Die erste Referentin des zweiten diesjährigen Gesundheitstags der Gesellschaft für Gesundheitsberatung (GGB) Lahnstein hieß Emma, hatte vier Pfoten und einen zu Herzen gehenden Hundeblick. Nein, Scherz beiseite: Die Hündin kündigte lediglich an, dass jetzt ein tierisch guter, wenn auch streckenweise sehr beklemmender Vortrag kam. Halten musste den schon Gaby Neumann, wissenschaftliche Referentin und Pressesprecherin des Vereins Ärzte gegen Tierversuche.

Was sie denn auch mit viel Engagement und Sachkenntnis tat: 2023 seien in Deutschland knapp 1,5 Millionen Tiere, allen voran Mäuse, gefolgt von Fischen und Ratten, in Tierversuchen eingesetzt und 671.958 Tiere zu „wissenschaftlichen Zwecken“ getötet worden, berichtete sie. Zum Teil geht es dabei um die Entwicklung neuer Medikamente für die Humanmedizin: „Häufig werden dazu künstlich Krankheitssymptome erzeugt – zum Beispiel, indem man dem Tier, um einen Schlaganfall auszulösen, einen Faden in die Hirnarterie einfädelt.“ Das lässt nicht nur die Tiere unsäglich leiden, sondern ist auch vollkommen nutzlos. Denn, so Gaby Neumann: „Die Ergebnisse sind nicht vom Tier auf den Menschen übertragbar.“ Als Alternative gebe es genügend tierversuchsfreie Verfahren, zum Beispiel die Gewinnung von Tumor-Organoiden aus dem Gewebe von Krebspatienten, um im Rahmen einer personalisierten Therapie die Wirkung von Chemotherapeutika zu testen.
Datensicherheit ein Problem
Kritisches hatte auch der Psychiater und Psychotherapeut Andreas Meißner im Gepäck. „Die elektronische Patientenakte (ePA) – das Ende der Schweigepflicht?“ lautete der Titel seines hochaktuellen Vortrags: Seit dem 15. Januar wird für jeden gesetzlich Versicherten von seiner Krankenkasse, sofern er nicht widerspricht, automatisch eine ePA angelegt, die durch die zentrale Speicherung in einer Cloud die schnelle, ortsunabhängige Verfügbarkeit der Daten ermöglicht. Vor allem in puncto Datensicherheit sei dies äußerst fragwürdig, gab Meißner zu bedenken. Das Führen einer digitalen Krankenakte könne zwar durchaus sinnvoll sein. Aber: „Die Daten sollten dezentral auf regionalen Servern gespeichert sein.“

In der Medizin ist eben längst nicht alles Gold, was im ersten Moment zu glänzen scheint – das machte auch der Wissenschaftsjournalist Frank Wittig bei seinem Blick hinter die Fassade von Vorsorgeuntersuchungen deutlich. Beispiel Mammografie-Screening zur Früherkennung von Brustkrebs: „Sicher findet man, je sensibler die Technik wird, immer mehr Abweichungen von der Norm“, sagte er. „Aber diese Abweichungen sagen überhaupt nichts darüber aus, ob jemals ein gesundheitliches Problem daraus entsteht.“ Das Hauptproblem sieht er in der aus der Früherkennung resultierenden Überbehandlung: „Zahllose Patienten haben schon Chemotherapien und andere Behandlungen über sich ergehen lassen, die ihnen nicht nutzten, deren Nebenwirkungen sie aber in Kauf nehmen mussten.“
Hilfe für betroffene Frauen
Neben- und Nachwirkungen – sie machen auch Birgit Schäfers bis heute zu schaffen. 2010 ließ sie sich Brustimplantate einsetzen, vier Jahre später litt sie unter schweren Krankheitssymptomen, hervorgerufen durch Silikonpartikel, die sich aus den Implantaten herausgelöst und zu Entzündungen geführt hatten. Auch nach der offenbar nicht fachgerecht durchgeführten Explantation besserte sich ihr Gesundheitszustand nicht grundlegend. Birgit Schäfers ist schwerbehindert – und engagiert sich als Gründerin und Vorsitzende des Vereins „Krank durch Brustimplantate – wir helfen“ für andere betroffene Frauen. „Wir helfen in allen Belangen weiter, haben eine Liste mit Ärzten, die fachgerechte Explantationen durchführen, und sorgen auch für psychologische Unterstützung“, so Birgit Schäfers.

Und dann stand mit Dietrich Grönemeyer der wohl prominenteste Referent der Gesundheitstage auf der Bühne. Oder besser gesagt, er tanzte erst mal – im Takt mit einem hochbetagten Paar, das auf einem Video zu sehen war. „Wenn man in diesem Alter noch so fröhlich sein kann, hat man es geschafft. Sich miteinander zu verbinden, ist die beste Prävention, die beste Therapie und die beste Nachsorge zugleich“, kommentierte Grönemeyer, der in Lahnstein über das Thema „Leben ohne Angst“ sprach. Zum Problem wird die Angst, wenn sie den Menschen dauerhaft lähmt, zu Herzrasen und anderen körperlichen Symptomen führt. „Als Therapeut sollte man den Betreffenden dann nach seiner Familiengeschichte und den psychischen Traumata fragen, die er erlebt hat“, sagte der Mediziner. Ein guter Arzt sei ein Co-Pilot, der auf Augenhöhe mit dem Patienten rede, betonte er: „Wenn man sich keine Zeit nimmt, um sich mit dem Menschen zu befassen, frisst die Angst die Seele auf.“
Risiken des Mobilfunks
Die Vortragsreihe endete, wie sie begonnen hatte: mit einem Wiederholungstäter. Wie Erwin Drewermann, der den Reigen am Freitagnachmittag eröffnet hatte, war auch der Filmemacher Klaus Scheidsteger, der die Aufklärung über die negativen gesundheitlichen Auswirkungen des Mobilfunks zu seinem Lebensthema gemacht hat, bereits etliche Male bei den GGB-Gesundheitstagen zu Gast gewesen. Er ließ sein bisheriges filmisches Schaffen Revue passieren – einschließlich der Widerstände, gegen die er dabei zu kämpfen hatte, und zeigte einen kurzen Ausschnitt aus seinem neuesten Film „Digitales Dilemma“, der sich um die jüngste Mobilfunkgeneration 5G und ihre Risiken dreht.

Klingt fast so, als habe es ausschließlich Vorträge gegeben. War aber nicht so. So sorgte Stefanie Linicus mit ihrer Gymnastik zum Start in die beiden Hälften des Veranstaltungstags für gesundheitsfördernde Bewegung. Und einen musikalischen Ausklang am Samstagabend gab es natürlich auch wieder: Mit ihren meditativen Taizé-Gesängen trugen Eva Weber-Lück (Flöte), Matthias Lück (Gitarre und Gesang) und Karl-Heinz Schwikowski (Kontrabass) dazu bei, dass man nach all dem inhaltlichen Input relaxed nach Hause gehen konnte.
Ganzheitlicher Rat und Partnerwahl am Sonntag
Traditionell gingen die Gesundheitstage am Sonntag mit zwei Programmpunkten zu Ende: Nachdem Jürgen Birmanns und Hassan El Khomri ihren ärztlichen und psychotherapeutischen Rat aus ganzheitlicher Sicht erteilt hatten, stellte Mathias Jung sein Buch „Das Geheimnis der Partnerwahl“ vor. ubl