Freiwillige lesen erstmals Riesling und Müller-Thurgau in Weinähr für Jedermann-Projekt - Nächster Einsatz ist am Sonntag
Bürgerweinberg: Erste Trauben sind im Keller
Schon zu Beginn am Morgen waren die meisten der insgesamt 17 Helfer mit dabei: Im Weinährer Schnepfs Wingert lasen sie die ersten Trauben für das Bürgerweinberg-Projekt.
Carlo Rosenkranz

Weinähr/Obernhof. Für das noch junge Projekt Bürgerweinberg Obernhof/Weinähr ist es „das große Finale“ des ersten Jahres, wie es Monique Thesing formuliert. Als „Wingertschütz 1“ hat sie zur ersten Lese in den Schnepfs Wingert nach Weinähr eingeladen. Fast alle der 17 freiwilligen Helfer können schon am Morgen mitmachen, obwohl der Termin mitten in der Woche liegt. Bis zum Wochenende wollte man angesichts des möglichen Regens dann doch nicht warten. Denn die Trauben sind in einer hervorragenden Verfassung.

Lesezeit 3 Minuten

Dass im Rahmen des gerade erst gestarteten Bürgerweinberg-Projekts überhaupt schon Trauben vom Stock gepflückt werden können, ist ein Glücksfall. Während die vergangenes Jahr gerodete Fläche am Goetheberg in Obernhof erst im Frühjahr mit jungen Reben bestockt wurde, die erst in einigen Jahren nennenswert Frucht bringen werden, kann man in Weinähr auf einen alten Wingert zurückgreifen.

Damit wird die Faszination Weinbau für die Interessierten gleich im ersten Jahr des Projektes in vollem Umfang und mit allen Sinnen begreifbar. Vollreife Trauben zu lesen und ihrer Verarbeitung beizuwohnen ist eben etwas anderes als zwei, drei Jahre nur Unkraut zu jäten, Stangen in den Boden zu stecken und junge Triebe anzuheften. Die Lese ist sozusagen die Krönung im Jahr eins eines beispielhaften Projektes, das im Zuge der Flurbereinigung der letzten verbliebenen Weinbergsflächen an der Lahn möglich wurde.

Dass sich für den Arbeitseinsatz am Mittwochmorgen mehr als zwei Dutzend Helfer angekündigt haben, ist für Monique Thesing ein deutliches Zeichen dafür, „wie groß das Engagement ist“. Sogar Hotelgäste aus Ostdeutschland, die ihren Urlaub in Obernhof verbringen, sind gekommen. Die weiteste Anreise hat eine Dame aus Dormagen, die rund anderthalb Stunden mit dem Auto nach Weinähr unterwegs war. Sie hat Thesing bei ihrer Fortbildung „Winzer für ein Jahr“ auf einem Weingut in Leutesdorf kennengelernt.

Einige aus der näheren Umgebung haben im Frühjahr bereits beim Mähen und anderen Arbeiten im Weinberg mit angepackt. Das Interesse von Laien, den Weinbau in all seinen Facetten kennenzulernen, ist offenbar groß. Schon 115 Interessenten beziehen den regelmäßig von Thesing verschickten Newsletter zum Bürgerweinberg. Dass diese noch keine Gelegenheit hatten, sich eine Organisationsform zu geben, ist vor allem Corona geschuldet.

Thesing und Winzer Christopher Beck geben kurze Anweisungen, worauf bei der Lese zu achten ist. Nicht alle, die sich im sonnenbeschienenen Schnepfs Wingert eingefunden haben, verfügen über Erfahrung bei der Traubenernte. Die Zahl der Reben, die Frucht tragen, ist überschaubar. Die Rebzeilen sind lückenhaft, der Frost hat seinen Tribut gefordert, und mit ihrem Alter von 50 bis 60 Jahren sind die Stöcke auch nicht mehr so ertragreich. Dennoch: Am Ende des Vormittags sind etwa 200 Kilo Müller-Thurgau-Trauben und rund 300 Kilo Rieslingtrauben zusammengekommen. Und die Qualität stimmt allemal. Bei sehr guten 83 Grad Oechsle liegt das Mostgewicht. Das entspricht dem Kabinett auf der Skala der Deutschen Prädikatsweine.

Wer noch Zeit hat, wohnt auch der Weiterverarbeitung der Trauben bei. Diese findet nur wenige Hundert Meter entfernt im Betrieb von Christopher Beck statt. Dort werden die Früchte zermahlen und gepresst. Etwa 300 Liter Most kommen so zusammen, die nun zu Wein vergoren werden. Das reicht jedoch nicht aus. Schließlich will man nicht nur alle künftigen Teilhaber und Helfer des Projektes im kommenden Jahr mit einer Flasche des Jahrgangs 2020 belohnen, sondern durch den Verkauf auch auf den Bürgerweinberg aufmerksam machen. Schließlich soll dieser sich mittelfristig finanziell selbst tragen. Deshalb kauft man Rieslingtrauben vom Obernhofer Weingut Massengeil-Beck hinzu. Doch der Bürgerweinberg wäre kein Mitmachprojekt für jedermann, wenn die Früchte einfach geliefert würden. Stattdessen haben nun alle, die am Mittwoch keine Zeit hatten, eine zweite Chance zur aktiven Beteiligung. Am Sonntag, 27. September, trifft man sich ab 9 Uhr in der Weinährer Giebelhöll, um weitere Rieslingtrauben für den Gemeinschaftswein zu lesen.

Für die Lese am Sonntag, 27. September, muss man sich wegen der Corona-Auflagen zwingend anmelden, am besten per E-Mail an wingertschuetz1@gmx.de. Weitere Infos zum Bürgerweinberg gibt es im Internet unter dem Kurzlink www-ku-rz.de/buergerweinberg

Von unserem Redakteur Carlo Rosenkranz

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