Linscheid: "Menschen müssen auf dem Land noch leben können" - Kritik an steigenden Hebesätzen
Geldquellen erschließen: Winden will unabhängiger von Steuern sein
In Winden geht es steil auf und ab. Zumindest von steuerlichen Umlageschwankungen will die Gemeinde durch neue Einnahmequellen unabhängiger werden. Oberhalb der neuen Kita soll dafür eine Fotovoltaikanlage entstehen. Die Umsetzung stockt allerdings. Foto: Bernd-Christoph Matern
Matern

Winden. Gebhard Linscheid ist ein Freund klarer Worte. Gerade ist es bei ihm die vom Land Rheinland-Pfalz geplante Erhöhung der Grundsteuer, die bei ihm höchsten Alarm auslöst. „Wir werden noch unser Blaues Wunder erleben“, sagt er in Anbetracht der zusätzlichen Kosten, die das für seine Einwohner bedeutet. Sein Credo für die Steuerpolitik des Landes, aber auch die eigene Gemeinde: „Wir müssen möglich machen, dass die Menschen auf dem Land noch leben können.“

Lesezeit 3 Minuten

In Winden geht es steil auf und ab. Zumindest von steuerlichen Umlageschwankungen will die Gemeinde durch neue Einnahmequellen unabhängiger werden. Oberhalb der neuen Kita soll dafür eine Fotovoltaikanlage entstehen. Die Umsetzung stockt allerdings. Foto: Bernd-Christoph Matern
Matern

Jeder Haushalt habe ohnehin derzeit massiv zu kämpfen, um mit dem Geld auszukommen. Hohe Strom-, Heiz- und Lebensmittelkosten nebst steigenden Spritpreisen belasteten die Bürger schon genug, erklärte Linscheid während der jüngsten Einwohnerversammlung. Gerade ältere Menschen litten vermehrt unter der steigenden Inflation. „Fast 30 Prozent unserer Einwohner sind über 60 Jahre alt“, stellte der Ortschef der zurzeit 774-Seelen-Gemeinde fest.

Zuvor hatte VG-Bürgermeister Uwe Bruchhäuser auf die neuen Nivellierungssätze und auf die Notwendigkeit einer Anpassung der Hebesätze in den Gemeinden hingewiesen: „Das wird Thema sein, und die Kommunalaufsicht wird ein Auge darauf haben“. Bei der Grundsteuer B ist da eine Erhöhung des Hebesatzes um 100 Prozentpunkte auf 465 Prozent vorgesehen. Die Anpassungen müssten sich im Rahmen halten, entgegnete Linscheid. „Es ist ein Unterschied, ob ich bei einem Hochhaus mit 50 Parteien die Grundsteuer erhöhen muss oder hier bei uns mit Grundstücken, die von zwei oder drei Leuten bewohnt werden“.

Für ihn und den Gemeinderat gibt es derzeit nur eine Alternative, um aus der Abhängigkeit von Steuerzuweisungen und Hebesätzen bei Kreis- und Verbandsgemeinde-Umlage herauszukommen: „Wir müssen neue Einnahmequellen erschließen, um von den Steuern unabhängig zu werden.“ Zwei Großprojekte hat der Gemeinderat dafür auf den Weg gebracht: Den Umbau der Alten Schule und die Anlage einer Fotovoltaik-Anlage. Was den Umbau der Alten Schule anbelangt, der mit einer Investitionssumme von rund 2,5 Millionen Euro geplant ist (die RLZ berichtete), hofft Linscheid auf eine Fertigstellung bis Ende 2025, „das wäre mein Wunsch“.

Etwas allein gelassen sieht er die Gemeinde in den vergangenen Monaten bei der Umsetzung der schon 2021 begonnenen Solarstrom-Pläne. Auf einer sieben Hektar großen Fläche oberhalb des neuen Kindergartens am Lohberg sorgten einst Bäume für eine sichere und unabhängige Einnahmequelle. Der Windwurf hat sie vernichtet. 9600 Module könnten dort umweltfreundlich Strom erzeugen. Die Ausrichtung ist gen Nord-Osten geplant, um eine Blendgefahr auszuschließen. Unter anderem würden Landesvorgaben, nach denen Acker- und Wiesenflächen Vorrang bei der Errichtung solcher Anlagen haben, das Vorhaben verzögern.

Und das, obwohl jeder ,Energiewende' schreit.

Linscheid: „Und das, obwohl jeder ,Energiewende' schreit“. Neben Pachteinnahmen sorge die Anlage für Stromsicherheit und in Kooperation mit dem Betreiber der Anlage beziehungsweise dem Verkauf von Anteilen für einen stabilen Strompreis über einen Bürgertarif. Auch die künftige Produktion von Wasserstoff sei nicht ausgeschlossen. Nun wäre er aber erst einmal froh, wenn bis März nächsten Jahres „Grünes Licht“ für das nachhaltige Projekt vorliegt, um im Frühjahr 2024 starten zu können.

Die Einwohner honorierten die Gemeinderatspläne mit lautem Beifall, wenngleich Linscheid manche Einnahme-Kalkulation mit dem Hinweis kommentierte: „Soweit die Theorie.“ Ganz praktisch war seine Bitte, angesichts der finanziellen Herausforderungen, die der Gemeinde bevorstehen, auch selbst mal im eigenen Bereich anzupacken, sei es durch Patenschaften für kleine Beete oder wenn mal ein Gully zu säubern ist.

Linscheid: „Wir müssen alle an einem Strang ziehen, um unsere kleine Gemeinde zukunftsfähig zu halten.“ VG-Bürgermeister Uwe Bruchhäuser dankte der Gemeinde Winden, die für den Bau der neuen Kindertagesstätte das Grundstück kostenlos zur Verfügung gestellt hatte. Sie biete tolle Bedingungen, wie ihm Leiterin Tanja Ewerth versichert habe und mache dem Namen „Sonnenwinkel“ alle Ehre. Die Verwaltung sei sehr froh über Winden und den zusätzlichen Platz, der sich dort biete. So können neben 35 Kindern aus Winden, zwölf aus Hömberg und Zimmerschied, dem bisherigen Einzugsbereich der Kita, dort nun auch acht Kinder aus Nassau und Pohl betreut werden.

Von Bernd-Christoph Matern

Top-News aus der Region