So geschehen am vergangenen Freitagabend auf der Loreley: Eine ausverkaufte Open-Air-Arena, jubelnde Fans, von denen etliche dem zünftigen Anlass entsprechend in Krachledernen und Dirndln erschienen waren, und eine Show, die offenbar keinen ihrer Wünsche offen ließ – „ich besitze alle seine CDs, aber ihn live in dieser tollen Atmosphäre hier oben zu erleben, ist noch mal was ganz anderes“, schwärmte eine Besucherin, die für ihr Idol aus Hamburg angereist war.
Reichlich österreichisch-alpenländische Heimatverbundenheit umwehte bei diesem Konzert den rheinischen Sagenfelsen. In Liedern wie „Dahoam“ (Textzeile: „Tiroler Gröstl, Kärntnernudeln, Mannerschnitten, Apfelstrudel, Mozartkugeln, Sachertorte, Linzer Radln, Krapfen – Ja, da bin ich geboren und da, nur da bin ich dahoam“) beschwor Gabalier eine in kulinarischer und auch anderweitiger Hinsicht heile Welt voller Wohlfühlmomente und Wiedererkennungswert. Aber, so erklärte er im Rückblick auf seine vor 15 Jahren gestartete Karriere: „Es war mir von Anfang an ein großes Anliegen, die steirische Mundartmusik aus der kleinen und steilen Alpenrepublik herauszuholen und dazu beizutragen, dass sie mehr Internationalität und einen größeren Horizont bekommt.“
Mundart plus Rock ’n’ Roll
Das Rezept: Der in Graz aufgewachsene Österreicher vermischt die traditionelle steirische Mundartmusik mit Rock ’n’ Roll, aber auch mit etlichen Pop-, Country- und Folkelementen zu einem Nationen übergreifenden, tanzbaren Ganzen. Entsprechend fetzig ging es auf der Loreley-Bühne zu: Gabalier powerte in bester Rock-’n‘-Roller-Attitüde los, heizte dem Publikum mit seiner rauen, energiegeladenen Stimme ein, was das Zeug hielt – und sorgte auch zwischen den Songs ordentlich für Stimmung („Are you ready for ‚Hulapalu‘?“). Aber auch Pressekritisches hatte er im Gepäck: „Manche Journalisten vertragen es nicht, dass ich modern gelebte Tradition auslebe, und schreiben negativ über meine Musik“, beklagte er sich an einer Stelle bitterlich. Aber zum Glück hat er ja sein Publikum: „Dass ihr da seid, macht es so positiv.“
Modern gelebte Tradition – diese Botschaft transportiert der Volks-Rock-’n’-Roller auch mit seinem Bühnenoutfit: Die längst zu seinem Markenzeichen gewordene kurze Lederhose, die es erlaubt, die strammen Waden zu zeigen, das den Bizeps betonende ärmellose Muskelshirt und die um Oberarm und Handgelenk geschlungenen karierten Slap-Armbänder dürften besonders bei weiblichen Fans Gefallen finden. Ebenso wie die gefühlvollen Liedtexte: „Du bist irgendwie tief in meiner Fantasie, und wann immer ich dich seh in der Nacht, bin ich neben dir nur ein blinder Passagier, der ins offene Messer rennt und lacht“, heißt es beispielsweise in seiner neuesten Single „Meine Liebe bleibt“.
Pathos in der Stimme
Viel Gefühl, manchmal hart an der Grenze zum Pathos oder bereits darüber hinaus, legte er auch in den An- und Zwischenmoderationen in seine Stimme („So viele nette Menschen“, „So viele Herzchen in den Augen“, „So viele strahlende Gesichter“). Der 39-Jährige, dessen politische Haltung nicht unumstritten ist (unter anderem werfen Kritiker ihm Nähe zu rechtspopulistischem Gedankengut, Frauenfeindlichkeit und Homophobie vor, was er selbst allerdings weit von sich weist), betonte auf der Loreley ganz „das Miteinander“ und beteuerte: „Meine größte Freude ist es, hier oben auf der Bühne zu stehen und Musik für euch machen zu dürfen.“ Der herzigste aller herzigen Momente kam, als er im Vorfeld von „Hulapalu“, seinem wohl bekanntesten Ohrwurm, die kleine Franzi auf die Bühne bat („Jetzt zeigen wir der Loreley mal zusammen, wie dieses Lied richtig geht“), und ihr, welche Ehre, zum Schluss auch noch seine „Hulapalu“-Brille auf die Nase setzte.
Keine Frage, dieser Sänger besitzt Entertainerqualitäten, allen einfach gestrickten Schlagertexten zum Trotz aber auch gesangliche und vor allem an Gitarre und Harmonium zur Geltung gebrachte instrumentale Fähigkeiten. Dazu kann er auf eine hochprofessionell agierende Band mit Gitarren, Piano, Cello, Saxofon und Schlagzeug und zwei Backgroundbegleiterinnen zurückgreifen, die nicht nur dekorativ ihre Dirndl-Rockschöße schwangen, sondern bei dem AC/DC-Song „You shook me all night long“ und Tina Turners „Simply the best“ auch im Duett mit ihm sangen.
Klassiker im Gepäck
„Heidi“, „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ und, und, und – Andreas Gabalier brachte etliche Coverversionen von Klassikern der volkstümlichen Musik, mit „Amoi seg‘ ma uns wieder“ aber auch einen sehr persönlichen Titel zu Gehör, in dem er den Selbstmord seines Vaters 2006 und seiner jüngeren Schwester zwei Jahre später verarbeitet hat. Wie erfolgreich er ist, zeigt neben seinem aktuell vollen Konzertterminkalender auch die Tatsache, dass die ausverkaufte „Dirndl-Wahnsinn“-Tournee 2023 in diesem Jahr in die zweite Runde ging.
Wie eingangs bereits angedeutet: Für intellektuelle Feingeister war dieses Konzert eher nicht so der Hit. Aber bei dem aus ganz Deutschland und darüber hinaus angereisten Publikum kam es bestens an – und darauf kommt es schließlich an. Und: Dass Andreas Gabalier keine ganz große Kunst zelebriert, weiß er tief in seinem Innersten vermutlich selbst.