Frühlingsfest im Gefängnis
Gärtnerei der JVA Diez lädt zum Start in die Saison
Bei Jennifer Sehr (rechts) an der Kasse, bildeten sich immer wieder kleine Warteschlangen. Die Gartenfreunde nahmen es aber gelassen hin.
Rolf Kahl

Für viele heimische Gartenfreunde aus Diez und Umgebung ist das Frühlingsfest in der Gärtnerei der JVA Diez verbunden mit dem Start in die Saison. So auch in diesem Jahr, als es wieder viel zu entdecken galt.

Gärtner sind kreative Menschen. In ihren Treibhäusern, Gärten und Hochbeeten scheint es nichts zu geben, was es nicht gibt. Auch in den Treibhäusern der Gärtnerei der Diezer Justizvollzugsanstalt (JVA) wachsen seit vielen Jahren fast alle heimischen Gemüsesorten, die verschiedensten Kräuterarten sowie unzählige Blumensorten und Stauden.

Zwar zeigte sich das Wetter in den vergangenen Tagen wenig einladend, doch als sich am Samstagmorgen um 9 Uhr die Tore der Gärtnerei öffneten, hatte der Wettergott gleichzeitig die Regenschleusen geschlossen und die Besucher konnten bei strahlend blauem Himmel das breite Angebot prüfen. In den Gewächshäusern drängelte sich die Kundschaft in den Gängen zwischen den Auslagetischen. Primeln und Hortensien, Geranien und Petunien bis zu Sommerstauden, die einem reich blühend einmal im Jahr ein Feuerwerk an Farbe und Duft schenken, zogen die Blicke der vielen Besucher auf sich. Und schon gegen die Mittagszeit waren verschiedene der angebotenen Blumensorten vergriffen. Außer den vielen unterschiedlichen Topfblumen, konnten die Besucher, darunter viele Stammkunden, auch unter Stauden, diversen Obstgehölzen sowie einem kleinen Sortiment an Beet- und Balkonpflanzen wählen.

In den Gewächshäusern musste man mit Gegenverkehr rechnen.
Rolf Kahl

Im Verkaufsladen der Anlage gingen jedoch auch all die anderen Gärtnerei-Produkte, die wegen ihres biologischen Anbaus seit Jahren eine feste Stammkundschaft anlockt, über die Ladentheke. So verließen viele Besucher das Frühlingsfest mit Produkten aus dem Gemüsepflanzenangebot: wie zum Beispiel Tomaten, Gurken oder Salate. Interesse weckten auch die ausgestellten Holzarbeiten aus der Arbeitstherapie. Dazu zählten unter anderem Holzspielzeug, Tonarbeiten, Insektenhotels und Nistkästen. Zehn externe Aussteller mit Produkten wie regionalem Honig, Gewürzen oder Kunsthandwerk komplettierten das Verkaufsangebot. Für das leibliche Wohl sorgte die Betriebssportgemeinschaft der JVA mit Leckereien vom Grill oder mit Kaffee und Kuchen lockte.

Gärtnerei diente zunächst der Eigenversorgung

Die Gärtnerei der JVA zählt zusammen mit Schlosserei, Schreinerei und Buchbinderei zu den Eigenbetrieben. Die Gefangenen werden so probe- und schrittweise auf ein Leben in Freiheit vorbereitet. Die Fähigkeit, nach der Entlassung einer normalen Erwerbstätigkeit nachzugehen, soll vermittelt, gefördert oder erhalten werden. Um 1912, als die Anstalt in Diez etabliert wurde, diente die Gärtnereiabteilung ausschließlich der Eigenversorgung mit frischem Obst und Gemüse. Im Laufe der Jahrzehnte fand dann auch ein gezielter Verkauf der Produkte statt, und dies nicht nur bei Veranstaltungen wie dem Frühlingsfest. Die Gärtnerei der JVA Diez beschäftigt auf dem rund 2000 Quadratmeter großen Betriebsgelände ausschließlich männliche Gefangene und Untergebrachte aus der sogenannten OVA (Offene Vollzugsabteilung). Das Tätigkeitsfeld erstreckt sich von kleineren Reinigungsarbeiten, über Instandhaltungsmaßnahmen, Aussaat, Ernte und Pflege von Pflanzen.

Externe Anbieter boten Produkte wie heimische Honigsorten an.
Rolf Kahl

Im Durchschnitt beträgt die Gruppengröße fünf bis sechs Gefangene. Diese sollen durch die Arbeit in der Gärtnerei wieder auf das Berufsleben „draußen“ vorbereitet werden; durch den Kundenkontakt werden auch menschliche Interaktionen teilweise neu oder wieder erlernt. Hat der jeweilige Gefangene die vorgegebene Anzahl an Arbeitstagen in der Gärtnerei geleistet, kann er zum sogenannten FBV (Freies Beschäftigungsverhältnis) zugelassen werden. Hierfür durchläuft er das normale Bewerbungsprocedere eines Arbeitssuchenden und kann dann beim Arbeitgeber seiner Wahl eingestellt werden. Dieser gesamte Weg aus dem geschlossenen Vollzug in die OVA, über die Gärtnerei in das FBV dient zur Wiedereingliederung, also als Vorbereitung auf das Leben in Freiheit nach der Entlassung. Begleitet und angeleitet werden die Männer von Vollzugsbeamten mit langjähriger Erfahrung.

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