Spielschulden sind Ehrenschulden, heißt es im Volksmund. Doch bei vielen Online-Glücksspielanbietern hätten deutsche Verbraucher in den vergangenen Jahren eigentlich gar keine Verluste machen dürfen, da diese Anbieter hierzulande ohne deutsche Lizenz aktiv waren. So lautet jedenfalls die Einschätzung der Berliner Rechtsanwaltsgesellschaft Goldenstein, die jetzt vor dem Landgericht Limburg Schadenersatz für einen Mandanten erstritten hat. Die 10. Zivilkammer unter Vorsitz von Richterin Wypchol sprach dem Kläger die Erstattung seiner Spiel- und Wettverluste in Höhe von fast als 87.500 Euro plus Verzugszinsen seit Januar dieses Jahres zu.
Geklagt hatte ein Mann, der zwischen September 2019 und September 2020 insgesamt 87.455,90 Euro auf zwei Internetportalen verspielt hatte. Beide Portale wurden während dieses Zeitraumes von dem Unternehmen EletraWorks Limited mit Hauptsitz in Gibraltar betrieben. Eigentlich hätte EletraWorks in Deutschland während dieses Zeitraumes allerdings nie Geld von deutschen Verbrauchern annehmen dürfen. Denn Online-Glücksspiel wurde in Deutschland erst im Oktober 2020 legalisiert, war zuvor also – außer für Bewohner Schleswig-Holsteins – illegal.
Spielverluste bis zu zehn Jahre später zurückfordern
Zum Zeitpunkt der Spieleinsätze des Klägers verfügte der Glücksspielbetreiber EletraWorks lediglich über eine Glücksspiellizenz der Glückspielbehörde von Gibraltar, nicht jedoch über eine Glücksspielkonzession nach dem Glücksspielstaatsvertrag für Deutschland oder Hessen. Die Beklagte hatte eine Konzession bereits im Jahr 2012 beantragt, erhielt sie aber erst am 9. Oktober 2020, also kurz nachdem der Kläger sein Geld verloren hatte. Da es laut einer Mitteilung der Rechtsanwaltskanzlei Goldenstein nicht möglich ist, einen rechtskräftigen Vertrag für ein illegales Angebot abzuschließen, sind die Verträge zwischen den Glücksspielanbietern und ihren deutschen Kunden illegal. Deshalb könnten betroffene Glücksspieler ihre erlittenen Spielverluste von EletraWorks und anderen Anbietern, die illegal in Deutschland aktiv waren, bis zu zehn Jahre rückwirkend zurückfordern.
„Der deutsche Markt für Online-Glücksspiel wurde erst im Sommer 2021 liberalisiert. Doch schon vorher warben zahlreiche namhafte Glücksspielanbieter mit ihren deutschsprachigen Websites gezielt um deutsche Kunden.“
Rechtsanwalt Claus Goldenstein erklärte nach der Entscheidung der Limburger Kammer die Hintergründe für das Verfahren.
Das habe auch das Landgericht Limburg so gesehen und ihrem Mandanten nun die vollständige Erstattung seiner Verluste zugesprochen. Die Rechtsanwaltskanzlei mit Hauptsitz in Berlin-Schönefeld vertritt bundesweit bereits über 5200 Mandanten bei der Rückforderung ihrer Verluste aus unzulässigem Online-Glücksspiel, fast immer mit verbraucherfreundlichem Urteil, so die Kanzlei. Rechtsanwalt Claus Goldenstein erklärte nach der Entscheidung der Limburger Kammer die Hintergründe für das Verfahren: „Der deutsche Markt für Online-Glücksspiel wurde erst im Sommer 2021 liberalisiert. Doch schon vorher warben zahlreiche namhafte Glücksspielanbieter mit ihren deutschsprachigen Websites gezielt um deutsche Kunden.“ Goldstein weiter: „Da die deutschen Behörden kaum bis gar nicht gegen diese illegalen Aktivitäten vorgingen, konnten die verantwortlichen Online-Glücksspielanbieter bereits Jahre vor dem Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrages mit ihren Websites ohne wirksamen Spielerschutz Milliardensummen in Deutschland verdienen. Viele betroffene Spieler verzockten teilweise Zehn- oder sogar Hunderttausende Euro, verschuldeten sich und stehen nun vor einem Scherbenhaufen. In die Rückforderung ihrer Spielverluste setzen betroffene Verbraucher daher oft die Hoffnung auf einen Neuanfang.”
Lizenzen aus EU-Ländern
Der Berliner Jurist ergänzt: „Für die verantwortlichen Glücksspielanbieter wird die eigene Profitgier durch die Rückforderungen ihrer deutschen Kunden zum Bumerang. Immer mehr betroffene Verbraucher erfahren nämlich von der Illegalität der jeweiligen Angebote und fordern ihre Verluste zurück. Dieser Rückforderungsanspruch besteht, weil die Verträge zwischen den illegalen Glücksspielanbietern und ihren deutschen Kunden nichtig sind. Es ist nämlich gar nicht möglich, rechtskräftige Verträge für ein illegales Angebot abzuschließen. Folglich hätten die verantwortlichen Glücksspiel-Unternehmen eigentlich nie Geld von deutschen Verbrauchern annehmen dürfen.“
Die Online-Glücksspielanbieter argumentierten, so Goldenstein weiter, zwar in der Regel, dass sie mit Lizenzen aus EU-Ländern mit besonders liberalen Glücksspiel- und Steuergesetzen, wie zum Beispiel Malta oder Zypern, auch in Deutschland legal seien. Doch der Europäische Gerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesgerichtshof hätten bereits bestätigt, dass nationale Glücksspielgesetze zum Jugend- und Verbraucherschutz höher zu gewichten seien als die unternehmerische Freiheit. Das Limburger Urteil belege einmal mehr, dass Verluste aus illegalem Online-Glücksspiel in unbegrenzter Höhe zurückgefordert werden können.
Unzulässige Internetangebote
Der Glücksspielanbieter EletraWorks muss dem Kläger nicht nur den Spielverlust erstatten, sondern trägt darüber hinaus die Verfahrenskosten. Auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren von 2500 Euro plus Zinsen muss der Glücksspielbetreiber erstatten.
In seiner Urteilsbegründung hat das Gericht festgestellt, dass EletraWorks in dem fraglichen Zeitraum unzulässige Glücksspiele im Internet angeboten habe. Das mache den Spielvertrag nichtig. Sinn und Zweck der Gesetzesnorm sei die Suchtprävention bzw. der Gesundheitsschutz. „Wenn dieser Zweck erfüllt werden soll, so können die abgeschlossenen Spielverträge nicht als rechtswirksam anerkannt werden, denn damit würde weitestgehend das Verbot seiner Bedeutung beraubt und der mit ihm verfolgte Zweck verfehlt werden.“