Damit wendet sich die hessen-nassauische Kirche auch gegen das vermehrte Leistungsdenken in der heutigen Zeit und will Menschen Mut machen, aus dem Hamsterrad ständig steigender Anforderungen auszusteigen. Stattdessen sollen sie die Muße für sich neu entdecken und mehr auf den evangelischen Glauben vertrauen. Danach muss niemand perfekt sein und sich vor Gott beweisen. „Sie sind heilig! – huch“? ist die zentrale Aussage der Aktion. Die himmelblauen Briefe sprechen damit allen 1,6 Millionen Kirchenmitgliedern augenzwinkernd Heiligkeit zu.
Die evangelische Kirche greift bei der Aktion einen zentralen Gedanken des Reformators Martin Luther auf. Nach ihm sind Menschen von sich aus wertvoll und kostbar, weil Gott ihnen dies zusagt. Perfektion und Erfolg sind keine Maßstäbe. Mit diesen Grundgedanken löste Luther vor genau 500 Jahren die Reformation aus, die die evangelische Kirche begründete. Die Initiative im Jubiläumsjahr der Reformation ist Teil der sogenannten Impulspost, mit der die hessen-nassauische Kirche seit 2012 ihre Mitglieder regelmäßig anschreibt. Sie wird durch Aktionen in Kirchengemeinden begleitet, die unter anderem großflächige Aktionsmotive in himmelblauer Farbe an ihren Gebäuden anbringen. Unterstützt wird sie durch eine Internetseite. Zuletzt sorgte im vergangenen Herbst die Zusendung der Impulspost mit einer „Bibel auf Bierdeckel“ für öffentliches Aufsehen. Für den Herbst ist zum Höhepunkt des 500. Reformationsjahres bereits eine weitere Initiative geplant.
Die aktuell zehnte Impulspostsendung begrüßt die Empfänger der mehrfach auffaltbaren Briefe nun mit einem aufmunternden „Sie sehen gut aus!“. Auf den nachfolgenden Seiten treten aber immer mehr Infragestellungen hinzu, wie sie viele Menschen in der modernen Leistungsgesellschaft erleben. Das Schreiben gipfelt am Ende dennoch in der Aussage, dass Gott an jeden Menschen glaubt: „Heiligkeit bedeutet nicht Vollkommenheit. Jeder Mensch ist heilig, nicht weil er perfekt ist oder erfolgreich. Sondern weil Gott es ihm zusagt. Das kann jeder täglich neu entdecken, ausprobieren und leben.“ Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung erklärte bei der Eröffnung der Aktion in der Frankfurter Diakoniekirche: „An jedem Tag müssen Menschen etwas leisten – um für sich selbst zu sorgen, in der Familie, in der Schule, im Beruf, in nahezu allen Bereichen unseres Lebens. Dass wir etwas leisten können, ist wichtig und meistens auch beglückend. Der Bogen wird aber überspannt, wenn wir uns selbst oder andere nur noch an erbrachter Leistung messen. Das ist die Schattenseite einer Hochleistungsgesellschaft. Immer wieder zerbrechen Menschen daran, dass sie nicht mehr das leisten können, was sie sich vorgenommen haben. Andere daran, dass sie meinen, immer perfekt sein zu müssen.“
Zur Impulspost gehört nicht nur ein Brief an die Kirchenmitglieder. Sie ist eingebunden in ein breites Mitmachkonzept. So beteiligt sich auch wieder rund die Hälfte aller 1151 hessen-nassauischen Kirchengemeinen mit eigenen Aktivitäten an der Impulspost. Insgesamt wurden von ihnen über den kostenlosen Materialdienst knapp 1000 großformatige Banner beispielsweise für Kirchtürme mit dem blauen Aktionsmotiv sowie Flaggen bestellt. Außerdem sind verschiedene Plakatmotive und spezielle Aktionskarten im Angebot.
Mehr Informationen und Material rund um die Aktion der EKHN gibt es auf der Internetseite www.gott-glaubt-an-mich.de