Zahlreiche langjährige Sozialdemokraten treten bei der Kommunalwahl nicht mehr an - Kein Abschied im Groll
Großer Umbruch zur Kommunalwahl: Zeitenwende bei der SPD in Lahnstein
Sind mit sich im Reinen und freuen sich auf mehr Zeit für die Familie (von links): Richard von Eyß, Sieglinde Bornschier und Gabi Laschet-Einig treten bei der Wahl genau wie Kurt Sanner und Werner Lui nicht mehr an. Foto: von Eyß
tl

Lahnstein. Man wird die Wortbeiträge vermissen. Die Appelle für „Soziale Gerechtigkeit“, die Betonung der „Solidargemeinschaft“ und die Kritik, wenn mal wieder irgendwo Einzelinteressen dominieren: Bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr fehlen Gabi Laschet-Einig, die Fraktionsvorsitzende der SPD im Stadtrat auf der Vorschlagsliste. Nach 35 Jahren kommunalpolitischer Arbeit tritt die 64-Jährige nicht mehr an. Mit ihr von Bord gehen weitere „Urgesteine“ der Sozialdemokratie am Rhein-Lahn-Eck.

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Kurt Sanner und Werner Lui, ebenfalls seit Jahrzehnten aktiv, treten genauso wenig an wie die langjährigen Vorstandsmitglieder Sieglinde Bornschier und Richard von Eyß. Eine echte Zeitenwende für Lahnsteins Genossen.

„Meine Entscheidung ist über eine lange Zeit gereift“, betont Laschet-Einig im Gespräch mit unserer Zeitung. Richard von Eyß (74), seit 2004 politisch aktiv, und Sieglinde Bornschier (73), die im Jahr 1994 erstmals in den Stadtrat gewählt wurde, sind ebenfalls bei dem Treffen dabei. Es geht um einen Blick in die Vergangenheit, in die Gegenwart. Und einen in die Zukunft.

Kein Streit

Kommt man auf die Gründe für seinen Ausstieg zu sprechen, ist Richard von Eyß ein Punkt besonders wichtig: „Damit hier kein falscher Zungenschlag reinkommt: Wir gehen nicht im Streit – sondern weil wir absolut davon überzeugt sind, dass die SPD in Lahnstein mit einer jungen Liste antritt, die etwas bewegen kann“, betont er im Brustton der Überzeugung. Auch Sieglinde Bornschier sieht den Zeitpunkt für einen Generationenwechsel gekommen: „Die Alten müssen den Jungen auch Verantwortung zutrauen.“ Man habe über viele Jahre Verantwortung getragen, „jetzt ist die nächste Generation dran“.

Beide verweisen auf ihr Alter, wollen mehr Zeit für Ehepartner, Kinder und Enkelkinder haben – auch deshalb reifte in den vergangenen Monaten mehr und mehr der Entschluss, nicht mehr anzutreten.

Zeitgeist ein anderer

Der Zeitgeist habe dieses Gefühl verstärkt, berichten die Sozialdemokraten. „Die Art, Politik zu machen, hat sich in den vergangenen Jahren völlig verändert“, stellen sie unisono fest. „Oft wird mehr übereinander statt miteinander geredet.“ Verlässlichkeit bleibe dabei zu oft auf der Strecke, so das Empfinden der drei Ratsmitglieder. Einen guten Teil Mitschuld an diesem Dilemma tragen für Gabi Laschet-Einig die sozialen Medien. „Deren Name ist ja völlig irreführend – es müsste eigentlich ,asoziale Medien' heißen“, befindet sie. Sie meide Facebook und Co. daher so gut es gehe, „das kostet nur Lebenszeit, da rede ich lieber direkt mit den Menschen“.

Aber auch der neue Ton aus dem Rathaus sorgt bei den drei Genossen für Unwohlsein. „Der Umgang der Verwaltung mit der Kommunalpolitik geht in eine völlig falsche Richtung“, befindet Richard von Eyß. „Wir werden in viele Dinge nicht mehr eingebunden, sollen am Ende aber abstimmen.“ Die Art und Weise der Kommunikation von Oberbürgermeister Lennart Siefert, so wird im Gespräch mit den drei deutlich, missfällt ihnen. Auch, weil sich diese kolossal von der Amtszeit Peter Labonte unterscheidet: Dessen oberste Prämisse sei es oft gewesen, möglichst viele aus dem Rat mitzunehmen.

Unterschiedliche Ansätze

Siefert hingegen versuche „auf Teufel komm raus“ das umzusetzen, von dem dieser überzeugt sei. Unterschiedliche Ansätze, mit denen viele im Rat ein Problem haben. Auch bei Laschet-Einig, von Eyß und Bornschier – wurde dies bei vielen Diskussionen der vergangenen Monate sichtbar. Ein gewisser Zermürbungsprozess ist unübersehbar. Auch dies hat ihren Entschluss bestärkt.

Richard von Eyß nennt noch einen weiteren Grund: die Buga 2029. „Eigentlich wollte ich dabei mithelfen, dass diese in Lahnstein ein Erfolg wird und die Stadt weiterbringt“, betont er. Zuletzt habe man aber mehr und mehr feststellen müssen, dass die Gremienmitglieder gar nicht gefragt werden. „Alles bestimmt die Buga GmbH, wir können nur abnicken.“

Gerade für Gabi Laschet-Einig kommt die Kommunalwahl 2024 einer Zäsur gleich, die langjährige Vorsitzende blickt auf eine bewegte kommunalpolitische Karriere zurück. Sie war Ratsmitglied, Bürgermeisterin mit eigenem Geschäftsbereich und zuletzt zehn Jahre lang Vorsitzende der SPD-Fraktion. „Es war und ist mir immer eine Ehre und Freude, unsere Stadt mitzugestalten, Weichen zu stellen und Entwicklungen voranzutreiben“, betont sie.

Gemeinsam mit den Fraktionskollegen „und im Besonderen im engen Austausch mit Sieglinde und Richard haben wir vieles auf den Weg gebracht und durchgestanden“, resümiert die Sozialdemokratin. „Und das werden wir bis zum letzten Tag im Rat auch weiter tun.“ Mit den Haushaltsberatungen und der Brückensperrung stünden wichtige Themen an, die viele Probleme mit sich bringen.

Keine Sorge um die SPD vor Ort

Und wie geht es nach der Kommunalwahl weiter mit der Lahnsteiner SPD? „Ich bin da frohen Mutes“, betont Laschet-Einig. „Wir haben eine junge Liste, die etwas für Lahnstein bewegen kann.“ Natürlich sei die Stimmung im Bund gerade wenig förderlich, doch mit der Neuwahl des Vorstandes habe die Partei vor Ort ein völlig neues Gesicht – „und das ist auch gut so“, betonen alle drei.

Denn dies bringe auch Chancen mit sich, Dinge umzusetzen, für die sich die SPD seit eh und je einsetze, beispielsweise soziale Gerechtigkeit, Wohnraum oder die Lahnquerung. „Veränderungen sind gut und nötig und jede Generation hat ihren eigenen Stil“, sieht die 73-jährige Bornschier auch in Zukunft Chancen, erfolgreich Kommunalpolitik zu machen. Dieser neue Stil der Führung passe vielleicht auch besser zur neuen Art der Politik. Und wann immer die Erfahrung der „Alten“ gesucht werde, versprechen sie, „stehen wir mit Rat und Tat zur Seite“. Der Beschluss, nicht mehr zu kandidieren, sei für alle „ein Schritt hin zu einem neuen Lebensabschnitt“. Man wolle für sich neue Prioritäten setzen – und wisse „unsere SPD“ vor Ort in „guten und engagierten Händen“.

Von Tobias Lui

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