Verein vor der Auflösung
Die Tramps aus Flacht sind nicht mehr auf Tour
Bei den angebotenen Strecken der Tramps konnten die Wanderer Sehenswürdigkeiten wie die Burgruine Ardeck bei Holzheim direkt anlaufen.
Rolf-Peter Kahl

Es geht den Flachter Tramps wie anderen Wandervereinen. Die Zeit, in der Tausende Wanderer sich regelmäßig bei IVV-Wanderungen auf den Weg machten, ist Geschichte. Was bleibt, sind viele schöne Erinnerungen.

Nach viereinhalb Jahrzehnten, unzähligen gewanderten Kilometern und gelebter Vereinsgemeinschaft ist nun Schluss: Der Wanderverein Tramps aus Flacht stellt seinen Betrieb ein. Ein Schritt, der den Mitgliedern nicht leichtfällt – aber eine Entscheidung, die sich letztlich nicht mehr vermeiden ließ. „Es ist traurig, aber wir müssen der Realität ins Auge blicken“, sagte der langjährige Vorsitzende Bernd Klees während der Jahreshauptversammlung im Gasthaus Schug-Müller in Flacht. „Wir haben über Jahre hinweg gehofft, aber die große Wanderbegeisterung der 1970er- bis 1990er-Jahre ist leider nicht zurückzuholen.“

Tatsächlich zeigen sich die Interessen der jungen Generation heute vielfältiger – aber auch schnelllebiger. Während früher ganze Familien an IVV-Wanderungen teilnahmen, zieht es heute viele zum Joggen, ins Fitnessstudio oder auf actionreiche Trails mit dem Mountainbike. „Der klassische Wanderverein, dessen Mitglieder gemütliche Tageswanderungen mit Rucksack und Vesperbrot durchführten, verlor dabei zunehmend an Attraktivität. Die Teilnehmerzahlen an den IVV-Wanderungen gingen kontinuierlich zurück“, so der zweite Vorsitzende Volker Nicodemus.

Vorsitzende kündigten Rückzug an

34 Vereinsmitglieder hatten sich zur Versammlung eingefunden, zu der die beiden Vorsitzenden Klees und Nicodemus im Vorfeld bereits angekündigt hatten, dass sie nicht mehr zur Wiederwahl zur Verfügung stehen. Auch aus den Reihen der Versammlungsmitglieder stellte sich niemand zur Wahl. Somit erfolgte der einstimmige Beschluss der sofortigen Vereinsauflösung. Die Vorstandsmitglieder übernehmen nun als sogenannte Liquidatoren in einem Sperrjahr die Abwicklung des Vereins.

Auch wenn der Schritt zur Auflösung schmerzt, blicken die Mitglieder mit Dankbarkeit in die Anfänge zurück. So trafen sich am 14. April 1980 in der Flachter Turnhalle 20 wanderbegeisterte Frauen und Männer, um eine Wanderabteilung innerhalb des größten Ortsvereins, dem Turn -und Fechtclub (TuF) zu gründen, wenig später taufte sich die Abteilung in Tramps um.

Der Altersdurchschnitt der IVV-Wanderer liegt mittlerweile weit über 60 Jahre.
Rolf-Peter Kahl

Als erster Wanderwart fungierte seinerzeit Horst Schuppach, der im Jahr 1999 von Bernd Klees abgelöst wurde. Und so richtete man im Januar 1981 die ersten Flachter IVV-Wandertage aus, die mit 3200 Teilnehmern auch gleich zu einem durchschlagenden Erfolg führen sollten. Jedes Jahr in der letzten Januarwoche wurden die Flachter IVV-Wanderungen angeboten, und im Jahr 1986 erweiterte man das Angebot auch auf die Monate April/Mai. Und bei den landschaftlich reizvollen Streckenangeboten wunderte es keinen Wanderfreund, dass sich bei dem rund 140 Mitglieder zählenden Verein bis zur 52. IVV-Wanderung im Jahr 2023 weit über 100.000 Teilnehmer auf die Strecken „abmeldeten“. Immer wurden drei Strecken angeboten. Über fünf, zehn oder 20 Kilometer führten die Rundwanderwege – immer in einem hervorragend präparierten und optimal gekennzeichneten Zustand. Die Gäste, die teilweise aus dem gesamten Bundesgebiet angereist kamen, lobten die Angebote mit Sehenswürdigkeiten wie der Burgruine Ardeck, der Schaumburg oder das Diezer Grafenschloss.

Bernd Klees (links) und Volker Nicodemus (4. von links) konnten sich immer auf viele Vereinsmitglieder verlassen, die bei den Wanderungen als Helfer im Einsatz waren, aber auch die wurden immer älter.
Rolf Kahl

Bernd Klees durfte immer auf die Unterstützung von rund 40 bis 45 Helfern zählen, die an den beiden Wandertagen rund um die Uhr im Einsatz waren. Ob als Streckenposten, Parkplatzanweiser, Kontrollposten, Kassierer oder Auswerter, es gab immer reichlich zu tun. Auch bei der Bewirtung in der Turnhalle wurden helfende Hände benötigt. Unterstützt wurden die Tramps auch von Mitgliedern des Deutschen Roten Kreuzes Untere Aar aus Hahnstätten, der Freiwilligen Feuerwehr Flacht und der Flachter Bevölkerung mit Kuchenspenden. Und selbstverständlich waren die Mitglieder auch bei Wanderungen anderer Vereine aktiv, denn nur durch die regelmäßige Teilnahme an den Veranstaltungen anderer Vereine kamen auch die entsprechenden Teilnehmerzahlen zu den eigenen Wandertagen zusammen.

Weniger Mitwanderer, mehr graue Haare

In all den Jahren hat der Verein aber auch einen maßgeblichen kulturellen Beitrag in und außerhalb von Flacht geleistet. Oberstes Gebot waren die Pflege und Förderung des Wanderns in all seinen Formen, der Umgang mit der Natur und der Umweltschutz. Darüber hinaus wurde dem geselligen Bereich stets ein großer Stellenwert eingeräumt. So waren die Durchführungen von Ausflügen, Grillabenden, Rapsblütenfesten und die Teilnahme an Kirmesumzügen „Pflichtprogramm“ für die Mitglieder. Auch die nahezu regelmäßige Beteiligung an den närrischen Umzügen des Dreierbunds Diez-Limburg-Hadamar zählte dazu.

Trotz aller Bemühungen um neue Impulse und Verjüngung schrumpfte die Zahl der aktiven Mitglieder sowie die der Wanderer, von denen viele jedes Jahr zur Teilnahme anreisten. In beiden Lagern sind die Mitglieder mittlerweile hochbetagt, das Durchschnittsalter liegt deutlich über 60. „Wir hatten gehofft, dass junge Familien oder sportbegeisterte Jugendliche Interesse finden – aber die Zeiten haben sich geändert“, schließt Klees die Erinnerung. Trotz allem überwiegt bei den Tramps die Dankbarkeit. Über die Jahrzehnte wurden unzählige Freundschaften geknüpft, Natur erlebt und Gemeinschaft gepflegt.

Bernd Klees denkt im Laufe des Abwicklungsjahres an ein Treffen, um Abschied zu nehmen – mit Geschichten, Fotos, alten Weggefährten und vielleicht ein paar Tränen. Der Verein mag gehen, doch seine Spuren bleiben auf vielen Wegen des Aartals erhalten.

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