Seit acht Jahren ist Jens Güllering Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nastätten - Ein Rück- und Ausblick
Eine erste Amtszeit voller Herausforderungen: Jens Güllering zieht Bilanz und blickt nach vorn
Seit acht Jahren ist Jens Güllering Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nastätten. Im März wurde er mit einem sensationellen Ergebnis von den Menschen im Blauen Ländchen als Verwaltungschef bestätigt. Am 1. September begann die zweite Amtszeit. Foto: Markus Eschenauer
Markus Eschenauer

Flüchtlingskrise, Corona-Pandemie, Windkraftdiskussion und noch einiges mehr: 2014 hat Jens Güllering den Posten an der Spitze der Verbandsgemeinde (VG) Nastätten übernommen und mit seiner Mannschaft in diesen acht Jahren nicht wenige Herausforderungen gemeistert.

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Seit acht Jahren ist Jens Güllering Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nastätten. Im März wurde er mit einem sensationellen Ergebnis von den Menschen im Blauen Ländchen als Verwaltungschef bestätigt. Am 1. September begann die zweite Amtszeit. Foto: Markus Eschenauer
Markus Eschenauer

Im Gespräch mit unserer Zeitung zieht der 45-jährige Kesterter, der nach eindeutigem Votum der Bevölkerung im März am 1. September in seine zweite Amtszeit ging, Bilanz und blickt gleichzeitig nach vorn.

1 Was waren denn die großen Themen? Eine Frage, die sich Jens Güllering dieser Tage selbst stellt. Spontan fällt dem 45-Jährigen der Glasfaserausbau ein. Dieser habe eine große Rolle in all den Jahren seiner ersten Amtszeit gespielt, erklärt er und erinnert an die Insolvenz des Funkanbieters Net.Art oder das kreisweite Pilotprojekt mit dem Anbieter Inexio, der sich mittlerweile mit der Deutschen Glasfaser zusammengetan hat. Inzwischen werden die schnellen Leitungen nicht nur an Verteilerkästen, sondern bis ins Haus verlegt. Gefördert erfolgt der Ausbau für Schulen und Krankenhäuser sowie sogenannte weiße Flecken, also gar nicht oder ganz schlecht versorgte Gebiete.

Zudem sei auch eine gewisse Dynamik in die Sache gekommen, sagt Güllering und meint damit, dass Unternehmen auch von sich aus einsteigen. „Die Deutsche Glasfaser hat neun Gemeinden in der Ausbauplanung“, sagt Güllering. Anfang der Woche habe es zudem Gespräch mit Unsere Grüne Glasfaser gegeben, „die grundsätzlich bereit ist, tätig zu werden“. Güllering erachtet das als gut und richtig, wie er sagt, denn eigentlich sollte der Markt solche Dinge regeln.

2 „Der Flächennutzungsplan ist in Kraft.“ Das betont Bürgermeister Jens Güllering mit Blick auf das Thema Windkraft, das ihn von Beginn seiner Amtszeit an beschäftigt und viel Kraft und Nerven gekostet hat. „Es war schon eine heiße Zeit“, erinnert sich der 45-Jährige an sehr emotional geführte Wortgefechte, aufgeheizte Stimmung in Gemeinderäten und Spaliere von Windkraftgegnern, die durchschritten werden mussten.

Zwischenzeitlich hat sich die Lage wieder beruhigt. Auch wenn die Potenzialflächen für mögliche Anlagen ausgewiesen sind, drehen sich in der Verbandsgemeinde Nastätten bislang keine Rotoren. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Thema vom Tisch ist. Seit mehr als zweieinhalb Jahren liegt bei der Kreisverwaltung ein Antrag des Projektierers ABO Wind für den Bau von Windrädern im Bereich Himmighofen und Kasdorf. Auf Nachfrage unserer Zeitung hieß es stets, dass sich das Verfahren noch in der Vollständigkeitsprüfung befinde. Unternehmen und Kreis streiten sich aktuell vor dem Oberlandesgericht.

Das Thema Windkraft hat wieder neuen Schwung bekommen. Ob die Diskussionen heute anders verlaufen würden? Die Gegner werden ihre Meinung sicher nicht geändert haben, so Güllering. Er könnte sich aber vorstellen, dass sich die politischen Entscheidungsträger in den Gemeinden nicht mehr so leicht beeinflussen lassen und stärker die Gesamtverantwortung mitdenken würden.

Am Pfingstsonntag 2014 entschied der damals 36-jährige Jens Güllering die Stichwahl um den Posten des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde Nastätten klar für sich. Zu den ersten Gratulanten zählte sein Amtsvorgänger Raimund Friesenhahn.
Markus Eschenauer/Archiv

3 Dass Jens Güllering das Leader-Programm bei seinem Rückblick als eines der ersten Themen in den Sinn kommt, überrascht vielleicht manchen. Doch auch hiermit ging es im Grunde mit dem Amtsantritt los. Kurz nach seinem Antritt 2014 erfolgte die Anerkennung als Leader-Region, und damit konnte auch das Blaue Ländchen von diesen Fördermitteln der Europäischen Union zur Entwicklung des ländlichen Raumes profitieren. „Wir konnten viele Projekte umsetzen“, erklärt Güllering und erinnert sich noch an die Anfangszeit, in der er durch die Dörfer zog, um den Menschen das Konzept näher zu bringen. Während seiner Zeit im Verbandsgemeinderat Loreley sei das Förderprogramm nicht wirklich bekannt gewesen, und er habe sich ein ums andere Mal gefragt, warum die andere Rheinseite dauernd Geld bekommt. Das sollte im Blauen Ländchen nicht passieren. „Ich wollte, dass jeder weiß, was Leader bedeutet und welche Chancen es bietet.“

4 Eine Baustelle in der Größenordnung der Umgehung Miehlen-Marienfels wird es in der Verbandsgemeinde Nastätten nicht mehr geben. Daran lässt der Bürgermeister keinen Zweifel. In näherer Umgehung würde er sich allerdings noch eine Entlastungsstraße für Braubach wünschen, von der auch der Verkehr, der aus dem Blauen Ländchen anrollt, profitieren würde. Während unten am Rhein zum Teil heftig diskutiert wird, geht der Straßenbau an Miehlen und Marienfels vorbei kontinuierlich voran. Kritische Stimmen an dem Megabau sind selten und leise. Eher überwiegt das Interesse an dem, was sich da tut.

Ausdruck dessen ist auch die große Teilnehmerschar bei den jährlichen Baustellenbegehungen, die Güllering ins Leben gerufen hat, um gemeinsam mit den Verantwortlichen und Fachleuten vom Landesbetrieb Mobilität Diez den Bürgern die Umgehung transparenter zu machen. „Das hat sicherlich zur Akzeptanz beigetragen“, gibt sich Güllering überzeugt.

5Feuerwehr ist immer ein großes Thema“, betont Güllering. Entsprechend habe sich in den vergangenen Jahren auch einiges in diesem Bereich getan. Der Bürgermeister meint damit nicht nur die Ausstattung der Einheiten oder die Planungen für neue Gerätehäuser in Miehlen und Nastätten, sondern auch Aktionen, die den ehrenamtlichen Frauen und Männern Wertschätzung entgegenbringen sollen. Das Leuchtturmkonzept zur Steigerung der Attraktivität der Feuerwehr hatte seinerzeit viel Beachtung gefunden – auch überregional. „Ich glaube, das hat einen Beitrag dazu geleistet, dass es eine Kontinuität bei den Aktiven gibt und die Zahl in jüngster Zeit sogar gesteigert werden konnte.“ Rund 700 Kameraden sind für die Bevölkerung im Einsatz.

Neben dem Sektor Feuerwehr wird auch im Blauen Ländchen nicht erst seit der Flut an der Ahr im Juli 2021 verstärkt auf den Katastrophenschutz geschaut. Entsprechende Konzepte für die Gemeinden sind in Arbeit, erst am Donnerstag stand das Thema wieder auf der Tagesordnung der ersten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses nach der Sommerpause.

Zwar ist die Verbandsgemeinde bislang bei Starkregenereignissen und anderen Unwettern glimpflich davongekommen, ein Thema sind sie trotzdem. Wie kann im Ernstfall Infrastruktur sichergestellt werden? Wie sieht es mit Lebensmitteln aus, wenn in Supermärkten wegen Stromausfall die Türen zu bleiben? Was ist mit Personen, die zu Hause beatmet werden müssen? Geht man die Sache an, seien neben der Ertüchtigung des Sirenensystems etliche Fragen zu beantworten, sagt Güllering. Deshalb müsse man darüber sprechen, aber das müsse sachlich geschehen. Es dürften keine Schreckenszenarien aufgebaut werden.

6 Anders als an vielen anderen Stellen im Kreis, ist das Blaue Ländchen in Sachen Finanzen seit jeher etwas entspannter. Kann es auch. „Wir sind froh, dass die VG und die Kommunen gut aufgestellt sind“, sagt Güllering. Eine Erklärung für die positive Situation sieht der Bürgermeister in der trotz notwendigerweise aufgestocktem Personal immer noch schlanken Verwaltung. Hinzu kommt, dass die Verbandsgemeinde seit zwei Jahren schuldenfrei ist.

„Wir sind nicht abhängig von einem Unternehmen.“

Jens Güllering hinsichtlich der Gewerbesteuer

Davon profitieren unmittelbar die Gemeinden, denn die Tilgung von Zinsen wird nach unten weitergegeben. Stattdessen konnte die VG Nastätten in den zurückliegenden Jahren die Umlage sogar senken. Wie sich die Finanzen entwickeln, vermag aber auch Güllering nicht zu sagen. Insbesondere bei der Gewerbesteuer sei eine Prognose schwierig. Als Vorteil erachtet der VG-Chef jedoch die breite Streuung an Branchen. „Wir sind nicht abhängig von einem Unternehmen.“

7 Die Corona-Pandemie, die Flüchtlingswelle(n) oder auch der Ärztemangel: All das sind weitere Herausforderungen, denen sich der Bürgermeister, die Mitarbeiter der Verwaltung, aber auch die Menschen im Blauen Ländchen stellen mussten und auch erfolgreich gestellt haben. „Wir konnten zeigen, dass wir nicht nur verwalten können“, betont Güllering, „und ich glaube, wir haben es gemeinsam gut hinbekommen.“

Der Bürgermeister nennt die Einkaufshilfen für ältere Menschen, das ins Leben gerufene Flüchtlingsnetzwerk, das bis heute besteht, und die Erfolge im Bereich Arztpraxen. Es seien alles keine Themen, die primär in die Zuständigkeit einer Verbandsgemeinde fallen, so Güllering, trotzdem wolle er immer sehen, wo die Verwaltung unterstützen und etwas voranbringen kann. Das gilt beispielsweise auch beim Thema Wald und Klimawandel. Gleichzeitig macht der VG-Chef aber deutlich: „Es gibt Bereiche, wo man einfach keinen Einfluss hat.“ Sätze wie, „die Politik muss was machen“, stoßen bei dem 45-Jährigen aus verschiedenen Gründen auf Unverständnis.

„Wir können sehen, was kommt, und Hilfestellung leisten.“

Jens Güllering, über die Rolle der Verbandsgemeinde in Krisenzeiten

Die Liste der Aufgaben war und ist lang. „Ich glaube schon, dass es in den vergangenen Jahren geballt kam“, sagt Güllering. Mit der hohen Inflation und der angespannten Lage im Energiebereich geht es nahtlos weiter. „Ich spüre eine Grundverunsicherung bei den Menschen“, sagt Güllering. Trotzdem sei die Stimmung weitgehend gut. Die Umgehung des Blauen Ländchens biete den Menschen auch das Gefühl einer gewissen Grundsicherheit. Das will die Verwaltung erhalten.

„Wir können sehen, was kommt, und Hilfestellung leisten“, betont Güllering. Dabei dürfe aber nicht vergessen werden, dass in Krisenzeiten die eigentliche Arbeit der Verwaltung weiterläuft – und das, so Güllering, vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, der vor Verwaltungen nicht haltmacht. Unterkriegen lässt sich Güllering mit seiner „jungen, motivierten und fachlich guten Truppe“ aber nicht. Gute Voraussetzungen für die kommenden acht Jahre als Chef im Blauen Ländchen, in denen es sicherlich nicht langweilig wird.

VG besteht seit 50 Jahren

Im Jahr von Jens Güllerings Wiederwahl als Bürgermeister feiert die Verbandsgemeinde (VG) Nastätten ihren 50. Geburtstag. 1972 bei der rheinland-pfälzischen Gebietsreform entstanden, ist sie neben Diez die einzige in ihrer ursprünglichen Form noch bestehende VG im Kreis.

Alle anderen haben bereits Fusionen hinter sich. Als erster Bürgermeister brachte Erwin Damrau das Blaue Ländchen auf Spur. Nach 26 Jahren Amtszeit übernahm Raimund Friesenhahn das Ruder. 2014 folgte dann Güllering. Damit stammen alle drei bisherigen Nastätter Verwaltungschef aus der VG Loreley. me

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