Einen Kandidaten zur Urwahl hatte es bei der Kommunalwahl 2014 nicht gegeben, lediglich eine parteiübergreifende Liste für den Rat. Der Stadtrat hatte Mertens einstimmig aus seiner Mitte heraus zum Nachfolger von Bernhard Roth gewählt. Zuvor war Mertens bereits Erster Beigeordneter der Loreleystadt.
Man hatte eigentlich den Eindruck, Sie hätten sich als Stadtbürgermeister gerade gut warmgelaufen. Was hat Sie dazu bewogen, das Amt gerade jetzt niederzulegen, da so viele Projekte gestartet sind?
Das hat einen beruflichen Hintergrund. Das Finanzamt St. Goarshausen/St. Goar, wo ich Geschäftsstellenleiter war, wird zum 1. März mit dem Finanzamt Koblenz fusioniert. Künftig werde ich die Geschäftsstelle des Finanzamtes Bingen/Alzey leiten. Für mich persönlich ist das eine berufliche Weiterentwicklung, weil es sich um ein größeres Amt handelt. Aber eine Reduzierung der Arbeitszeit ist dort nicht bzw. nur in einem geringem Umfang möglich. Dann kommt auch noch das tägliche Pendeln zur Arbeitsstelle hinzu. Die Entscheidung gegen das Bürgermeisteramt fiel mir schwer, denn ich habe das wirklich gern gemacht. Aber die Projekte in St. Goarshausen sind keine Dinge, die man mal so nebenbei erledigen kann. Da muss man sich richtig einarbeiten und oft nachhaken. Deshalb war mir klar, ich würde im Falle einer Doppelbelastung vielleicht weder dem Ehrenamt noch dem neuen Dienstposten gerecht werden – von der Familie ganz zu schweigen. Damit war für mich klar: Weiterzumachen hat keinen Sinn.
Bei der Kommunalwahl 2014 hatten Sie in St. Goarshausen die meisten Stimmen erhalten. Bleiben Sie denn dem Stadtrat in irgendeiner Form erhalten?
Im Moment ist es erst mal so, dass ich offiziell ausscheiden werde, weil ich als Stadtbürgermeister kein Ratsmandat mehr hatte. Das heißt, wir müssen zunächst abwarten, wer neuer Bürgermeister wird. Wenn es mir angeboten wird, würde ich dann gegebenenfalls wieder einen Posten als Beigeordneter übernehmen. Das muss sich aber erst schrittweise entwickeln.
Ist jemand bereit, Ihre Nachfolge als Stadtbürgermeister anzutreten?
Der Erste Beigeordnete Manfred Baumert will sich für das Bürgermeisteramt bewerben. Dabei ist aber noch offen, ob er das in Form einer Urwahl angehen will oder sich wie in meinem Fall vom Rat wählen lässt. Er wird auf jeden Fall zunächst ab 1. April die Dienstgeschäfte als Erster Beigeordneter übernehmen. Wir haben am 13. Februar eine Stadtratssitzung. Dazu wird die Verbandsgemeindeverwaltung eine entsprechende Beschlussvorlage erarbeiten und der Rat einen Wahltermin beschließen. Dann gibt es eine Frist für Wahlvorschläge zur Urwahl. Wenn kein Vorschlag eingeht, wählt der Rat wie 2014 einen Stadtbürgermeister aus seiner Mitte.
Die Stadt St. Goarshausen ist mit rund 1300 Einwohnern ja nicht so groß, die Projekte und Veranstaltungen von Freilichtbühne über Loreley-Plateau bis zu Rhein in Flammen aber umso größer. Ist das für einen ehrenamtlichen Bürgermeister überhaupt machbar?
Ich sage ganz offen: Das ist sehr grenzwertig. Denn die Aufgabenvielfalt ist enorm. Es müsste auf höherer Ebene mal darüber nachgedacht werden, wie lange das noch funktionieren kann. Manfred Baumert, der sich jetzt bewerben will, ist 68 Jahre alt und Rentner. Die Möglichkeit, dass Vorruheständler ein solches Amt übernehmen, schwindet in unserer Gesellschaft allmählich. Wenn man aber noch berufstätig ist, wird der Zeitaufwand inklusive Ehrenamt sehr umfangreich. Irgendwie müssten die Aufgaben der kommunalen Verwaltung neu verteilt werden. Interessant ist aber auch, dass es leichter wäre, Bürgermeister zu sein, wenn wir 500 Einwohner mehr hätten. Das Steueraufkommen wäre größer, und man hätte finanziell mehr Möglichkeiten – etwa von der Bürokraft bis zum städtischen Bauhof. Und man hätte vor allem nicht dieses schwierige Themenfeld mit den Leerständen. Dem entgegenzuwirken – oft auch noch erfolglos –, ist sehr zeitaufwendig für einen Bürgermeister, wird aber in den kommenden Jahrzehnten existenziell für die Region sein.
Wie viele Arbeitsstunden mussten Sie aufbringen, um die Stadtgeschäfte am Laufen zu halten?
Darüber habe ich Aufzeichnungen geführt. Das waren in der Regel 30 Stunden pro Woche, die ich für das Ehrenamt aufwenden musste.
Hatten Sie als Stadtbürgermeister auch mal schlaflose Nächte wegen der Verantwortung – etwa bei Rhein in Flammen? Letztlich ist der Stadtchef für die Sicherheit verantwortlich.
Tatsächlich haben wir aufgrund der allgemeinen Bedrohungslage für Rhein in Flammen ein neues Sicherheitskonzept erarbeitet. Nach den paar Tagen ist man schon froh, wenn es vorbei ist und alles gut ging. Aber es gehört zu meinen Fähigkeiten, dass ich bei Bedarf zu Hause gut abschalten kann. Schlaflose Nächte gab es also keine. Außerdem läuft die Zusammenarbeit mit der Polizeiinspektion St. Goarshausen sehr gut. Dort ist man froh, dass Gewaltdelikte unter Alkoholeinwirkung in 2016 deutlich zurückgingen. Grundsätzlich haben mein Amtskollege Horst Vogt in St. Goar und ich schon darüber gesprochen, das Thema Rhein in Flammen mit den Landräten zu erörtern, ob die Kommunen mehr unterstützt werden können. Die Dimensionen werden für die beiden kleinen Schwesterstädte doch recht groß. Dabei haben wir noch Glück, dass das Sicherheitskonzept auf dem Rhein komplett vom Wasser- und Schifffahrtsamt übernommen wurde.
Zum Thema Mittelrheinbrücke, die die beiden Schwesterstädte einmal verbinden soll, gibt es ja plötzlich unerwarteten Streit. Glauben Sie, dass die feste Querung gebaut wird?
Jammern oder Trübsal blasen hilft uns bei der Frage nicht. Das Welterbe Oberes Mittelrheintal muss weiter zusammenwachsen. Dabei ist die Buga 2031 meiner Meinung nach ein wichtiger Fixpunkt. Ich bin zuversichtlich, dass die Großveranstaltung kommen wird. Die Brücke kann dazu auch einen wichtigen Beitrag leisten. Deshalb müssen wir nach vorn schauen und die Planung voranbringen. Die derzeitigen Streitereien empfinde ich als unschön. Das sollte künftig harmonischer laufen.
Können Sie von einem persönlichen Highlight ihrer Amtszeit berichten?
Es gab viele schöne Momente. Die sind aber sehr weit gestreut. Da waren einige Geburtstage von älteren Menschen, die interessante Geschichten zu erzählen hatten. Oder Gäste aus Japan, die in ihrer Landessprache das Loreleylied gesungen haben. So gab es viele schöne Begegnungen mit Menschen, von denen ich gar keinen besonders hervorheben will.
Prominentestes Projekt der Stadt ist die Loreley-Freilichtbühne. Die Sanierung für rund 4,5 Millionen Euro im ersten Bauabschnitt läuft. Ihr Nachfolger wird sicher noch länger damit befasst sein. Wie schaut es derzeit aus?
Es sieht gut aus. Wir haben aufgrund des frostigen Winterwetters beim Fortschritt der Sanierung etwa zehn Tage verloren. Das versuchen die beauftragten Unternehmen, gegebenenfalls durch Samstagsarbeit wieder einzuholen. Das heißt, die Arbeiten können nach dem derzeitigen Sachstand bis zum Saisonstart im Juni inklusive neuem Bühnendach fertiggestellt werden. (lacht) Wenn das nicht der Fall wäre, könnte ich vielleicht doch noch schlaflose Nächte bekommen. Aber derzeit gibt es keinen Grund zur Sorge. Manfred Baumert nimmt an den regelmäßigen Besprechungen dazu teil. Wenn er Bürgermeister werden sollte, ist er bereits umfassend informiert.
Im ersten Bauabschnitt hat das Land 80 Prozent der Sanierungskosten auf der Freilichtbühne übernommen, Pächter und Stadt jeweils 10 Prozent. Wie geht es mit dem zweiten Bauabschnitt mit Künstlergarderobe und Backstage-Bereich weiter?
Der Pächter lehnt eine weitere Beteiligung am zweiten Bauabschnitt momentan ab, weil das für ihn betriebswirtschaftlich nicht darstellbar ist. Wir haben in der Ratssitzung den Beschluss gefasst, dass wir auch den zweiten Bauabschnitt grundsätzlich umsetzen wollen. Dazu sind einige Fragen zu klären: Wie stellt sich die Kommunalaufsicht dazu? Ist eine höhere Förderung des Landes von vielleicht 90 Prozent möglich? Es geht immerhin noch einmal um mehr als 1 Million Euro. Das muss sorgsam abgewogen werden.
Ein weiteres wichtiges Thema ist das Feuerwehrgerätehaus. Wie ist da der Sachstand?
Die Stadt hat das Gebäude in der Forstbachstraße gekauft. Inzwischen lief noch eine baufachliche Überprüfung. Die SGD Nord will noch ein Baugrundgutachten haben, das in den nächsten Tagen beauftragt wird. Dabei geht es unter anderem um Fragen der Bachverrohrung und Hangsicherung. Wenn das unter Dach und Fach ist, stellen wir den Antrag auf Mittel der Städtebauförderung beim Land und können gegebenenfalls mit den Abrissarbeiten beginnen. Insgesamt bin ich guter Dinge, dass wir das Gelände der Verbandsgemeinde mittelfristig zum Bau eines neuen Gerätehauses zur Verfügung stellen – auch wenn das nicht so schnell geht, wie wir es uns gewünscht hatten.
Im vergangenen Jahr wurde auch über einen Umzug der Stadtverwaltung in den ehemaligen Bahnhof gesprochen. Um die Sanierung des Gebäudes ist es aber wieder still geworden.
Das ist richtig. Im Moment ist da wenig Bewegung drin. Wir mussten zunächst die Mehrkosten bei der Sanierung der Freilichtbühne bewältigen. Finanziell war deshalb einfach noch nicht mehr drin. Hinzu kam bei den Unwettern im Mai 2016 der große Krater bei den Tennisplätzen im Stadtteil Wellmich, die Eigentum der Stadt sind. Dieser Schaden muss noch behoben werden. Zwar ist der Bahnhof in der Stadt ein heißes Thema, das längst nicht vom Tisch ist. Aber ich bitte um Verständnis, dass nicht alles auf einmal geht.
Bei der Diskussion um Investitionen ist die Schuldenlast der Stadt oft das Problem. St. Goarshausen nimmt ja am Entschuldungsfonds des Landes teil. Sieht man schon ein Licht am Ende des Tunnels?
Der Entschuldungsfonds ist eine tolle Sache. Wir haben bisher unseren Beitrag dazu jedes Jahr geleistet. Wir sprechen aber bei der Entschuldung vom Schuldenstand vor fünf Jahren als Basis. Mittlerweile ist dieser angewachsen. Dennoch kann die Stadt auf eine erhebliche Entlastung hoffen.
Was ist Ihr dringendster Wunsch für Ihren Nachfolger?
Zunächst gibt es ein Thema auf kommunaler Ebene: Im Fremdenverkehrs- und Gewerbeverein ist der amtierende Stadtbürgermeister laut Satzung derzeit der geborene Vorsitzende. Daran hängen viele Festivitäten. Das ist sehr arbeitsintensiv. Es wäre eine Entlastung, wenn ein weiterer Kopf dazukäme. Weiterhin wünsche ich ihm, dass uns das Land weiterhin wohlgesonnen bleibt und bei den großen Projekten und städtebaulichen Maßnahmen umfassend unterstützt. Das läuft sehr gut. Da können wir nicht klagen und nur hoffen, dass das die kommenden Jahre so bleibt.
Das Gespräch führten Mira Müller und Andreas Jöckel