Rhein-Lahn
Etliche Fälle am Amtsgericht Diez: Amnestieregelung für Kiffer macht Gerichten Arbeit
Cannabis-Legalisierung
Aufgrund der Amnestieregelung wurden am Amtsgericht Diez bislang rund 70 Fälle neu aufgerollt. Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Sebastian Gollnow. Sebastian Gollnow/dpa

Rhein-Lahn. Angesichts der umgangssprachlich als Amnestieregelung bezeichneten, rückwirkenden Straffreiheit für Vergehen im Zusammenhang mit Cannabis müssen etliche Fälle am Amtsgericht Diez neu aufgerollt werden.

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Wie viele Fälle es sind, ist laut Dennis Graf, dem Direktor des Diezer Amtsgerichts, schwer zu sagen. „Es kommen täglich Verfahren dazu. Seit dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes (CanG) am 1. April 2024 hat das Amtsgericht Diez circa 70 Verfahren von Amts wegen oder auf Antrag der Staatsanwaltschaft geprüft und falls erforderlich eine Entscheidung getroffen. Betroffen sind dabei Entscheidungen, soweit es um den Besitz von bis zu 25 beziehungsweise 50 Gramm Cannabis, gegebenenfalls neben weiteren Straftaten, geht“, so Graf im Gespräch mit unserer Zeitung.

Dabei sei es wichtig zu beachten, dass das Amtsgericht Diez im Erwachsenenstrafrecht nicht für die Vollstreckung von Geld- oder Freiheitsstrafen zuständig ist, sondern die Staatsanwaltschaft Koblenz. Ist die Tat nach dem CanG daher nicht mehr strafbar, ist die Vollstreckung von dort aus zum 1. April 2024 zu beenden. Das Amtsgericht Diez ist aber für die Bildung einer neuen Strafe zuständig, wenn ein Teil der begangenen Straftaten nach dem CanG nicht mehr strafbar ist.

„Soweit laufende Bewährungsverfahren, in denen die Anlasstat nicht mehr strafbar ist, betroffen sind, werden diese hier ohne weitere Entscheidung des Gerichts abgeschlossen und an die Staatsanwaltschaft zurückgeleitet. Relevant sind aber hier noch Bewährungsverfahren in denen zu prüfen ist, ob eine Anpassung einer verhängten Abstinenz- und Kontrollweisung zu erfolgen hat“, so Graf weiter. Dies sind beispielsweise Fälle, in denen dem Verurteilten aufgegeben wurde, keine illegalen Drogen zu konsumieren, oder er angewiesen wurde, Drogenscreenings abzuleisten.

Vollstreckung wird eingestellt.

Anders ist es in Jugendsachen, soweit die Vollstreckung dem Jugendrichter obliegt. Ist die Vollstreckung in solchen Verfahren noch nicht beendet, zum Beispiel wenn Sozialstunden verhängt und die Sozialstunden noch nicht vollständig erbracht wurden, ist die verurteilte Tat aber nach dem CanG nun straflos, wurde zum 1. April 2024 die Vollstreckung eingestellt.

Doch wie kommt es überhaupt dazu, dass ein altes Verfahren neu aufgerollt wird? Über die Frage, ob eine neue Gesamtstrafe gebildet wird, ist regelmäßig auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen zu entscheiden. Zuständig ist das jeweilige Gericht, vor dem das Urteil ergangen ist, also der Jugendrichter, Strafrichter oder das Schöffengericht. Die Entscheidung des Gerichts erfolgt im schriftlichen Verfahren durch Beschluss, der mit Rechtsmitteln sowohl durch den Verurteilten als auch die Staatsanwaltschaft angefochten werden kann“, erläutert Dennis Graf weiter.

Und wie sieht dies ganz praktisch aus? Werden zum Beispiel rückwirkend Freisprüche gefällt oder bei Gesamtstrafen niedrigere Freiheitsstrafen gebildet? „Hier ist zu unterscheiden“, sagt Direktor Graf: „Ist die Tat nach dem CanG straflos, ist die Vollstreckung zu beenden, sodass es keines Freispruchs bedarf. Bei einer Gesamtstrafe ist zu prüfen, ob eine niedrigere Strafe festzusetzen ist, weil Taten nach dem CanG straflos sind. Praktisch relevant sind auch solche Fälle, in denen eine Gesamtstrafe wegen mehrerer Delikte, zum Beispiel Cannabisbesitz und Körperverletzung, verhängt wurde. Denkbar sind dabei auch Fälle, in denen der nunmehr straflose Besitz einer geringen Menge Marihuana bei der Strafzumessung nicht ins Gewicht gefallen ist, sodass eine gleichhohe Gesamtstrafe zu verhängen ist. Zum Beispiel Besitz eines Joints und räuberischer Diebstahl.“

Keine Entschädigungen

Bedeutet die Amnestieregelung, dass Straftäter, die ihre Haftstrafen schon zu Ende verbüßt haben, vielleicht sogar mit der Zahlung einer Entschädigung für die „zu viel“ abgesessene Zeit rechnen können? „Von der Amnestieregelung ausgeschlossen sind bereits beendete Vollstreckungsverfahren, also solche, in denen die Gesamtgeldstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe vollständig vollstreckt ist. Es gibt dann keine Entschädigung, auch werden bereits geleistete Zahlungen auf eine Geldstrafe nicht erstattet“, stellt Dennis Graf klar.

Davon zu unterscheiden sei die Möglichkeit von Verurteilten, eine Tilgung von Eintragungen im Bundeszentralregister zu beantragen. Diese Möglichkeit ist für Taten vorgesehen, die nach dem CanG nicht mehr strafbar sind. Die Tilgung wird aber nur auf Antrag des Verurteilten vorgenommen.

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