Der Verein „Nassauer für Nassau“ will rund 3750 Bäume auf Flächen des Stadtwaldes neu pflanzen, denen zwei trocken-heiße Jahre und der Borkenkäfer schwer zugesetzt haben. Das Crowdfunding-Vorhaben in Zusammenarbeit mit der Volksbank, an dem sich jeder mit kleinen oder größeren Spenden beteiligen kann, wurde erstmals im September vorgestellt. Es soll 8000 Euro einbringen. Auch Firmen und die Stiftung Bildungspakt für Nassau wurden um Unterstützung gebeten, um die Gesamtinvestition von geschätzten 25 000 Euro zu decken. Damit die heranwachsende Generation eine Bindung zu den Flächen, die vielfältiger als bisher bepflanzt werden sollen, aufbauen, ist der Verein an die Schulen in Nassau herangetreten. Nun hat man bei einem gemeinsamen Treffen eine langfristige Zusammenarbeit vereinbart.
Vorsitzender Ulrich Pebler und seine Stellvertreterin Jessica Gejdosik zeigen sich begeistert davon, dass ihre Idee von der Wiederbewaldung eine solch breite Unterstützung erfährt. Auch Stadtbürgermeister Manuel Liguori ist erfreut, dass die beiden Schulleiter Thorsten Winkes (Grundschule) und Martin Ufer (Leifheit-Campus) ihre Beteiligung zugesagt haben. „Was wir jetzt pflanzen, pflanzen wir nicht für uns, sondern für die kommenden Generationen“, macht das Stadtoberhaupt deutlich. Somit sei es nur folgerichtig, sowohl Sechs- bis Zehnjährige wie auch ältere Schüler einzubinden. Die vielfältige Funktion eines vitalen Waldes als Lebensraum, Erholungsort und Einnahmequelle durch Holzverkauf wirke langfristig. Die Schüler könnten so Jahr für Jahr die Entwicklung der Flächen beobachten – auch über die Schullaufbahn hinaus später als Erwachsene.
„Es gibt nichts Besseres als solche Waldprojekte“, sagt Willi Bausch-Weis, Waldpädagoge des Forstamtes Lahnstein. Er hat schon zahlreiche Schüler in der Region durch Pflanzprojekte und Exkursionen ganz praktisch mit den Themen Klimawandel, Natur und nachhaltige Entwicklung in Kontakt gebracht. Unabhängig vom Alter der Kinder und Jugendlichen sei das Interesse besonders groß, wenn außerschulische Lernorte aufgesucht werden und statt einmaliger Aktionen langfristig Verantwortung für ein Projekt übernommen werde. Wenn Grundlegendes im Unterricht vorbereitet werde, komme irgendwann der Punkt, an dem die Schüler etwas praktisch unternehmen wollen. „Ihnen ist dann wichtig, etwas mit den eigenen Händen zu machen“, hebt Willi Bausch-Weis den Kontrast zum oft theorielastigen Unterrichtsstoff hervor. „Wenn die sich dann am Ende des Tages umdrehen, können sie sehen, was sie geschafft haben“, sagt der Waldpädagoge.
Gemeinsam mit dem Nassauer Förster Peter Langen wird Willi Bausch-Weis ein Konzept erarbeiten, wie die beiden Schulen in Nassau eingebunden werden können. Klar ist, dass die Kinder und Jugendlichen nicht erst mit dem Thema konfrontiert werden sollen, wenn sie den Spaten zum Pflanzen in die Hand nehmen. „Das muss gut vorbereitet werden, damit die Schüler die Sinnhaftigkeit erkennen“, rät Willi Bausch-Weis. Aber auch draußen in der Natur könne man frühzeitig ansetzen. Schon die Bodenanalyse im Vorfeld der Pflanzung könne mit den Schülern vorgenommen werden. „Dann sind sie direkt im Thema“, weiß der Waldpädagoge aus Erfahrung. Zudem habe er die Erfahrung gemacht, dass eine Abwechslung vom Unterrichtsalltag hochwillkommen ist. „Die Schüler freuen sich schon, wenn ich komme, denn sie wissen dann, dass es raus an die frische Luft geht“, sagt er.
Bei der Auswahl der Flächen, die neu mit einer Vielzahl von Baumarten bestückt werden sollen, will man darauf achten, dass einige von den Schulen gut erreichbar sind. Schließlich ist es das Ziel, dass diese das Projekt über Jahre begleiten. „Es gibt immer etwas zu tun“, sagt Willi Bausch-Weis. So müssten beispielsweise später die Wuchshüllen, die die kleinen Bäumchen vor Wildverbiss schützen, kontrolliert werden.
Am Leifheit-Campus werden die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz im Schulalltag bereits in AGs wie dem Grünen Campus oder der Gemüse-Akademie auch praktisch behandelt. Die von „Nassauer für Nassau“ angestoßene Wiederbewaldung sei eine weitere Möglichkeit, nachhaltiges Denken und Umweltbewusstsein bei den Schülern zu fördern. Für das Privatgymnasium hat sich Biologielehrerin Lena Janz bereit erklärt, das Vorhaben zu begleiten.
Die in Nassau aufgewachsene Pädagogin begrüßt, dass das Projekt auf Dauer angelegt ist. Abgesehen von der eigentlichen Pflanzung könnten die Flächen regelmäßig besucht werden. Im Rahmen des naturwissenschaftlichen Unterrichts eigneten sich dazu besonders das Themenfeld Lebensraum Wald. So könnten die Schüler zum Beispiel Steckbriefe zu verschiedenen Baumarten anfertigen, Bestimmungsübungen durchführen sowie die Entwicklung des Waldes auf einer ausgesuchten Fläche beobachten. Vor allem Letzteres sei für die Mittel- und Oberstufe interessant. „Hier kann das Ökosystem Wald und sein Wandel hautnah miterlebt werden“, sagt sie. Auch eine digitale Langzeitdokumentation zu der Entwicklung der verschiedenen Baumarten sei ein mögliches Projekt. Die Gymnasiallehrerin teilt die Auffassung des Waldpädagogen Willi Bausch-Weis, dass die praktische Lernerfahrung im Wald „ganz anders motivieren und Anreize setzen kann als der Unterricht im Klassenraum“.
Auch kleinere Kinder können von der Begleitung des Projektes profitieren, meint Grundschulleiter Thorsten Winkes. Ganz praxisnah könne man nachhaltige Entwicklung und Umweltbewusstsein thematisieren sowie verschiedene Baumarten und den stockwerkartigen Aufbau des Waldes kennenlernen. Außerdem eröffne der Wald, der über Jahrzehnte heranwachse, eine neue Perspektive: „Die Kinder leben nicht nur jetzt und heute, sondern auch in der Zukunft“, sagt Thorsten Winkes. „Vielleicht steht der ein oder andere unserer Schüler später als Erwachsener im Wald und sagt: Daran habe ich einmal mitgepflanzt“, so der Grundschulleiter.