Seit kurzer Zeit hat das Hospiz in Scheuern seinen Betrieb aufgenommen und steht bereit für Menschen, die in ihren letzten Lebenstagen gleichermaßen medizinische Versorgung und menschliche Begleitung brauchen. Acht Personen können in dem Neubau aufgenommen werden, der nach rund einem Jahrzehnt Planung und Aufbau schließlich Ende des vergangenen Jahres eröffnet werden könnte.
Über die Arbeit im Hospiz berichteten Martin Schenking, Vorsitzender des Fördervereins und der Stiftung stationäres Hospiz Rhein-Lahn, Hospizleiterin Hanne Benz und Schwester Kerstin Vogt zusammen mit Nadine Raab, der Tochter eines dort untergebrachten Patienten. Ihr 73 Jahre alter Vater stammt aus Simmern im Westerwald, ist unheilbar an Darmkrebs erkrankt und wurde mitten aus dem Leben gerissen. „Es ist egal, wann ich hier angerufen habe, es war immer jemand bereit, mir Auskunft über meinen Vater zu geben oder auch mal kurz in sein Zimmer hineinzuschauen, um durchzugeben, wie es ihm geht“, lobt Nadine Raab, die in München zu Hause ist. Sie hat versucht, Pflege in der Wohnung ihres Vaters zu ermöglichen. „Wir haben das versucht und viel um ihn herumgebaut“, berichtet sie über den Versuch der Versorgung daheim, mit dem man aber nicht erfolgreich war. „Wir haben einen Ort gesucht, in dem er mit Würde seinen letzten Weg auf sich nehmen kann. Es war eine glückliche Fügung, dass es hier geklappt hat“, betont Nadine Raab. „Hier fühlt sich mein Vater sicher und ist entspannt“, ergänzte sie.
Im Hospiz wird ihm nicht nur geholfen, es ist die menschliche Nähe, die die besondere Begleitung ausmacht. „Er ist hier wirklich angekommen“, unterstreicht Nadine Raab. „Wir machen hier auch Blödsinn miteinander, außerdem wird auch viel gekuschelt“, schildert Schwester Kerstin den Umgang mit den Patienten. Viele Menschen haben kurz vor ihrem Tod einen großen Redebedarf und stoßen damit bei den Mitarbeitern auf offene Ohren, was einen gewaltigen Unterschied zu vielen Krankenhäusern ausmacht, wo dafür keine Zeit bleibt.
„Das Klavier und die Gitarre kann jeder nutzen.“
Martin Schenking, Vorsitzender des Fördervereins und der Stiftung stationäres Hospiz Rhein-Lahn, zu den Instrumenten im Hospiz
„Wir verfügen hier auch über eine psychosoziale Begleitung und Supervision“, erläutert Hanne Benz. Neben den Hauptamtlichen wird nun auch ein ehrenamtliches Team zusammengestellt, das sich um schwerstkranke Menschen kümmert. Dabei kann es sich um das Vorlesen und um künstlerische Angebote handeln. „Das Klavier und die Gitarre kann jeder nutzen“, erklärt Martin Schenking zu zwei Instrumenten in einem Besprechungsraum. Im Hospiz sind auch Besuche mit Tieren möglich. „Ein Hund war öfters dabei, es können auch Ponys und Schafe aus Gackenbach zu uns gebracht werden“, erläuterte Hanne Benz. Alles dient dem Wohlbefinden und – soweit man davon bei den letzten Tagen vor dem Tod sprechen kann – einem Aufblühen des erkrankten Menschen. Martin Schenking berichtet von einem Mann, der in seinem Aufenthalt im Hospiz einen anderen Mann geheiratet hat, gemeinsam wurden noch Ausflüge möglich, bevor es dann doch zu Ende ging. Zurzeit gibt es 15 Mitarbeiter in der Pflege, drei Hauswirtschaftskräfte und drei Personen in der Leitung des Hospizes. Für interessierte Ehrenamtler soll es Anfang April ein Treffen zum Kennenlernen geben.
Nadine Raab spricht offen über große Beeinträchtigungen bei ihrem Vater, der nach Bestrahlungen phasenweise nicht mehr sehen konnte. Einige Zeit später kehrte das Augenlicht wieder zurück, sodass sie ihn mit dem Rollstuhl nach draußen bringen konnte. „Wir wollen heute auch einen Ausflug machen“, kündigt sie an. „Es ist großartig, dass er immer mit viel Empathie aufgenommen wird. Es gibt immer ein offenes Ohr, viel Wärme und Umarmungen“, hebt Nadine Raab hervor. „Ich weiß einfach, dass er hier sehr gut aufgehoben ist“, erklärt sie. Dazu gehört auch eine erholsame Fußmassage. „Das tut seiner Seele richtig gut“, merkt Nadine Raab an.
„Leben bis zuletzt.“
Der Leitspruch der Einrichtung
Martin Schenking führt in eines der Zimmer, die bewusst keine Nummern haben, dafür sind sie nach Pflanzen benannt. Beim Blick in die Räume wird klar, dass es sich um eine moderne und durchdachte Ausstattung handelt. Aus jedem Raum kann man barrierefrei auf einen Balkon gelangen, Gleiches gilt für den Zugang zu Toilette und Duschraum. Martin Schenking dankt für den Einsatz, den Manuela Lewentz-Twer, die Erste Vorsitzende von HELFT UNS LEBEN, der Hilfsorganisation der Rhein-Zeitung und ihrer Heimatausgaben, mit einer großzügigen Spende und der Übernahme einer Patenschaft für ein Zimmer geleistet hat. Sehr große Hilfe gab es auch von der G. u. I. Leifheit-Stiftung, die entscheidend zum Bau des Gebäudes beigetragen hat. Wer ein Hospiz betreiben will, der muss in Deutschland sicherstellen, dass genügend Spenden dafür vorliegen. „Erst wenn man das nachweisen kann, übernehmen die Krankenkassen die Behandlungskosten“, schildert Schenking den Ablauf.
Martin Schenking erinnert sich allerdings auch an deutliche Vorbehalte, die es bei der Planung und dem Bau gegen das Projekt gegeben hat. „Die Kinder könnten traumatisiert werden, wenn hier Leichen auf der Straße liegen“, soll eine Äußerung aus der Nachbarschaft gewesen sein. Martin Schenking schüttelt noch heute den Kopf, wenn er an solche und andere Pöbeleien denkt. „Leben bis zuletzt“ hält er dem als Leitspruch des Hospizes entgegen.

Zum Abschiednehmen ist ein besonderer Raum eingerichtet worden, in dem sich Kunstwerke von Aloys Rump aus Boppard befinden, die mit illuminierten Himmelskörpern ausgestattet sind. Als das Zimmer verdunkelt wird, erstrahlen die Scheiben mit den Himmelselementen in unterschiedlichen Farben und verleihen dem Raum einen besonderen Glanz. Martin Schenking erläutert, dass bewusst auf religiöse Darstellungen verzichtet wurde, damit sich die trauernden Angehörigen – gleich welcher Konfession – beim Abschied von einem geliebten Menschen wiederfinden können. Die Liegezeit der Menschen im Hospiz beträgt vier bis sechs Tage. Diese letzte Phase vor dem Tod wird ihnen in Nassau so annehmbar wie möglich gestaltet.


Ein Zuhause für die letzte Reise
Am Anfang stand eine Idee, nach mehr als neun Jahren ist sie nun Wirklichkeit geworden. Ab Januar 2025 können erste Patienten im neuen Hospiz in Nassau einziehen.