Schaustellern in Nassau geht trotz Regen wieder das Herz auf: "Wir lieben, was wir tun" - Mit dem Jahr 2022 weitgehend zufrieden
Endlich wieder Nassauer Michelsmarkt: Ausfall tat „richtig weh“
Endlich kann Sascha Barth wieder beim Michelsmarkt an seinem Lieblingsplatz stehen und den Gästen Bier zapfen.
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Nassau/Rhein-Lahn. Endlich wieder Nassauer Michelsmarkt. Das war am Wochenende das Motto des diesjährigen Volksfestes in der Freiherr-vom-Stein-Stadt.

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Nicht nur den Menschen, die sich seit Freitag zwischen Ständen und im Festzelt zu Rock und Schlagern tummelten, war das trotz Regenschauern anzuspüren. Schaustellern und Marktbeschickern ging nach zwei schmerzlichen Corona-Jahren ebenso das Herz auf. Vor allem die Seele litt, wie eine Umfrage unter den Unternehmen zeigt, die vielfach auch bei anderen Volksfesten im Kreis seit Jahrzehnten ihren festen Platz haben.

„Seit meinem 11. Lebensjahr bin ich beim Nassauer Michelsmarkt dabei“, erzählt Sascha Barth, als er an seinem „Zum Almwirt“ direkt vor dem Alten Rathaus dem Spielmannszug Singhofen das erste Bier zapft. „Das hat einfach gefehlt“, sagt der 46-Jährige aus Mainz, Schausteller in fünfter Generation. Und das bezieht sich gar nicht so sehr auf den finanziellen Ausfall. „Ich hatte ja noch Glück und konnte zwei Jahre einen Biergarten in Eltville betreiben.“ Vielmehr hat es seine Seele geschmerzt, in Nassau nicht seine Alm aufbauen zu können. Der Nassauer Markt sei eine sehr schöne familiäre Innenstadtkirmes. Es habe sich entsetzlich angefühlt, nicht dabei zu sein, bekannte Gesichter und Stammkunden nicht bedienen zu dürfen. „Das hat richtig wehgetan“, hofft er, dass es keinen Totalausfall mehr gibt.

Einige Meter weiter herrscht am Pont-Chateau-Platz Aufatmen. „Man hat gemerkt, dass die Leute endlich wieder raus und feiern wollen“, erzählt Elisabeth Meyer junior über dieses Jahr. Die Neuwieder Schaustellerin ist ebenfalls seit Jahren mit zwei leckeren Grillhäusern in Nassau dabei. „Wir sind ganz zufrieden“, blickt sie auf 2022 zurück, als nach Karneval die Märkte wieder öffneten; die Krise selbst konnte dank fester Stellplätze finanziell überwunden werden, zumal das Traditionsunternehmen auch bei großen Festivals und Open-Air-Veranstaltungen für die Bewirtung sorgt, zurzeit während der Lumagica, dem magischen Lichterpark in Neuwied.

Auf jede Menge Betrieb und volle Nassauer Straßen hoffen Don und Annet Hetem aus den Niederlanden. Es ist ihr erster Besuch beim Michelsmarkt, bei dem sie ihre „Tasty Kokos“ feilbieten. Auch wenn sie um die Verbindungen zwischen Nassau und ihrer Heimat wissen: „Es waren deutsche Bekannte, die uns den Tipp gegeben haben: Zum Michelsmarkt müsst ihr unbedingt mal hin.“ Die Corona-Pandemie hat auch ihnen finanziell zugesetzt. Allerdings finden sie mit ihren glutenfreien Makronen gerade in Deutschland ganz viele Fans.

Am Samstagabend gibt es den ersten ordentlichen „Schutt“. „Gut, wenn die Leute den Schirm aufspannen, dann bleiben sie noch etwas“, sagt Erich Klinkerfuß und setzt seine Flieger auf dem Platz vor dem Schloss wieder in Bewegung. In vierter Generation dreht das Kinderkarussell schon seine Runden, mehr als 50 Jahre davon in Nassau. Der Standplatz an einem Möbelmarkt rettete finanziell über die Corona-Pandemie. „Aber unsere Heimat ist ja der Markt, da hängt man dran.“

Im Regen sucht mancher Gast Zuflucht am Autoscooter, wo Herbert Meyer junior die Fahrchips ausgibt. Schon die 91-jährige Oma schätzte die Mischung zwischen Kirmes und Markt und war sicher ein halbes Jahrhundert in Nassau dabei. „Es geht nicht nur ums Geldverdienen; das hier ist unser Leben“, sagt er und erinnert an die mehr als 150-jährige Firmengeschichte.

So geht es auch Melanie Müller. Ihre einst gelbe Entchen – die jüngste Version mit lustigen Figuren schwimmt seit 25 Jahren auf dem Amtsplatz – angelten schon Generationen in Nassau, als sie noch nicht auf der Welt war. Die Faszination ist ungebrochen. Für Müller auch die für den Nassauer Markt, wo sie als kleines Kind die Atmosphäre der Karussells mit Puppen und den großen Markt genoss. Nach Corona sei dieses Frühjahr sehr umsatzstark gewesen, seit Herbst verzeichnet sie einen merklichen Rückgang, was in der derzeitigen Situation mit Angst vor horrenden Energiepreisen verständlich sei. Aber Corona sei vor allem „emotional anstrengend“ gewesen, viel Herzblut sei da geflossen. Der persönliche Kontakt zu den Stammkunden hat ihr gefehlt. „Wir lieben, was wir tun.“

So geht es auch Nadine Jackmuth, die auf dem Festplatz nach Entchen angeln lässt. Während der Michelsmarkttage ist sie als Kind einst in die Nassauer Grundschule gegangen. „Da freut man sich einfach, endlich wieder hier zu sein und bekannte Gesichter zu sehen“. Ihr Vater Manfred von Strünck aus Urmitz schräg gegenüber ist nach der „sehr schwierigen Corona-Zeit“ ebenso froh, seine Lebkuchen, Zuckerwatte und andere Süßigkeiten wieder anbieten zu können, wie er das bis 2019 schon 40 Jahre in Nassau macht. „Wir kommen hier aus der Region und fühlen uns hier zu Hause“, schätzt er die Märkte rund um Koblenz.

Der Regen trübt zwar etwas die Euphorie des Wiedersehens. Am Ende sind die meisten Schausteller und Standbetreiber dann aber doch zufrieden. „Wir können ja dabei sein“, resümiert Sascha Barth, „diejenigen, die durch Corona insolvent wurden, können sie hier nicht interviewen.“

Von Bernd-Christoph Matern

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