Von unserem Redakteur Thomas Torkler
Doch damit würde man es sich zu einfach machen, denn in jüngster Vergangenheit wurde für ein Bluesfestival das ein oder andere Mal zu viel Reißaus genommen. Nichts gegen all die Wolfgang Niedeckens, Chris Barbers und wie sie alle heißen, die mit ihren verdient großen Namen die ehrwürdige Lahnsteiner Stadthalle gefüllt haben – in diesem Jahr aber musste man den klassischen Blues suchen gehen, trotz hochkarätiger Besetzungen und vor allem trotz des diesjährigen Mottos „Blue Champs“.
Headlinerin China Moses betrachtet sich selbst als Jazz-Geschichtenerzählerin, und das ist sie auch. Moses gewährte bei ihren Ansagen mehr oder weniger tiefe Einblicke in ihr Gefühlsleben, das sie jeweils einem musikalischen Seelenstriptease unterzog. Großartiger Gesang, eine fantasievolle Jazzformation im Rücken und sicher – auch diverse Bluenotes.
Die kamen auch aus dem Mund von Jesper Munk, der 23-Jährige eröffnete sanfter, als man es von ihm gewohnt ist, das Festival. Die leidenschaftlichen Eruptionen, die seine Musik auszeichnet, ließ er in Lahnstein schlicht weg. Das im Programmheft angekündigte Blues-Rock-Power-Trio beschränkte sich auf ruhige Songs, was – so war zu hören – offenbar auf einen Disput mit den Soundtechnikern zurückging, denn Munk schrieb noch während des Soundchecks sein Programm um. Und dennoch: Munk ist in jungen Jahren so präsent auf der Bühne, weiß um die Wirkung seiner Stimme und vor allem darum, wie man sie einsetzt. So waren die drei Songs, bei denen er ganz allein auf der Bühne stand, ohne Zweifel der Knaller seines Auftritts. Erst gegen Ende ließ er bei zwei Songs aufblitzen, dass er die Stadthalle auch hätte zum Beben bringen können. Doch dazu müssen in Lahnstein wohl noch einige Faktoren mehr zusammenkommen.
Tommy Schneller, einer der renommiertes Saxofonisten Deutschlands, spielte sich mit seiner achtköpfigen exzellenten Band durch mehr oder weniger bluesverwandtes Material, gespickt mit Klassikern wie B.B. Kings „The Thrill is Gone“, doch insgesamt war das gefällig, nett, und allenfalls bei den solistischen Höhenflügen von Schneller selbst und seinem Gitarristen Jens Filser ging mal so richtig die Post ab. Nicht zu vergessen dabei das tolle Trompetensolo von Gary Winters.
Carl Carlton, bekannt als ausdrucksstarker Gitarrist bei Peter Maffay, Robert Palmer und vielen anderen Größen, spielte als Gast zum Finale ein paar Stücke mit und verlieh dem Ganzen am Ende noch eine wohltuend rockige Note.
Absolut ins Schwarze trafen die Festivalmacher in diesem Jahr auf jeden Fall mit der Verleihung des Blues-Louis an Abi Wallenstein. Die Laudatio hielt keine geringere als Inga Rumpf, selbst Louis-Preisträgerin, in wahrlich herzlicher Atmosphäre. Wallenstein war es sichtlich anzumerken, wie sehr er sich über die Auszeichnung freute.
Er dankte es mit seinem unverwechselbaren Groove, seiner Stimme, die mit ungeheurem Tiefgang sofort jeden Zuhörer in seinen Bann schlägt und mit genau jener Authentizität, die direkt aus dem Mississippi-Delta zu kommen scheint. Toscho Todorovic, ebenfalls Louis-Preisträger, erwies Wallenstein die Ehre und jammte locker mit. Inga Rumpfs Stimme dazu, mehr braucht es nicht – doch, vielleicht einen Bassisten, der den Sound sicher noch komplettieren würde. Doch Wallenstein und Munk waren es letztendlich, die abseits von allzu glatter Gefälligkeit zu Werke gingen. Davon darf es gern wieder mehr sein.