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Miehlen
Gaststätte schließt: Ein letztes Prosit auf den Nassauer Hof

Ein Hoch auf den Nassauer Hof: Roger Crecelius stößt mit seiner Frau Sylvia und seinem Vater Helmut auf die Gaststätte an, die seit fast zwei Jahrhunderten ein Familienbetrieb ist. "Wir werden merken, dass was fehlt", sagt Roger Crecelius über die Schließung des Lokals. 

Cordula Sailer

Miehlen. Zum Ende des Jahres schließt eine Miehlener Traditionsgaststätte: der Nassauer Hof. Fast 200 Jahre ist es her, dass die Familie Crecelius die Schankerlaubnis für ihr Wirtshaus erhalten hat.

Über Generationen hinweg war der Nassauer Hof für sie ein zweites Standbein. „Jeder musste helfen“, erinnert sich Seniorchef Helmut Crecelius, „bei Tag haben wir die Landwirtschaft betrieben und abends die Gäste bedient.“

Das Modell ist bis heute dasselbe: Sein Sohn Roger und sein Enkelsohn Marcel führen den Milchviehbetrieb, seine Schwiegertochter Sylvia arbeitet bei einer Behörde in Bad Ems, und ab 17 Uhr ist dann die Gaststätte geöffnet – abgesehen von zwei Ruhetagen. „Und das passt einfach nicht so, wenn es abends spät wird und man morgens früh aufsteht“, begründet Roger Crecelius die Entscheidung, das Lokal aufzugeben. Dazu kommt, dass über die Jahre immer mehr Stammkundschaft verloren gegangen ist.

Helmut Crecelius erinnert sich noch gut an die Betriebsamkeit früherer Tage: Schon mit zwölf Jahren hat der heute 77-Jährige in der Gaststube mit angepackt. „Früher hatten wir fünf- oder sechsmal im Jahr Tanz“, erzählt der Seniorchef. Zu essen gab es Siedewürstchen, eine Speisekarte gab es noch nicht. Im normalen Alltagsgeschäft wurden vor allem Getränke ausgeschenkt. Doch manchmal bekam er als Jugendlicher auch einen Bestellzettel von Gästen in die Hand gedrückt und holte kleine Portionen Fleisch- oder Blutwurst vom Metzger nebenan.

„Und als die Helga und die Sylvia kamen, da kam dann die Esserei auf“, erzählt Helmut Crecelius. Gemeint sind seine Frau und seine Schwiegertochter, die eine gutbürgerliche Speisekarte zusammengestellt haben. Bekannt sei der Nassauer Hof vor allem für seine halben Hähnchen und seine Schnitzel. Es war wohl Ende der 1960er-Jahre, als in der Gaststätte die ersten Hähnchen verkauft wurden, meint Roger Crecelius. „Als Kind habe ich immer nur die Haut gegessen“, erinnert sich der 53-Jährige und muss schmunzeln.

Heute wartet die Speisekarte daneben mit verschiedenen Schnitzelvariationen auf: Rahm- und Jägerschnitzel, Paprikaschnitzel, Zwiebel- und Pfefferschnitzel, Bauernschnitzel und etwas exotischer: Ananasschnitzel mit Käse überbacken. Zudem gibt es Rumpsteak, verschiedene kleine Gerichte und Salatteller.

Von 1990 an hat die Familie auch etwa 15 Jahre lang ein Schlachtfest ausgerichtet. „Das war eine Hausschlachtung“, erzählt Roger Crecelius. Das Rind kam vom eigenen Hof, Schweinefleisch wurde zugekauft. Angeboten haben die Wirtsleute unter anderem Wellfleisch, einen Schlachtteller, Wurstsuppe, Presskopf oder gebratenes Hackfleisch. Der Nassauer Hof hat sich im Laufe der Zeit immer mehr zu einer Speisegaststätte gewandelt. Zum einen, weil die Ansprüche der Gäste gewachsen sind. Und zum anderen wohl auch deshalb, glaubt Roger Crecelius, weil das Lokal seine Funktion als Versammlungsort mehr und mehr verloren hat.

Im 140 Quadratmeter großen Saal über der Gaststätte fanden einst Polterabende genauso statt wie Verkaufs- oder Infoveranstaltungen kleiner und mittelständischer Unternehmen. „Außerdem hatten wir einige Bürgerversammlungen im Saal und viele Weihnachtsfeiern von örtlichen Vereinen“, sagt Roger Crecelius.

Zwar wird der Nassauer Hof immer noch von Vereinen wie dem VdK, dem Männergesangverein, dem Modellflugclub oder den Gymnastikdamen des TuS Miehlen besucht. Doch im Großen und Ganzen haben andere Veranstaltungsorte dem Lokal den Rang abgelaufen. „Irgendwann hat es sich entwickelt, dass für größere Veranstaltungen die Turnhalle des Sportvereins genutzt wurde“, sagt Roger Crecelius. Zudem bekam Miehlen ein eigenes Bürgerhaus.

Auch das Klientel, das sich zum Stammtisch trifft oder nur ein Bierchen trinken kommt, ist zurückgegangen. „Früher haben die Leute manchmal in drei Reihen an der Theke gestanden und wollten nur ein Bier trinken“, sagt der 53-Jährige. Und mit dem Einzug von Fernsehgeräten und Computern in die Wohnzimmer bleiben inzwischen auch die Kartenspieler aus, ergänzt sein Vater. In den vergangenen zehn Jahren seien viele Stammkunden gestorben. „Das macht keinen Spaß mehr, wenn ich montags da sitze und es kommen noch zwei oder drei Mann“, stellt Helmut Crecelius fest.

Doch dass der Nassauer Hof zum Ende des Jahres erst einmal schließt, heißt nicht zwangsläufig, dass er ganz aus dem Miehlener Ortsbild verschwinden muss. Denn die Familie Crecelius ist auf der Suche nach einem Pächter für das Lokal. „Von der Lage und der Kundschaft her“, sagt Roger Crecelius, „würde es passen, wenn es jemand so ähnlich fortführen würde.“ Doch was auf der Speisekarte steht, da wollen sie als Vermieter keine Vorschriften machen. Denkbar sei auch, dass sich ein Partyservice im Nassauer Hof ansiedle. Denn auch ein Kühlhaus ist vorhanden, das genutzt werden kann.

Für die Familie war der Gaststättenbetrieb wie ein Hobby, erklärt Roger Crecelius. „Wir werden merken, dass was fehlt“, ist er überzeugt. Doch der Abschied fällt nicht nur den Wirtsleuten schwer. „Zurzeit haben wir viele Gäste, die wollen alle noch mal zu uns kommen“, erzählt Seniorchef Helmut Crecelius.

Von unserer Redakteurin Cordula Sailer

Haus mit bewegter Geschichte

Die Familie Crecelius wird zum ersten Mal 1774 in den Miehlener Kirchenbüchern erwähnt, wie die Wirtsleute ihre Gäste über ein Grußwort in der Speisekarte aufklären. Seit 1820 hat die Familie eine Schankerlaubnis, daran erinnert auch eine große Tafel in der Gaststube. Neben der Gastwirtschaft wurde schon immer Landwirtschaft betrieben. Bis 1938 gehörte auch eine fürs „Blaue Ländchen“ typische Leinenfärberei zum Familienbetrieb. Einheimischen ist der Nassauer Hof auch unter seinem Hausnamen „Klanersch“ bekannt. Dieser rührt daher, dass Johann Daniel Crecelius deutlich kleiner war als die Frau, die er um 1830 heiratete. csa

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