Ende von dessen Amtszeit genähert habe, wollte der ehemalige OB dem Nachfolger das Thema lassen, so berichtet es Zischg. Auch Oberbürgermeister Lennart Siefert stehe dem Projekt nach Amtsantritt offen gegenüber, „denn er sieht die Chancen für Lahnstein“. Auch Nachbar Maximilians Brauwiesen ist mit im Boot, wie der Elementum-Vorstand betont. „Besitzer Sascha Ohlig ist daran gelegen, dass das Gebiet hier unten ordentlich entwickelt wird und die Zukunft des Brauhauses gesichert ist.“
Nachdem das Projekt im November vom Rat zunächst ausgebremst wurde, wandte sich Marcus Zischg noch einmal schriftlich an die Fraktionen. „Unser Team von mehr als 600 Mitarbeitern bearbeitet derzeit rund 80 Projektentwicklungen mit einem Projektvolumen von mehr als 5,4 Milliarden Euro verteilt auf das gesamte Bundesgebiet“, heißt es in diesem Schreiben.
„Unser Fokus liegt auf der systematischen Optimierung unserer CO2-Bilanz.“ Man habe daher ein einzigartiges Produkt entwickelt, dass „ökologische Lebenswelten und bezahlbare Lebensräume“ vereine. Man habe bereits viel Geld investiert und wolle mehr als 400 Millionen Euro ins Projekt schießen, versichert Zischg. „Aber diese Investitionen verlangen Planungssicherheit und auch die Mitwirkung von Politik und Verwaltung.“ Nur gemeinsam könne man so hohe Ziele erreichen.
Nach der Absetzung im Stadtrat bietet Zischg den Räten nun an, ihm alle offene Fragen zu stellen, er wolle Sorgen und Ängste ausräumen. „Unser Unternehmen hat in Deutschland bereits an vielen Stellen bewiesen, dass Vertrauen bei uns nicht bloß ein Begriff ist, sondern dass Vertrauen bei uns das grundlegende Element darstellt.“
Gegenüber unserer Zeitung betont Zischg, dass er beispielsweise von der Sorge gehört habe, die Sanierung des historischen Mühlengebäudes könne „hinten runterfallen“, wenn der Bebauungsplan mal stehe. „Dabei ist die Mühle auch für uns der optische Kern des künftigen Wohnviertels.“ Außerdem habe man mit einem großen Betreiber von betreuten Alteneinrichtungen bereits einen künftigen Nutzer an der Hand.
In dem Schreiben an die Stadtratsfraktionen heißt es weitere: Natürlich nehme man zur Kenntnis, „dass die Stadt vor dem Hintergrund an anderer Stelle gemachter Erfahrungen hier umsichtig handeln möchte“. Gemeint ist die Entwicklung rund um das Rheinquartier, bei der nicht jeder im Rat mit der Umsetzung zufrieden war. „Dies nehmen wir sehr ernst und stellen uns dem sehr gern.“ Daher bietet Zischg an, „so früh als nur möglich einen städtebaulichen Vertrag mit der Stadt Lahnstein zu vereinbaren“.
Allerdings lässt er ebenso keinen Zweifel daran, dass „die Grundlagen dafür allerdings zunächst den Aufstellungsbeschluss eines Bebauungsplans bedingen“. Doch selbst nach einem solchen Beschluss bleibe die Stadt weiterhin Herr des Verfahrens. Es gebe die Möglichkeit, vor Abschluss eines städtebaulichen Vertrages bereits eine beidseitige Absichtserklärung zu vereinbaren. Diese „kleine Variante“ eines städtebaulichen Vertrages stelle einen rechtlichen Rahmen für alle Beteiligten dar und gebe „klare Leitplanken“ für das kommende Verfahren vor.
In der vergangenen Woche hat es Gespräche mit einzelnen Fraktionen gegeben, diese sollen noch fortgeführt werden. Er wünsche sich, so Zischg gegenüber unserer Zeitung, dass das Verfahren „im Februar oder März“ endlich aufgenommen werden könne. Nur dann sei eine Umsetzung des Zeitplans – Zischg sagt, bis 2027 könnte das neue Wohngebiet stehen – realistisch.