Von unserer Mitarbeiterin Ricarda Helm
Auf dem Gelände des Freigängerhauses der JVA Diez wird im Mai 1998 ein Paket mit einem Kilogramm Amphetamin übergeben. Der Empfänger ist ein Insasse des Gefängnisses, der Überbringer sein ehemaliger Zellengenosse, der gerade erst nach vierjähriger Haftstrafe wegen Drogenhandels entlassen wurde. Jetzt, 16 Jahre später, wurde dem Überbringer, einem 47-jährigen Niederländer, vor dem Koblenzer Landgericht der Prozess gemacht. Er kassierte wegen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in fünf Fällen und der Beihilfe zum Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten.
Seine drei Komplizen – ehemalige Häftlinge der JVA Diez – waren bereits Anfang 2000 zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Der Prozess gestaltete sich schwierig, denn die meisten Zeugen hatten – gewollt oder ungewollt – nur noch wenige Erinnerungen an die Drogengeschäfte in den späten 1990er-Jahren. Doch der Angeklagte erinnerte sich genau und räumte die Vorwürfe weitgehend ein. Allerdings habe er nur als Kurier fungiert und kaum finanziellen Nutzen gehabt, erklärte sein Verteidiger Ulrich Schmid dem Gericht.
So war es zum Drogenhandel gekommen: Bereits in der Haft verabredete man sich im Freigängerhaus zu den neuen Straftaten. Nachdem der jetzige Angeklagte und einer der beiden Drahtzieher 1998 entlassen worden waren, besorgte Letzterer das Amphetamin in den Niederlanden, und der 47-Jährige brachte es nach Deutschland, um es am Freigängerhaus seinem ehemaligen Zellengenossen zu übergeben. Weil die Abwicklung reibungslos funktionierte und die Qualität der Drogen sehr gut war, beschloss man, das Geschäft auszubauen. Dazu wurden weitere Kuriere eingesetzt. Zur Übergabe verabredete man sich an einem Diezer Café, später im Limburger Kalkwerk, wo die Drogen im Proberaum deponiert wurden. Weitere Treffen fanden bei einem Restaurant in Limburg sowie auf einem Autobahnrastplatz bei Bad Camberg statt. Insgesamt waren es gut acht Kilogramm Amphetamin und 200 Gramm Kokain, die der Angeklagte nach Deutschland einführte. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft war die Aufgabe des Angeklagten, „dafür Sorge zu tragen, dass die Geschäfte stattfinden“, denn „er sei auch in die Verabredung eingebunden gewesen“, sagte Staatsanwalt Oliver Rissel, der eine sechsjährige Haftstrafe gefordert hatte. Dem folgte das Gericht unter dem Vorsitz von Richter Ralf Bock jedoch nicht so ganz und stützte sich bei seinem Urteil auch auf die Angaben der Komplizen, die die Schilderungen ihres Kumpanen im Großen und Ganzen bestätigten.
Einer der Drahtzieher, der 2000 zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war, sorgte bei seiner Befragung für ein Schmunzeln bei den Prozessbeteiligten. Hemmungslos und freimütig erklärte der 49-Jährige dem Gericht, dass er das Vertrauen in die Koblenzer Justiz verloren habe und er deswegen auch nichts aussagen werde. Die Staatsanwaltschaft habe ihm damals eine Aussage förmlich aufgedrängt und ihn hinterher wegen Falschaussage weitere vier Jahre sitzen lassen wollen. Die Richter hätten mehr auf die Lügen seines Kumpanen gegeben. Weil er seine Aussage nicht verweigern konnte, antwortete er deswegen stets, dass er sich an nichts mehr erinnern könne. „Sie müssen wissen, dass es für das Gericht schwierig ist, gute Lügner zu erkennen. Das ist ebenso schwierig wie mit den vergesslichen Zeugen“, entgegnete Richter Bock dem Zeugen.
Dass das Urteil für den Drogenkurier weit unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft ausfiel, hat der Angeklagte seinem Verteidiger zu verdanken. Der kämpfte in seinem Plädoyer förmlich um seinen Mandanten und wies darauf hin, dass der 47-Jährige seit 1999 einer geregelten Arbeit nachgeht, eine eigene Familie hat und nicht mehr straffällig wurde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.