Der Grund: Eine Mehrheit im Fachbereichsausschuss (FB) 4 besteht auf eine Maximalbauhöhe von 18 Metern auf dem Marktplatz – für Netts das Ende jeder Wirtschaftlichkeit. „Das war's“, gab der Entwickler mit Elternhaus in Niederlahnstein denn auch unserer Zeitung bei seiner hastigen Flucht aus der Stadthalle noch mit auf den Weg. Sollte der Stadtrat die Ausschussentscheidung in der kommenden Woche bestätigen, ist das Projekt Markthalle, Eigentumswohnungen und Park gestorben.
Was Netts kräftig die Laune verhagelt hatte: Der Fachbereichsausschuss 4 leitete zwar (wie gewünscht) mit der Öffentlichkeitsbeteiligung das Bebauungsplanverfahren für den Marktplatz ein, setzte aber zwei entscheidende Änderungen gegenüber dem Planentwurf von Stadtplaner Winfried Hoß durch: Zum einen darf die künftige Bebauung nur maximal 18 Meter hoch sein – Netts hatten zuvor unmissverständlich klar gemacht, dass sie 19,40 Meter brauchen, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Die zweite Änderung betrifft den Grad der Versieglung des Bereiches, den Hoß im Planentwurf als „Grünfläche“ ausgewiesen hatte: Bis zu 80 Prozent sollen versiegelt werden können – ein Zugeständnis an alle, die um Parkplätze und Multifunktionsfläche auf dem Marktplatz fürchten.
Der Fachbereichsausschuss 4 hatte eine umfassende Tagesordnung abzuarbeiten an diesem Nachmittag in der Stadthalle – doch die meisten der rund 50 Zuhörer interessierten sich eigentlich nur für Punkt eins, den Bebauungsplan Marktplatz. Die Bürgerinitiative (BI) Pro Marktplatz hatte mobil gemacht und war im kleinen Sitzungssaal omnipräsent. Dorthin war auch Projektentwickler Reinhard Nett gemeinsam mit Ehefrau Maria gekommen, um den Ausschussmitgliedern erneut seine Pläne vorzustellen und anschließend Rede und Antwort zu stehen. Ein laut Nett „maßstabsgetreues“ Modell (nicht wenige Ausschussmitglieder hatten ihre Zweifel daran) sollte zudem einen visuellen Eindruck davon vermitteln, wie sich die Entwickler den Marktplatz der Zukunft vorstellen: Eine sanierte und aufgestockte alte Feuerwehrwache, mit 20 bis 22 Eigentumswohnungen in den oberen Geschossen und einer Markthalle für regionale ökologische Anbieter im Erdgeschoss, die jeweils 40 Quadratmeter Verkaufsfläche zur Verfügung haben. „Das Thema Heimat und Regionalität ist überall angesagt“, weiß Nett, dessen Büro seit 35 Jahren in Koblenz aktiv ist und der nach eigenen Angaben „nicht unerheblich“ dazu beigetragen habe, dass die dortige Altstadt erfolgreich saniert wurde. „Was ich damit sagen will: Wir haben gewisse Erfahrungen in Sanierungen“, erklärte Nett.
Künftige Marktbestücker sollen nur eine geringe Miete zahlen, die ganze Halle könnte so zu einem Treffpunkt für Jung und Alt werden, so Netts Vision. „Ein Anziehungspunkt, auch für Menschen von außen.“ Ein gutes Beispiel, wie dies erfolgreich funktioniere, könne man in Ehrenbreitstein sehen, berichtete er. Stellplätze für die Eigentumswohnungen sollen dort entstehen, wo sich aktuell die alte Jugendherberge befindet.
Neben der Gebäudeaufstockung stellt sich Nett auf dem Marktplatz zudem einen kleinen Park vor, ein kleines Amphitheater für kulturelle Veranstaltungen, einen Kräutergarten für Schulklassen, einen Kinderspielplatz, sogar einen Blindengarten bringt er ins Spiel. „Das alles sichert eine hohe Aufenthaltsqualität“, versicherte er den Ausschussmitgliedern – um anschließend noch einmal auf die Parkplatzsorgen einiger Anwohner einzugehen. „Am Außenring bekommen wir 60 Parkplätze umgesetzt“, versicherte Nett. „Dazu weitere 80 Stellplätze auf dem ehemaligen Bauhof Nord – und schon liegen wir über den derzeit bestehenden 120 Parkplätzen.“ Dies sei doch ein „Wahnsinnsgewinn und tolle Situation für die gesamte Stadt“, schwärmte er – und verwies noch einmal auf den Nachbarn. „Koblenz boomt doch erst richtig, seitdem die Altstadtplätze autofrei gestaltet sind.“
Einen solchen Boom wünscht Nett sich auch für seinen Heimatstadtteil Niederlahnstein. „Denn die Entwicklung der vergangenen Jahre hier macht mich traurig“, erklärte er. „Ich denke, wir haben eine hervorragende Lösung gefunden und sind absolut überzeugt davon.“ Für ihn der Clou: Nur 12 Prozent des Platzes sollen am Ende bebaut sein, lediglich das Gebäude soll von einem Investor abgekauft werden, der Rest verbleibt in städtischem Besitz. „Schließlich heißt der Marktplatz so, weil er den Bürgern gehört.“
An einem ließ Nett, der auch die Alte Burg am Koblenzer Moselufer mit 60 Wohnungen saniert hat, aber keinen Zweifel: Die maximale Bauhöhe dürfe 19,40 Meter nicht unterschreiten, „nur dann bekommen wir rund 2000 Quadratmeter Wohnfläche, die wir unbedingt brauchen, um wirtschaftlich sein zu können.“ Man habe Investoren gefunden, die dies finanzieren würden – einer war gleich mit in den Ausschuss gekommen.
Doch auch der musste mit ansehen, wie dem Projekt – trotz allgemeiner Beteuerungen, wie viel Charme die Ideen doch hätten – der Stecker gezogen wurde. Denn bei der anschließenden Aussprache wurde schnell klar, dass sich keine Mehrheit für eine Höhe von 19,40 Meter (beziehungsweise 20 Meter) finden würde – Bausünden in Oberlahnstein (allen voran das Hotel Weiland, das von vielen immer wieder angeführt wird) sollen in Niederlahnstein unbedingt verhindert werden. Nur einer sprach sich dafür aus, eine Bauhöhe von 19,40 Metern „mit ein wenig Bauschschmerzen“ zu akzeptieren – CDU-Fraktionschef Johannes Lauer. „Dieser eine Punkt ist der Preis, den man zahlen sollte, wenn man den Marktplatz frei haben will“, sagte Lauer und spielte damit auf andere Investoren der Vergangenheit an, die den ganzen Marktplatz komplett kaufen und bebauen wollten. „Herr Nett war der erste, der einen völlig anderen Ansatz brachte“, rekapitulierte Lauer. „Und ich erinnere mich noch sehr genau, wie groß vor einem Jahr über alle Parteigrenzen hinweg die Begeisterung war.“ Letztlich müsse ein Entwickler seine Pläne auch finanzieren können – und wenn man nicht in die Breite bauen könne, müsse man dies eben in die Höhe tun. „Mich persönlich hat das Konzept überzeugt, auch wenn noch viele Detailfragen offen sind“, fasste Lauer zusammen – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die vier anderen CDU-Ausschussmitglieder (Melanie Scheeben, Jutta Krekel, Uwe Unkelbach und Karl Josef Peil) nicht dieser Meinung sind. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Gabi Laschet-Einig findet Netts Pläne „extrem charmant“. Grünfläche in städtischem Eigentum, eine Markthalle als Schmuckstück – Laschet-Einig schwärmte geradezu. „Wir stimmen dem Projekt auch grundsätzlich zu“, erklärte sie, um im nächsten Satz entscheidend einzuschränken. „Die Planung macht uns stutzig.“ Eine Höhe von 19,40 Metern sei noch einmal „deutlich mehr“ als Gebäude in der Umgebung (das Amtsgericht messe zum Beispiel 17,50 Meter), „daher stimmen wir zwar der Offenlage zu, nicht aber der aktuellen Planung“. Die SPD beantragte daher eine geteilte Abstimmung.
Stefanie Muno-Meier von der Unabhängigen Liste (ULL), appellierte an die Kollegen im Ausschuss, bei aller Emotion zur Sachlichkeit zurückzukehren. „Die Kernfrage lautet doch: Wie entwickeln wir den Stadtteil für die Zukunft?“, erklärte Muno-Meier. „Und wenn wir heute nichts machen, befürchte ich, dass der Stadtteil stirbt.“ Daher dränge die ULL bereits lange auf das Bebauungsplanverfahren. Was Parkplätze angeht, sieht die ULL das Ganze weniger dramatisch, „Autos werden in Zukunft nicht mehr die Bedeutung von heute haben“, erklärte Muno-Meier überzeugt. Der Marktplatz müsse davon losgelöst entwickelt werden – daher schlug die ULL einen Workshop mit Bürgerbeteiligung vor, um herauszufinden, was die Lahnsteiner wünschen. Eine Mehrheit fand sie damit nicht.
Die Freie Bürgerliste (FBL) will mittels Onlineumfrage schon herausgefunden haben, was die Leute wollen – entsprechend äußerte Vertreter Stephan Jost die Forderungen der FBL: „Wir wollen 60 bis 80 Stellplätze im Bebauungsplan verankert haben.“ Außerdem sei man für eine maximale Bauhöhe von 18 Metern, „beim Hotel Weiland sieht man ja, wie das sonst ausufern kann“. Auch die Grünen wollten aus optischen Gründen einer Bebauung von 20 Metern nicht zustimmen, erklärte Jutta Niehl. „Wir wünschen uns grundsätzlich immer noch einen kombinierten Bebauungsplan von Marktplatz und ehemaliger Bauhofsfläche.“ Daher werde man dem Verfahren nicht zustimmen. Am Ende stimmte nur Lauer gegen die Maximalhöhe von 18 Metern, zwei Ausschussmitglieder enthielten sich, neun stimmten dafür. Der Stadtrat kann diese Entscheidung am Donnerstag kippen – oder aber bestätigen, was zu erwarten ist.