Am Boden vor dem Haus markierten ein Strauß weißer Rosen und vier Kerzen die vier Stolpersteine für Adolf und Fanny Königsberger, für Louis und Flora Jessel, die dort lebten. Lebendig und eindrücklich wurde deren leidvolles Schicksal von Schülerinnen und Schüler des Goethe-Gymnasiums und der Realschule plus ins Bewusstsein gerückt. Die einen zeigten Bild-Biografien, die anderen erzählten, wie sich der Alltag der Familie Königsberger ganz konkret mit der systematischen Verfolgung veränderte, wie etwa ärztliche Behandlung verweigert wurde, in der Stadtverordnetenversammlung kein Platz mehr für engagierte Politiker jüdischen Glaubens war, wie sie deportiert oder in den Suizid getrieben wurden.
Bewegend etwa die Schilderungen der Gymnasiasten über das Schicksal von Fanny Königsberger. Deren ganze Verzweiflung kommt in ihrem Abschiedsbrief zum Ausdruck, den die Schüler zitierten. Sie schrieb ihn im Arbeitslager Friedrichssegen drei Tage, bevor sie ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurde. Ein „Pechvogel“ sei sie, weil es ihr nicht gelungen sei, sich das Leben zu nehmen, um in Bad Ems begraben zu werden, wo sie fast 75 Jahre gelebt hatte.
So sachlich und detailliert die Jugendlichen die Vorfälle und Lebensdaten aufzählten, so fassungslos machen die Verbrechen, und dass „die deutsche Bevölkerung tatenlos zuschaute“, wie Antje Müller zu Beginn sagte. Dabei erinnerte sie an den Pfarrvikar Willi Göttert, der die menschenverachtende Verfolgung als einer der wenigen offen anprangerte.
„Wie viele Kapitel mit einzigartigen Biografien hätte man noch füllen können“, sagte David Schmidl von der Realschule plus, als er das interaktive Bild-Projekt seiner Schüler vorstellte. Die Beschäftigung mit den Einzelschicksalen jüdischer Menschen, der Blick in ihren Bad Emser Alltag, macht den Schülern sicher viel deutlicher bewusst, was zwischen 1938 und 1945 geschah als die reinen Geschichtsdaten. Es sei schrecklich, dass es immer noch Leute gebe, die das verharmlosen, erklärte Landrat Jörg Denninghoff. Er lobte das Engagement der Schüler, die sich so intensiv mit dieser deutschen Vergangenheit ganz konkret in ihrer Region beschäftigen.
Die musikalische Begleitung des ökumenischen Gedenkens in der Römerstraße hatte das Klezmer-Duo „Klezfluentes“ mit einfühlsamen jüdischen Liedern übernommen. Die Schülerinnen und Schüler zündeten zusammen mit dem katholischen Gemeindereferenten Ralf Cieslik von der der Pfarrei St. Martin-St. Damian für die einst in Bad Ems lebenden und ab 1938 systematisch verfolgten Bürger eine Kerze an und nannten ihre Namen. Lothar Knothe und Wolfgang Elias Dorr sprachen zudem als Vertreter des jüdischen Glaubens Gebete in Hebräisch. Ein Vater Unser und ein Segen beendeten die Gedenkstunde.
Nicole Feldmann zeigte sich sehr dankbar für die Einladung von Geschichtslehrerin Elisabeth Knopp zu dem Gedenken, das sie sehr bewegt habe, hatte sie doch nie Gelegenheit, ihre Familie kennenzulernen. Es sei ein trauriger Gedenktag. „Aber es ist gut, dass es ihn gibt, damit sich so etwas nicht wiederholt“, sagte sie. Begeistert war sie vom Engagement der Schülerinnen und Schüler, mit denen sie am Mittag bereits die Gräber ihrer Angehörigen auf dem jüdischen Friedhof besuchte. „Die Jugend denkt heute anders. Das zu erleben, hat sehr gut getan“, sagte sie am Abend.
red