Drogenhandel
Groß angelegter Drogenring in der JVA Diez ausgehoben?
1500 Euro soll ein ehemaliger Wachmann erhalten haben, um Drogen und Handys in die JVA Diez zu schmuggeln.
Christin Klose. dpa-tmn

Beamte und Häftlinge sollen über einen längeren Zeitraum hinweg gemeinsam Drogen und Handys in das Gefängnis geschmuggelt haben. Das behauptet ein ehemaliger Insasse. Vor zwei Wochen begann der Prozess gegen einen ehemaligen Wachmann.

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Unerlaubte Abgabe von Betäubungsmitteln wird einem ehemaligen Angestellten der JVA Diez vorgeworfen, dessen Prozess vor zwei Wochen am Diezer Amtsgericht begann. Das Verfahren ist das erste in einer Reihe von Anklagen gegen ehemalige oder beurlaubte Angestellte der JVA, die in Drogengeschäfte verwickelt gewesen sein sollen. Der Mann, um den es vor 14 Tagen ging, soll Drogen und Handys in das Gefängnis geschmuggelt und dafür Geld bekommen haben.

Konkret soll der 49-Jährige Ende 2023 ein Paket, bestehend aus dem Heroinersatzstoff Subutex sowie drei Flaschen Jack Daniels und Handys, die im Gefängnis verboten sind, in die Haftanstalt geschmuggelt, dann in der Mülltonne eines Nebenraumes der Gefängnisküche deponiert und dafür gut 1500 Euro von zwei Insassen erhalten haben. Besonders brisant: Ein Kronzeuge behauptet, an den Geschäften seien noch weitere Beamte beteiligt gewesen und der Handel sei über einen längeren Zeitraum gelaufen.

„Der Typ ist ein Vergewaltiger und Junkie.“
Der Angeklagte gab sich zu Prozessbeginn kämpferisch.

Der Angeklagte äußerte sich zu Prozessbeginn und gab sich kämpferisch. „Der Platz, an dem ich das Päckchen deponiert haben soll, ist für alle Gefangenen und Angestellten zugänglich. Wegen 1.000 Euro setze ich nicht meinen Job auf’s Spiel. Der Typ, dem ich was besorgt haben soll, ist ein Vergewaltiger und Junkie, der mich anpissen will.“ Wichtig war ihm auch, zu erwähnen, dass er seinen Job in der JVA nicht wegen des Vorwurfs des Drogenhandels, sondern „wegen einer anderen Sache“ verlor. Zudem wisse er gar nicht, was Subutex sei. Sein Anwalt wollte wissen: „Wurden Sie kontrolliert, wenn Sie die JVA betraten?“ „Nein, beim Gang durch die beiden Schleusen öffnet sich nur die Tür. Die Kollegen kennen mich ja!“, musste der Angeklagte einräumen.

„Man hat mir gesagt, wenn ich nicht mitmache, werde ich in der Anstalt kein gutes Leben haben.“
Der Kronzeuge gegenüber dem Richter

Der 25-jährige Zeuge, der über den mutmaßlichen Drogenschmuggel „ausgepackt“ und mit seiner Aussage die Ermittlungen ins Rollen gebracht hatte, erzählte: „Ich wurde von Mithäftlingen beauftragt, Dinge aus dem Müll zu holen. Dort abgelegt werden sollten die Sachen vom Angeklagten.“

„Warum ausgerechnet Sie?“, wollte der vorsitzende Richter Martin Böhm wissen. „Ich war in der JVA dafür zuständig, den Müll zu sortieren.“ Woher er gewusst habe, welche Mülltonne jene sein würde, in der sich das Päckchen befände, hakte der Vorsitzende nach. „Mir wurde gesagt, die Tonne neben der Tür.“ Die Aussage wurde von wütendem Gemurmel des Angeklagten unterbrochen.

„Warum haben Sie das mitgemacht?“, fragte der Vorsitzende weiter und erhielt eine klare Antwort: „Man hat mir gesagt, wenn ich nicht mitmache, werde ich in der Anstalt kein gutes Leben haben. Ich habe acht Jahre gekriegt.“ „Wieso haben Sie das alles dann den Beamten erzählt?“ „Mir war das alles zu viel. Ich wollte einfach nur meine Haft absitzen. Die haben rausgekriegt, dass ich wegen Sexualdelikten sitze, und die sagten: ‚Wenn du nicht mitmachst, lebst du hier drin wie ein Hund‘.“ Für das Gericht von Interesse war ebenfalls, wie die Bezahlung organisiert worden sei. Auch dies wusste der Zeuge genau zu berichten. „Per Einschreiben. Der Angeklagte sollte 1500 Euro kriegen und noch mal zwei-, dreihundert Euro pro Flasche.“

Nun suchte das Gericht in Erfahrung zu bringen, wie die Drogen und Handys vom Müllraum ins Hafthaus gelangen konnten. „Wurden Sie nicht abgetastet?“ Es folgte eine Antwort, die viele Anwesende im Verhandlungssaal hellhörig werden ließ: „An manchen Tagen kam niemand von der Sicherheitsabteilung, angeblich, weil zu wenig Personal da war. Das haben wir bei der Beamtin, die uns den Müllraum aufgeschlossen hat, vorher erfragt und dann hat die uns das einfach erzählt.“Am Tattag sei nicht kontrolliert worden, sodass er die Schmuggelware in einer dicken Jacke mit tiefen Taschen ins Hafthaus habe bringen können.

Angesichts der Tatsache, dass der Zeuge sich durch seine Aussagen selbst belastete, wollte Richter Böhm wissen: „Was hat die Staatsanwaltschaft Ihnen angeboten, damit Sie aussagen?“ – „Gar nichts. Ich will einfach meine Ruhe und nicht ständig Druck.“

Staatsanwältin Kezman sprach nun den Elefanten im Raum an: „War es im Entscheidungsspielraum der Beamtin, die Ihnen den Müllraum aufschloss, ob sie jemanden zur Kontrolle ruft?“ Die Frage wurde eindeutig bejaht. Der Zeuge gab an, dass diese Geschäfte über einen längeren Zeitraum so gelaufen seien, auch mit weiteren Beamten, die von den beiden Drahtziehern erpresst würden. Gegenüber dem Angeklagten zeigte der Zeuge indes wenig Belastungseifer und stellte klar heraus, dass dieser seines Wissens nicht zu den erpressten Beamten gehöre.

Mutmaßlicher Drahtzieher im Zeugenstand

Einer der beiden Häftlinge, die laut Zeugenaussage hinter dem groß angelegten Drogenhandel stecken, sagte im Zeugenstand aus, er kenne weder den Angeklagten noch habe er mit ihm Geschäfte gemacht. „Wie kommt der Zeuge dann auf Sie?“, wollte Staatsanwältin Kezman wissen. Er habe lediglich mit Kokain und Cannabis gehandelt und nicht mit Subutex, beharrte der Kriminelle. Er wisse nicht einmal, wie man an so etwas herankomme.

Ein Sicherheitsbeamter sagte während der Verhandlung aus, man habe die Angaben des Zeugen überprüft und einiges habe gestimmt, so habe man tatsächlich illegale Handys in den Zellen gefunden. Der Beamte erzählte zudem, in der Arbeitskleidung seien Päckchen wie vom Zeugen beschrieben gut zu verstecken. Auch sei schon vorgekommen, dass Gefangene nach der Arbeit nicht abgetastet würden, zum Beispiel, wenn zu wenig Personal vorhanden sei. Dass dies den Häftlingen frühzeitig mitgeteilt würde, bestritt er indes, sagte jedoch im Hinblick auf den Kronzeugen: „Ich hatte das Gefühl, dass er von irgendwo Druck bekommt.“

Eine weitere Aussage, die jene des Kronzeugen stützte, kam von dessen Halbbruder, der im selben Flügel untergebracht war wie die beiden mutmaßlichen Drahtzieher. Dort sei der „Stoff“ einfach ungehindert „reingekommen“. „Noch bevor die Polizei bei mir war, hat mich ein Gefangener angesprochen, mein Halbbruder hätte ausgepackt. Die wollten wissen, wo er aktuell sitzt. Man hat mir einen Tausender geboten, wenn ich ihn verrate“, erzählte der Halbbruder freimütig. Da weitere Zeugen gehört werden müssen, bevor ein Urteil erfolgen kann, wurde die Verhandlung vertagt. Der Prozess wird Mitte Juni fortgesetzt.

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