Streit nach Wohnungsübergabe
Diez: Versuchte Frau, ihre Vermieterin zu überfahren?
Symbolbild
Sarah Knorr. dpa

Eine Wohnungsübergabe in Diez eskalierte dermaßen, dass die Vermieterin am Ende eines Streits vom Auto der Mieterin erfasst wurde und eine Rippenfraktur erlitt. Nun trafen sich die beiden vor dem Amtsgericht Diez wieder.

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Der Vorfall belastet die Geschädigte nach eigener Aussage so stark, dass sie mit einer posttraumatischen Belastungsstörung kämpft und eine Psychotherapie absolviert. Die Frau, die dafür verantwortlich sein soll, bestreitet die meisten Vorwürfe. Beide trafen sich nun wegen des Vorwurfes der gefährlichen Körperverletzung, der Beleidigung sowie des Gefährlichen Eingriffes in den Straßenverkehr vor dem Amtsgericht Diez wieder. Was war geschehen?

Eine 53-Jährige wohnte mit ihren beiden Töchtern bis August 2024 zur Miete in Diez. Vermieterin war eine junge Frau, die in der Grafenstadt als Lehrerin arbeitet. Im Verlauf des Mietverhältnisses kam es immer wieder zu Unstimmigkeiten darüber, wer für welche Schäden in der Wohnung verantwortlich sei. Daher brachte sich die Eigentümerin auch Verstärkung zur Wohnungsübergabe mit, die anlässlich des Auszuges im August 2024 erfolgen sollte. Was dabei geschah, schildern Angeklagte und Geschädigte höchst unterschiedlich.

Rippenbrüche und rassistische Beleidigungen

Laut Anklageschrift kam es zwischen den beiden Frauen zunächst zu einem Wortgefecht über den Zustand der Sauberkeit in der Wohnung, in dessen Verlauf die Angeklagte ihre Vermieterin bezugnehmend auf den Migrationshintergrund der Eltern der Vermieterin rassistisch beleidigt haben soll. Weiterhin habe die Angeklagte ihr Handy gezückt, begonnen die Geschädigte zu filmen und erklärt, sie werde dafür sorgen, dass die Geschädigte ihren Job als Lehrerin verliere und sie eine „beschissene Lehrerin“ genannt. Als die Geschädigte nach dem Handy gegriffen habe, um die Angeklagte am Filmen zu hindern, habe diese die Wohnung verlassen und dabei die Wohnungsschlüssel mitgenommen.

Vor der Tür sei die Angeklagte sodann in ihr Auto gesprungen und habe Anstalten gemacht, wegzufahren. Die Geschädigte versuchte laut Anklage, ihre ehemalige Mieterin zur Herausgabe der Schlüssel zu bewegen, indem sie eine Autotür öffnete. Dann seien weitere, rassistische Beleidigungen erfolgt. Als die Angeklagte daraufhin Gas gegeben habe, sei die Geschädigte von der Autotür getroffen worden, wodurch zwei Rippen brachen. Im Anschluss sei die 53-Jährige ihrer ehemaligen Vermieterin und deren Begleiter noch über den Fuß gefahren und davongebraust.

Die Angeklagte legte in ihrer Schilderung der Ereignisse großen Wert auf das angebliche Verhalten der Vermieterin während der Wohnungsübergabe. „Sie wirbelte wie wild durch die Wohnung. Hier sei noch ein Fleck, da sei noch ein Fleck. Ich habe ihr sogar noch hinterhergeputzt.“ Dann habe die Geschädigte sie als asozial bezeichnet und zur anwesenden Tochter der Mieterin gesagt: „Du tust mir leid, dass du so eine Mutter hast!“ Sie, die Angeklagte, habe daraufhin ihr Handy gezückt, um das zu filmen. Während eines Handgemenges, bei dem beide Frauen versuchten, Kontrolle über das Handy zu erlangen, habe die Vermieterin ihr den Arm aufgekratzt. „Ich bin mit meiner Tochter zum Auto geflüchtet und wollte wegfahren.“ Nach einem weiteren Handgemenge um den Autoschlüssel sei sie zur Polizei gefahren, so die Angeklagte.

Beweisvideo wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet

Den Vorwurf der rassistischen Beleidigung bestritt die Angeklagte auf Nachfrage. „Ich wüsste nicht mal, wo ihr Heimatland ist und gehe davon aus, dass sie in Diez geboren wurde“, verteidigte sich die 53-Jährige. „Beschissene Lehrerin“ habe sie hingegen gesagt, auch, dass sie dafür sorgen werde, dass die Geschädigte ihre Stelle verliere. Später beim Auto habe sie auch angekündigt loszufahren, als ihre Vermieterin sich ihr in den Weg gestellt habe.

„Hier werden also eine Beleidigung und eine Bedrohung zugegeben. Auch, wenn die Bedrohung nicht angeklagt ist“, stellte der Vorsitzende nüchtern fest, woraufhin der Verteidiger entgegnete: „Aber hier ist möglicherweise ein Recht zum Gegenschlag vorliegend, wenn vorher beleidigt wurde“, was den Vorsitzenden zur Bemerkung veranlasste: „Sie können eine Beleidigung nicht mit einer Beleidigung abwehren.“

„Daraufhin hat sie gedroht, mich zu überfahren.“
Die Geschädigte im Zeugenstand

Der Verteidiger präsentierte nun ein viersekündiges Video, auf dem zu sehen ist, wie die Angeklagte begann zu sprechen, während die Geschädigte nach dem Handy greift und deren Ehemann, offenbar an seine Frau gewandt ruft: „Hör auf!“

Nun betrat die Geschädigte den Zeugenstand und begann ihre Schilderung ebenfalls einsetzend mit den Unstimmigkeiten bei der Wohnungsübergabe: „Sie [die Angeklagte] hatte verschiedene Mängel, die ich benannte, dementiert und begann, mich zu beleidigen. Sie holte dann ihr Handy raus. Ich hielt die Hand vor ihr Handy. Sie begann, mich zu schubsen. Ich rief: ’Ich hole die Polizei!’ Daraufhin floh sie zu ihrem Auto und nahm die Wohnungsschlüssel mit. Ich stellte mich neben das Auto und forderte die Schlüssel. Daraufhin hat sie gedroht, mich zu überfahren.“

Während sie versucht habe, die Polizei anzurufen, sei sie zuerst von der Autotür erwischt worden. Einen Augenblick später sei ihr die Angeklagte über den Fuß gefahren. Auch die Konflikte im Vorfeld schilderte die Geschädigte gänzlich anders. So habe die Angeklagte Geld aus einer Versicherungssumme einbehalten, das eigentlich zur Begleichung eines entstandenen Schadens an einem Rollladen gedacht war. „Am Auto fing sie an, meine Kinder zu bedrohen, sie wisse, wo ich wohne und sie werde dafür sorgen, dass ich meinen Job verliere.“

Angeklagte lehnt Deal mit der Staatsanwaltschaft ab

Die 15-jährige Tochter der Angeklagten gab im Zeugenstand an: „Sie [die Geschädigte] meinte, ich tue ihr leid, weil ich so eine Mutter habe. Das hat mich geschockt. Meine Mutter sagte: ‚Wie kann so jemand als Lehrerin arbeiten?‘ und holte das Handy raus.“ Daraufhin sei die Geschädigte auf ihre Mutter losgegangen. Am Auto sei die Situation vollständig eskaliert. „Meine Mutter sagte, ich soll die Polizei rufen, aber ich war zu sehr in Panik.“

Die Staatsanwaltschaft unterbreitete nun das Angebot einer Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage. Die Angeklagte war sich jedoch „keiner Schuld bewusst“ und stimmte einer Einstellung nicht zu. Das Gericht setzte daraufhin das Verfahren aus und ordnete die Anfertigung eines medizinischen Gutachtens an, um zu ermitteln, ob mit dem Auto über den Fuß der Geschädigten gefahren wurde. Fortgesetzt wird der Prozess voraussichtlich Ende des Jahres.

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