„Der Angeklagte will sich entgegen meinem Ratschlag zu den Vorwürfen äußern“, eröffnete die Verteidigerin dem Gericht zu Beginn des ersten Verhandlungstages. „Sie sehen mitgenommen aus. Was ist passiert?“, wollte Richter Martin Böhm, an den Angeklagten gewandt, wissen, der mit zwei blauen Augen im Gerichtssaal erschien. „Jemand hat das Licht ausgemacht, und dann wurde ich verprügelt“, erklärte der Angeklagte, der aktuell in Koblenz einsitzt.
Zur Begründung, wie es zu der Auseinandersetzung mit dem Vollzugsbeamten kam, erklärte er: „Wenn ich zum Sport gehen oder mir neue Klamotten holen wollte, hat der Beamte mich immer daran gehindert. Egal, bei was ich einen Antrag gestellt habe, kam er in meine Zelle und hat mir den Zettel an den Kopf geschmissen. An dem Tag, um den es geht, hatte ich meine Sportsachen wieder auf dem Arm, aber der Beamte hat mich wieder gestoppt. Er hat die Tür zugeschlagen und mich dabei am Fuß verletzt. Wir hatten dann kurzen Körperkontakt. Dabei ist er gestürzt und hat sich am Handgelenk verletzt.“
Angeklagter verteidigt sich
„Wie kommen Sie auf die Idee, dass Sie einfach ihre Zelle verlassen dürfen? Ein Gefängnis ist kein Hotel“, wollte der Vorsitzende wissen. „Die Tür war offen.“ „Eben sagten Sie, er habe die Tür zugemacht und Sie am Fuß verletzt.“ „Ich habe aber noch mal geklingelt, und dann kam er wieder, hat die Tür aufgemacht. Und dann ist er einfach auf den Boden gefallen“, so der Angeklagte.
Anschließend wurde die Verhandlung vertagt, um in der darauffolgenden Sitzung den Geschädigten als Zeuge zu hören. In der Fortsetzungsverhandlung gab der Angeklagte zu, den Beamten am Kragen gepackt zu haben. „Wieso haben Sie ihn am Kragen gefasst?“, wollte Richter Böhm wissen. „Alle durften zum Sport, nur ich nicht. Das ist doch unfair.“ „Beim letzten Mal haben Sie behauptet, der Beamte sei gefallen“, erinnerte ihn Böhm.
Schließlich wurde der verletzte Beamte in den Zeugenstand gerufen und bestätigte, dass es bei der Auseinandersetzung im Kern darum ging, dass der Angeklagte nicht am Sport teilnehmen durfte.
Geschädigter erleidet Prellung
„Der Sport war bereits ausgerückt. Der Angeklagte hatte Licht gedrückt. Ich eröffnete ihm, dass er nicht mehr teilnehmen kann. Plötzlich ließ er seine Sachen fallen und schlug nach mir. Ich habe den Angriff abgewehrt, aber sein zweiter Schlag hat mich an der Stirn gestreift. Ich habe ihn angeschrien und aufs Bett gedrückt. Nachdem ich einen Arm freibekam, konnte ich über mein Funkgerät Verstärkung rufen. Nachdem die Kollegen kamen, habe ich weiter geschrien. Ein Kollege meinte, ich solle mich beruhigen. Ich bin dann rausgegangen. Bald merkte ich, dass ich Schmerzen im Unterarm hatte und bin zum Durchgangsarzt. Die Diagnose war eine Handgelenksprellung.“
„Wie läuft das, wenn zum Sport ausgerückt wird?“, wollte der Vorsitzende wissen. „Es wird ausgerufen, und alle, die mitwollen, können Licht drücken. Er hat zu spät gedrückt.“ „Was heißt das: Licht drücken?“, wollte die Verteidigerin wissen. „Die Häftlinge haben einen Schalter in ihrem Haftraum. Wenn sie den drücken, leuchtet über der Zellentür eine Lampe“, erläuterte der Beamte.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft, Oberamtsanwalt Michael Seibert, führte in seinem Plädoyer aus: „Selbst das Fassen am Kragen wäre schon ein tätlicher Angriff. Ich nenne das mal versehentliches Teilgeständnis. Darüber hinaus bin ich überzeugt, dass es sich so zutrug, wie vom Geschädigten geschildert. Ich halte eine Freiheitsstrafe von neun Monaten für tat- und schuldangemessen.“
Die Anwältin wies in ihrem Plädoyer darauf hin: „Es ist eine schwierige Beweissituation. Mein Mandant hat als Straftäter eine schwierigere Glaubwürdigkeit als ein Vollzugsbeamter. Zu berücksichtigen ist, dass zum Glück nur geringe Verletzungsfolgen vorlagen.“ Das Gericht verhängte schließlich eine Freiheitsstrafe von neun Monaten wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung.