Immer ein Glas Milch
Die ist ein Original. Das sagt jeder, der sie kennt. Und es kennen sie viele. Es ist schwer, schon vor dem Geburtstag eine ruhige Minute mit ihr auf der Terrasse zu haben. Kundschaft kommt – und dann auch noch Kirmes in Dietkirchen. Und auch Verwandtschaft schneit unverhofft rein, und entführt die Seniorin in den kleinen, aber prächtig-farbenfrohen Lahngarten. Wieselflink und stolz präsentiert Helene Fischer die Blütenpracht. Und auch mit ihren 90 Lenzen nimmt sie Treppen sportlich und umschifft die Zäune rund um die Bierzeltgarnituren. Das einzige, was stetig ist und auf dem Gartentisch steht: ein Glas mit Milch. Das ist das, was sie den Tag über zu sich nimmt. Ein Glas Milch steht auf dem Gartentisch – immer. Hier in „Dickerisch“ ist sie zu Hause. Schon immer. Im Haus neben der Traditionsgaststätte hat das kleine „Helenchen“ das Licht der Welt erblickt, am 7. August 1934.
Mit viel Humor
Im Gastraum hängen Bilder von Menschen, die ihr wichtig sind. Zum Beispiel das von Georg, ihrem Nachbarn, den sie heiratete; er ist schon lange tot. Quicklebendig dagegen ihre Tochter Claudia und Enkelsohn Mario mit seiner Freundin Jana sowie den Urenkeln Oskar und Emmi, das jüngste Mitglied in der Bande. Von ihnen liegen brav Kinderbilder auf dem Tisch in der Stube. Auch wenn die Knochen manchmal schon einen bösen Streich spielen können, ist die rüstige Rentnerin auch mit den vielen, vielen jungen und reiferen Menschen im Ort verbunden. Immer noch ist sie für sie im Schankraum da und zapft mit stets lockeren Sprüchen und ganz viel Humor frisches Bier. Sie selbst hat mit alkoholischen Getränken gar keinen Vertrag, sagt sie. Und mit Zigaretten ebenfalls nicht. Essen in Maßen, das hilft in jedem Fall, auf den Beinen zu bleiben.
Zweites Zuhause
Viele Helferinnen und Helfer stehen ihr zur Seite, damit der Laden weiter läuft – ist doch das „Alte Fährhaus“ das letzte Gasthaus, das übrig geblieben ist in Dietkirchen – sieht man einmal vom Dorfgemeinschaftshaus ab. Und so ist die gemütliche Lahngaststätte zu einem zweiten Zuhause geworden.
Bloß keine Blumen
Das wird natürlich eins bedeuten: Am Mittwoch wie am Freitag wird es lange Schlangen vor der Schänke geben von Leuten, für die Helene Fischer etwas bedeutet. Natürlich, sagt sie, wird auch der Bürgermeister Marius Hahn (SPD) erwartet. „Natürlich.“ Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr. Noch weiter allerdings mit Witz und Direktheit, auf die man sich im Hause Fischer aufs Beste versteht. „Bitte keine Blumen mitbringen, lieber ein Geldgeschenk für einen karitativen Zweck“, sagt das Geburtstagskind. Ob der 90. Geburtstag für sie etwas Besonderes ist? „Eigentlich nein“, sagt Helene Fischer. Aber sie hat große Lust darauf. Vor allem auf die Geselligkeit. Mit 90 Jahren – das merkt man sofort – ist dann eines gut gereift: die Menschenkenntnis. Das kann vor allem dann helfen, wenn man beurteilen muss, ob ein Gast für das, was er da gerade zu sich nimmt, auch zahlt oder eben nicht.
Schon lange ein Star
Und dann ist da natürlich immer dieselbe Frage nach der „Helene Fischer“. Ist das nicht irgendwann lästig, immer denselben Vergleich zur deutschen Pop-Ikone hören zu müssen? Gemeinsam haben die beiden vielleicht die Größe von 1,58 Meter. Helene Fischer (Dietkichen) wiegelt ab. Die Sängerin, Tänzerin und Unterhaltungskünstlerin – übrigens Jahrgang 1984 und damit am Montag 40 Jahre alt geworden – steht auf einem lebensgroßen Plakat ebenso drinnen im Schankraum. Draußen prangt auf einem Schild: „Helene-Fischer-Platz“ – das ist allerdings dem Original gewidmet, das am Mittwoch Geburtstag hat und das für viele Dickerischer schon lange ein Star ist.