Autorennen landet vor Gericht
Freiheitsstrafe nach Horror-Crash
Nach über 200 Metern stieß der Unfallverursacher (rechts) mit zwei weiteren Fahrzeugen zusammen.
Klaus-Dieter Häring

Amtsgericht Limburg verurteilt 19-jährigen Limburger wegen Kraftfahrzeugrennens und vorsätzlicher Körperverletzung. Er war mit fast 200 km/h in den Ort hinein gerast.

Der Unfallort sah aus wie eine Trümmerwüste: Am späten Abend des 25. November 2023 rast ein Volvo, von Niederhadamar kommend, mit einem Höllentempo nach Elz und bekommt kurz vor der dortigen Tankstelle die Kurve nicht. Das Fahrzeug prallt erst gegen eine Betonmauer, dann gegen eine Straßenlaterne und einen Stromkasten. Es verliert sein Vorderrad und kollidiert schließlich mit einem Ford Fiesta, der gegen eine Mauer geschleudert wird. Ein weiteres Fahrzeug ist ebenfalls in den Unfall verwickelt. Fünf Menschen werden verletzt, in der Straße fällt zeitweise der Strom aus, der Schaden beträgt rund 100.000 Euro, der Volvo ist nur noch Schrott.

Der Verursacher dieses Infernos, ein damals 18-jähriger Mann aus Limburg, musste sich jetzt vor Strafrichter Thomas Becker vom Amtsgericht Limburg für sein Handeln verantworten. Der junge Mann legte gleich zu Beginn der Verhandlung ein umfassendes Geständnis ab, das er von seinem Rechtsanwalt Matthias Horz verlesen ließ. Er hatte im Februar erst den Führerschein gemacht und nur wenig Erfahrung mit dem Autofahren gehabt, als er am späten Samstagabend des 25. November 2023 in den 230 PS starken Volvo seines Vaters stieg; auf dem Beifahrersitz und dem Rückfahrersitz saßen zwei „Kollegen“ des 18-Jährigen.

Mit fast 200 km/h in die Tempo-30-Zone

Es war kalt, die Temperatur betrug nur zwei Grad, dennoch hatte der Wagen noch Sommerreifen aufgezogen. Das Trio machte sich von Limburg auf den Weg nach Elz, um dort einen weiteren „Kollegen“ abzuholen. Hinter dem Kreisel in Niederhadamar trat der 18-Jährige dann voll aufs Gaspedal. Der Wagen beschleunigte auf der knapp einen Kilometer langen Strecke auf bis zu 200 km/h, wie der Angeklagte berichtete, der Gutachter hatte abzüglich Toleranzen 186 km/ h ermittelt. Mit diesem Tempo fuhr der Volvo in die Tempo-30-Zone in Elz. „Plötzlich kam die Mauer auf mich zu“, schilderte der Angeklagte vor Gericht. Als er auf die Bremse trat, war es schon zu spät: Mit 153 km/h fuhr er laut Gutachter gegen die Betonmauer; anschließend nahm das Geschehen seinen Lauf.

„Sie haben mit dem Leben anderer gespielt. Das war lebensmüde, was hier passiert ist.“ Der Richter nahm bei der Urteilsbegründung kein Blatt vor dem Mund.

„Sie können alle drei froh sein, dass Sie noch leben“, sagte Richter Becker zu dem Angeklagten. Nicht auszudenken, wenn ein Fußgänger die Straße überquert oder ein Auto am Fahrbahnrand angefahren wäre. „Wollten Sie mit diesem Tempo durch ganz Elz fahren?“, fragte der Richter den Angeklagten. Antwort: „Ich hatte irgendwie einen Tunnelblick und war im Geschwindigkeitsrausch.“ Alkohol, Medikamente oder Drogen waren bei dem Crash nicht im Spiel. Das hatte die Untersuchung der Polizei ergeben. Warum er denn so schnell gefahren sei, wollte der Richter wissen. „Es war Dummheit und Leichtsinn“, gab der Angeklagte zu. „Ich wollte die Leistung des Fahrzeugs mal ausprobieren.“ Ihm sei gar nicht in den Sinn gekommen, dass etwas passieren konnte.

Plötzlich sieht der Zeuge Funken fliegen

Ein 39-jähriger Autofahrer aus Dornburg berichtete als Zeuge, dass er im Rückspiegel plötzlich Funken fliegen sah. „Das Fahrzeug tauchte plötzlich im Spiegel auf“, erinnerte er sich. „Ich stand unter Schock und habe am ganzen Körper gezittert.“ Eine ebenfalls 39-jährige Zeugin aus Diez, die in dem entgegenkommenden Ford Fiesta saß, sah Funken auf sich zufliegen, dann sei ihr der Volvo „entgegengeschlittert“ gekommen. „Der ist wie aus dem Nichts aufgetaucht“, erzählte sie. „Ich musste anfangen zu heulen.“ Sie erlitt eine Gehirnerschütterung und mehrere Prellungen. Bis heute leide sie unter den Unfallfolgen: Sie habe Angst, auf der Autobahn zu fahren, und habe Kopfschmerzen in Stresssituationen.

Die beiden Beifahrer, 20 und 23 Jahre alt, gaben vor Gericht kein gutes Bild ab: Beide wollen von der Höllenfahrt ihres „Kollegen“ angeblich nichts bemerkt und unbeirrt an ihren Handys gespielt und Musik gehört haben. Das nahm Richter Becker ihnen offenbar nicht ab. Dem 20-Jährigen nahm er sogar einen Eid ab, weil er noch am Abend des Unfalls zu einem der Polizisten von „überhöhter Geschwindigkeit“ gesprochen haben soll. Daran wollte er sich jetzt nicht mehr erinnern. Richter Becker verurteilte den heute 19-Jährigen wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens und vorsätzlicher Körperverletzung zu sieben Monaten Jugendstrafe, die er für zwei Jahre zur Bewährung aussetzte. Der Angeklagte, der in Wiesbaden Finanzwirtschaft studiert, erhält außerdem zwei Wochen Dauerarrest, seine Fahrerlaubnis wird eingezogen und kann frühestens zwölf Monate nach Rechtskraft des Urteils wieder beantragt werden. Er muss 150 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten und den beiden verletzten Autofahrern 1000 beziehungsweise 500 Euro Schmerzensgeld zahlen. „Sie haben mit dem Leben anderer gespielt“, sagte der Richter. „Das war lebensmüde, was hier passiert ist.“ Das einzig Positive sei, dass keiner der Beteiligten wirklich schwer verletzt wurde.

Oberamtsanwalt spricht von einer Harakirifahrt

Der Richter blieb mit seinem Urteil etwas unter dem Strafmaß von neun Monaten und 250 Sozialstunden, das Oberamtsanwalt Schubert gefordert hatte. Damit trug er dem Geständnis des Angeklagten Rechnung. Schubert hatte von einer „Harakirifahrt“ gesprochen, mit der der Angeklagte schwere Schuld auf sich geladen habe. Verteidiger Horz wollte es hingegen bei einer Verwarnung für den Angeklagten belassen und plädierte auf Sozialstunden und eine Geldauflage. Auch ein Fahreignungsseminar regte er an. Das Geständnis des 19-Jährigen müsse sich „zwingend bemerkbar“ machen, damit habe sein Mandant Charakterstärke bewiesen. „Er ist in dieser Situation entgleist“, meinte Horz. Ansonsten sei er ein „normaler Jugendlicher“ am Beginn seines Lebensweges. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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