Gericht übt Milde
Illegales Straßenrennen: Mit 600 PS durch Limburg
An dieser Stelle rasten mit über 100 km/h zwei junge Diezer mit einem Mercedes-AMG und einem BMW M 6 vom ICE-Gebiet in Richtung Innenstadt Limburg; erlaubt ist Tempo 50.
Stefan Dickmann

Mit geballter PS-Power und über 100 km/h innerorts rasten im vergangenen Jahr zwei junge Männer aus Diez durch Limburg. Nun mussten sie sich vor dem Limburger Amtsgericht verantworten.

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Dass sich die B8 zwischen ICE-Gebiet und Innenstadt in manchen Abendstunden in eine Rennstrecke verwandelt, wissen viele Anwohner nur zu gut. Was sich jedoch am Sonntagabend des 7. April vergangenen Jahres auf der zweispurigen Strecke zugetragen hatte, machte Staatsanwalt Marcel Markovic von der Staatsanwaltschaft Limburg stellenweise fassungslos. Vor dem Amtsgericht Limburg waren zwei junge Männer aus Diez, 23 und 27 Jahre alt, angeklagt, weil sie laut Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft mit ihren PS-starken Boliden das Gaspedal durchgedrückt und dabei Menschenleben gefährdet haben sollen. Der Tatvorwurf lautete auf Teilnahme an einem „illegalen Straßenrennen“ – ein Gesetzesparagraf (315d), der erst vor einigen Jahren unter dem Eindruck von Rasereien mit tödlichem Ausgang, beispielsweise auf dem Berliner Ku’damm, ins Strafgesetzbuch aufgenommen worden war.

Gegen 22.42 Uhr standen die beiden Diezer, von Lindenholzhausen kommend, nebeneinander vor der B8-Ampel an der Abfahrt zur A3 und ließen mehrfach die Motoren aufheulen. Sie öffneten die Fenster und riefen sich zu, dass sie ein Rennen in Richtung Innenstadt fahren wollten. Als die Ampel auf Grün schaltete, rasten sie mit durchdrehenden und quietschenden Reifen los. Sie beschleunigten ihre Fahrzeuge – ein Mercedes S 63 AMG mit 585 PS und ein BMW M6 mit 560 PS – auf mehr als 100 km/h, obwohl nur 50 und 30 km/h erlaubt waren. Pech aus ihrer Sicht: Eine Polizeistreife verfolgte das Raser-Duo, hatte wegen der hohen Beschleunigung allerdings Mühe hinterherzukommen. In der Frankfurter Straße stoppte der BMW laut Polizeiangaben nach mehreren provozierten Fehlzündungen und Motorenaufheulen an einer Tankstelle.

Angeklagter muss eine Familie versorgen

Der Mercedes konnte wenig später am Schiedetunnel angehalten werden. Zwischendurch hatten die beiden verhinderten Rennfahrer mehrere Fahrzeuge überholt. Der Mercedes wurde beschlagnahmt, weil er auf den Fahrer zugelassen war; der BMW wurde an den Halter, den Vater des damals 22-jährigen Fahrers, zurückgegeben. Beiden Männern wurde der Führerschein vorübergehend entzogen. Vor Gericht gaben sich die beiden Angeklagten zunächst zugeknöpft und wollten keine Angaben machen. Erst als Richterin Carolin Löw und Staatsanwalt Markovic die Möglichkeit eines Strafrabatts in Aussicht stellten, ließen sich die Angeklagten von ihren Rechtsanwälten Markus Kaczenski und Martin Riebeling zu einem Geständnis bewegen. Das fiel besonders dem älteren Angeklagten schwer, weil er sich wegen des beschlagnahmten Fahrzeugs ungerecht behandelt fühlte. Hinzu kam: Er benötigte nach eigenen Angaben den Verkaufserlös für den Mercedes, um seine Mutter, einen schwerbehinderten Bruder sowie Frau und zwei Kinder zu versorgen.

„Es geht uns nicht darum, Existenzen zu zerstören.“
Die Richterin begründet, warum einer der Angeklagten seinen Lkw-Führerschein behalten darf.

Der selbstständige Spediteur und Familienvater muss wegen des Führerscheinverlustes sein Geschäft ruhen lassen und hält sich und seine Familie mit Kindergeld und Leistungen des Job-Centers über Wasser. Sein Mitangeklagter lebt noch bei den Eltern und will demnächst eine Ausbildung zum Krankenpflegehelfer beginnen. Beide Angeklagten entschuldigten sich für ihr rücksichtsloses Fahrverhalten und beteuerten, dass ihnen die Anklage vor Gericht eine Lehre gewesen sei. Besonders der ältere Angeklagte versicherte mit Tränen in den Augen, dass er sich nie wieder in ein derart schnelles Fahrzeug setzen werde. Richterin Löw verurteilte beide Angeklagte mit Blick auf ihr Geständnis zu einer niedrigen Geldstrafe und entzog ihnen für weitere drei Monate den Führerschein. Der 27-Jährige darf jedoch seinen Lkw-Führerschein behalten, um für seine Familie sorgen zu können. „Es geht uns nicht darum, Existenzen zu zerstören“, begründete die Richterin diese Entscheidung, die zuvor bereits Staatsanwaltschaft Markovic ins Spiel gebracht hatte. Der 27-Jährige muss – weil er bisher nicht vorbestraft ist und nur einmal wegen zu schnellen Fahrens eine Geldbuße zahlen musste – 600 Euro Geldstrafe zahlen. Sein Mitangeklagter wurde zu 750 Euro Strafe verurteilt, weil er schon mehrfach Bußgelder wegen zu schnellen Fahrens kassiert hatte und wegen eines Drogendelikts vorbestraft ist. Die Beschlagnahmung des Mercedes hob die Richterin auf, sodass der Angeklagte das Auto nun verkaufen kann. „Ich will ihnen diese letzte Chance geben“, sagte Carolin Löw.

Staatsanwalt: Straße zum Spielfeld gemacht

Der Staatsanwalt hatte – vergeblich – auf Einziehung des Mercedes gedrängt, weil dies der Gesetzgeber verlange – „nicht aus Rache, sondern zum Schutz der Bevölkerung“, wie Marcel Markovic betonte. „Sie haben die Straße zu Ihrem Spielfeld gemacht“, sagte er in Richtung der Angeklagten. Deren Ziel sei es gewesen, sich zu messen, zu beweisen und selbst zu inszenieren. Der Mercedes sei sogar auf über 600 PS getunt worden, es habe laute Knallgeräusche und einen Beinahe-Unfall gegeben. „Sie haben The Fast an the Furious in Limburg gespielt.“ Auch äußerte Markovic Zweifel an der Ernsthaftigkeit des geplanten Mercedes-Verkaufs; ein vorgelegter Kaufvertrag sei möglicherweise nur zum Schein geschlossen worden, worauf die auffällig niedrige Kaufsumme hindeute. Er werde ein Auge darauf haben, ob der Wagen tatsächlich verkauft wird, kündigte der Staatsanwalt an. Er forderte ein Fahrverbot von vier Monaten für den 27-Jährigen und von fünf Monaten für den 23-Jährigen. Die Verteidiger Markus Kaczenski und Martin Riebeling hatten auf Verzicht eines weiteren Fahrverbots plädiert, weil ihre Mandanten mit 14 Monaten Führerscheinverlust bestraft genug seien. Kaczenski wies zudem auf die hohen Unterstellungskosten von 30 Euro pro Tag für den Mercedes seines Mandanten hin. Er versicherte: „Das Spielzeug ist weg und bleibt auch weg.“

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