Die Initiative 55 plus-minus lud zur Online-Weinprobe mit Mittelrhein-Weinkönigin Marie Dillenburger ein
Edle Tropfen virtuell genießen: Initiative veranstaltet erste Online-Weinprobe
Ungewohnt: Die Initiative 55 plus-minus lud zur Online-Weinprobe mit Mittelrhein-Weinkönigin Marie Dillenburger (links) ein.
Ulrike Bletzer

Insgesamt 51 Teilnehmer hatten sich über die Videokonferenz-Software Zoom eingewählt, als die Online-Weinprobe der Initiative 55 plus-minus am vergangenen Freitagabend an den Start ging – darunter welche aus Mainz, Dortmund und, man lese und staune, sogar aus New York.

Ungewohnt: Die Initiative 55 plus-minus lud zur Online-Weinprobe mit Mittelrhein-Weinkönigin Marie Dillenburger (links) ein.
Ulrike Bletzer

Online-Weinprobe? Ja, denn hier drehte sich alles um eine jener pfiffigen Ideen, mit denen die Initiative 55 plus-minus die Folgen der Corona-bedingten Einschränkungen und Abstandsgebote zu umschiffen versucht.

Seit einigen Wochen bietet sie, um ihre überwiegend der Risikogruppe angehörenden Teilnehmer einerseits vor dem Virus zu schützen, andererseits aber weiterhin am sozialen Miteinander teilhaben zu lassen, virtuelle Treffen an. Dazu zählen beispielsweise Englisch- und Französisch-Konversationsstunden, Online-Vorträge und -Ausflüge – und jetzt eben zum ersten Mal eine promillegeprägte Zusammenkunft.

Bei der ging es selbstverständlich nicht um billigen Fusel, sondern um ernsthafte Kultur. Was nicht zuletzt daran abzulesen war, dass vorab ein kurzer Film in die landschaftlichen Schönheiten und Sehenswürdigkeiten des Mittelrheintals einstimmte – musikalisch untermalt von den Organisten Markus Frank Hollingshaus und Lars Voorgang, die eine sinfonische Dichtung zu Texten von Victor Hugo und Heinrich Heine vortrugen. Mag sein, dass es mit dem Ton ein wenig haperte – ein gelungener Einstieg in die kommenden rund 60 Minuten war es trotzdem.

Mittelrhein-Weinkönigin Marie Dillenburger als Stargast geladen

Denn als Stargast des Abends betrat nun Marie Dillenburger, die amtierende Mittelrhein-Weinkönigin, die Szene. Seite an Seite mit – und selbstverständlich im erforderlichen Corona-Abstand zu – Dieter Zorbach, dem Sprecher der Initiative 55 plus-minus, stellte sie vom Winzerkeller der Winzergenossenschaft Loreley Bornich drei zwar noch sehr junge, aber schon ziemlich edle Tropfen vor.

Allerdings nicht ohne vorab klarzustellen, wie so eine Weinprobe überhaupt über die Bühne zu gehen hat. „Wir gießen den Wein nur bis zur breitesten Stelle des Glases ein. Das hat verschiedene Vorteile, denn zum einen können Sie dadurch den Wein besser im Glas schwenken, zum anderen lassen Sie ihm auch Platz, um seine Aromen zu entfalten“, erklärte sie den Teilnehmern, die sowohl das Probiergläschen als auch den flüssigen Inhalt dafür via Paketdienst erhalten hatten.

Apropos schwenken: „Dabei müssten Ihnen sogenannte Kirchenfenster am Rand des Glases auffallen“, betonte die Majestät und fügte hinzu: „Breite Bögen sind ein Indiz für einen geringen Alkoholgehalt. Je spitzer die Bögen werden, desto hochprozentigere Weine haben Sie im Glas.“

Online-Weinprobe: Viel Wissenswertes und Überraschendes

Viel Wissenswertes und Überraschendes barg diese Weinprobe also – das gilt auch für die beiden 12-prozentigen Weißweine und den 12,5-prozentigen Rotwein, die nun sukzessive die Gaumen kitzelten und durch die Kehlen rannen.

So erfuhr der staunende Laie zum Beispiel, dass der Grauburgunder, der in Gestalt des Weines „2019er Bornicher Rothenacker Grauer Burgunder trocken“ den Anfang machte, eine „kleine Diva“ unter den Rebsorten ist, weil er sehr hohe Ansprüche ans Klima und an den Boden stellt und dazu auch noch wegen seiner „Engbeerigkeit“ ausgesprochen anfällig für Schimmel und andere Krankheiten ist.

Ebenso wenig dürften viele der Weinverkoster gewusst haben, dass der Riesling als besonders charakteristischer Wein des Mittelrheintals zwar sehr „lockerbeerig“ ist, man beim Entblättern seiner Reben aber Vorsicht walten lassen sollte, oder dass, wie Marie Dillenburger am Beispiel des „2019er Bornicher Rothenack Spätburgunder trocken“ demonstrierte, ein Wein in der Regel umso qualitätsvoller ist, je länger sein Abgang ist – sprich, je länger man ihn nach dem Herunterschlucken noch schmecken kann.

„Das war kurzweilig, das war herzlich, das war sogar schön. Das machen wir noch einmal“

Sehr kenntnisreich dozierte die amtierende Mittelrhein-Weinmajestät nicht nur über Restzuckergehalt, Säuregrad, Öchsle und Co., sondern bereicherte das Geschehen auch mit zahllosen Details über Anbau und Verarbeitung der Trauben, stieg hier und da in die Geschichte der edlen Tropfen ein und gab Tipps, mit welchen Speisen sie sich am besten kombinieren lassen.

Wobei „dozieren“ eigentlich der falsche Begriff ist: Marie präsentierte ihr Wissen überaus charmant – wofür sie zu Recht reihenweise Komplimente bekam. Auch per Video-Chat: „Wir freuen uns auch sehr über diese digitale Weinprobe. Sie stärkt das Wir-Gefühl in diesen schwierigen Zeiten“, „Großes Lob an die Weinkönigin, tolle Moderation!“, „War ein besonderes Erlebnis, Marie ist eine tolle Repräsentantin!“, lauteten einige der Kommentare.

Sicher, die eine oder andere Ausführung wie zum Beispiel, dass der Grauburgunder „Aromen von Nüssen und Mandeln, aber auch eine sehr fruchtige Note nach Äpfeln, Birnen, Ananas und Zitrusfrüchten“ besitze, konnte jemand, der mit einem etwas gröberen Geruchs- und Geschmacksorgan ausgestattet ist, vielleicht nicht eins zu eins nachvollziehen – aber unterhaltsam und anregend war’s allemal.

Man konnte Dieter Zorbach folglich nur beipflichten, als er bilanzierte: „Das war kurzweilig, das war herzlich, das war sogar schön. Das machen wir noch einmal.

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