Dass die Gesetzgebung beim Besitz von Bildern oder Videos mit kinderpornografischem Inhalt kein Hintertürchen offen lässt und eine Freiheitsstrafe für den Besitz schon eines einzigen Bildes vorsieht, hat einen guten Grund: „Wenn es keinen gäbe, der sich diese Bilder ansieht, gäbe es diese Bilder erst gar nicht“, fasste es der vorsitzende Richter am Amtsgericht Diez in einem der jüngsten Prozesse zusammen. Damit würde vielen Kindern großes Leid erspart. Für großes Aufsehen hatte vor einiger Zeit der Fall einer Lehrerin gesorgt, die einen solchen Fall von Missbrauch zur Anzeige bringen wollte und die entsprechende Datei an die Polizei weiterleitete, wofür sie sich strafbar machte. In der Folge wurde das Gesetz etwas abgemildert. Die Mindeststrafe wurde von einem Jahr auf drei Monate Freiheitsstrafe gesenkt.
Nun hatte das Strafgericht in Diez den Fall eines Familienvaters zu verhandeln, auf dessen Smartphone bei einer Durchsuchung gleich 75 Fotos und drei Videos mit übelsten kinderpornografischen Inhalten entdeckt wurden. Wie der 48-Jährige von seinem Verteidiger erklären ließ, habe er davon aber keine Ahnung gehabt. Zwar räumte der Angeklagte den Besitz der Dateien ein, diese habe er aber nie gesehen. Vielmehr seien sie über den Messaging-Dienst Telegramm und zahlreiche Chatgruppen, denen er dort angehöre, automatisch und ohne sein Wissen auf sein Handy heruntergeladen worden. Er sei darüber zutiefst beschämt. „Man hat auf dem Handy 75.000 Bilder und Videos aus diesen größtenteils harmlosen Chats gefunden“, so der Verteidiger, womit er den Besitz der 78 fraglichen Dateien nicht verharmlosen, aber dennoch in den Kontext einordnen wollte.
Staatsanwaltschaft gegen Einstellung des Verfahrens
Auf seinen Mandanten war die Staatsanwaltschaft Koblenz aufmerksam geworden nach einem Hinweis eines sogenannten „Cyber Tipline Reports“. So sind alle US-amerikanischen Provider gesetzlich verpflichtet, im Hinblick auf Kinderpornografie alle ihnen bekannt gewordenen strafrechtlich relevanten Sachverhalte an die halbstaatliche Organisation “National Center For Missing and Exploited Children„ (NCMEC) weiterzugeben. Die dort gesichteten Hinweise werden in den „Cyber Tipline Reports“ verarbeitet, die an die Ermittlungsbehörden in den USA und im Ausland weitergeleitet werden.
Im Rahmen der Verhandlung gelangten die Staatsanwaltschaft und das Gericht übereinstimmend zu dem Schluss, dass es sich bei dem bislang unbescholtenen Bürger nicht um einen „typischen pädophilen Täter“ handele. Mit dem 48-Jährigen waren seine Frau und seine beiden fast volljährigen Kinder bei der Verhandlung erschienen, um ihn moralisch zu unterstützen. Dennoch stimmte die Staatsanwaltschaft einer Einstellung des Verfahrens ausdrücklich nicht zu: Der Besitzer eines Handys trage die Verantwortung für alle Inhalte, die darauf zu finden seien. Die Anklageseite forderte eine Freiheitsstrafe von vier Monaten, die jedoch in eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50 Euro, insgesamt also 6000 Euro, umzuwandeln sei. Dem schloss sich das Gericht an.