Gedrückte Stimmung herrschte am Mittwochabend bei der Stadtratssitzung in St. Goarshausen – genau eine Woche, nachdem Stadtbürgermeisterin Anna Maria Ledwinka überraschend ihr Amt niedergelegt hatte. Gleichzeitig hatte der weitere Beigeordnete Markus Killer die Brocken hingeschmissen, und auch Ratsmitglied Claudia Weisbrod, die Schwester von Ledwinka, hatte ihr Mandat zurückgegeben. So leitete der Erste Beigeordnete Daniel Daum die Sitzung.
Konflikt um weitere Stadtentwicklung
Bevor in die offizielle Tagesordnung eingestiegen wurde, ging Daum auf die aktuellen Ereignisse ein: „Ich finde es persönlich schade, dass die beiden“ – Ledwinka und Killer – „ihr Amt niedergelegt haben. Wir bedanken uns für die geleistete Arbeit“. Auch für die langjährige Ratsmitarbeit von Claudia Weisbrod dankte Daum. Darüber hinaus sei er mit Anna Maria Ledwinka so verblieben, dass vorerst nichts weiter zu den Hintergründen der Amtsniederlegung kommuniziert werde. Für eine Stellungnahme war Ledwinka auch für unsere Zeitung nicht erreichbar.

In einem Schreiben an die Ratsmitglieder schrieb Ledwinka, dass sie angetreten sei, um die Stadt voranzubringen. Nun aber habe sie „feststellen müssen, dass ich, was die Stadtentwicklung betrifft, andere Vorstellungen und Herangehensweisen habe“. Dies habe die Umsetzung von Projekten, aber auch die Zusammenarbeit im inneren Kreis erschwert.
Terminfrist: Wichtige Themen drängen
Heinz-Peter Mertens, selbst von 2014 bis 2017 Bürgermeister der Loreleystadt, findet die unerwartete Amtsniederlegung Ledwinkas „sehr betrüblich“ und fragte mit Blick auf die nächsten Wochen, ob bereits weitere Sitzungen geplant seien, gerade auch angesichts drängender Themen wie Rhein in Flammen oder die Festsetzung der Grundsteuerhebesätze. Ein weiteres wichtiges Thema, mit dem sich der Stadtrat befassen muss, ist der aktuelle Stand bei der Sanierung des Bahnhofs, in den das Rathaus alsbald einziehen soll. Dort sei inzwischen die Küche eingebaut, der Defibrillator, der an dem Bahnhofsgebäude angebracht werden soll, werde in den nächsten Tagen geliefert, und auch der Kassenautomat für die Toiletten sei abgerufen, informierte Hans-Jörn Wilhelm. Er bat darum, sich bald noch mal zusammenzusetzen, um über Möblierung und Technik zu sprechen – Angebote lägen vor –, da Ende Juni Schlussrechnungsdatum für die Maßnahme sei, die auch über Fördermittel finanziert wird. Alles, was danach entschieden würde, gehe auf Kosten der Stadt.
Doch Entscheidungen zu treffen, dürfte in der derzeitigen Konstellation im Stadtrat schwierig werden. Der Erste Beigeordnete Daniel Daum informierte darüber, dass er schon im Herbst darauf hingewiesen habe, dass er von April /Mai bis nach Rhein in Flammen gar nicht zur Verfügung stehe, und auch der weitere Beigeordnete Harald Steil sei zwischenzeitlich für vier Wochen in Urlaub. Das habe zur Folge, dass zeitweise weder Daum noch Steil für Abstimmungen beispielsweise mit Behörden persönlich anwesend sein können, was durchaus problematisch ist. Über Wochen wird nach aktuellem Stand in St. Goarshausen kein Beigeordneter verfügbar sein.
Erster Beigeordneter wird über Monate nicht in St. Goarshausen sein
Er habe erst Dienstag und Mittwoch Gelegenheit gehabt, ins Rathaus zu kommen und mit der Ex-Bürgermeisterin eine Übergabe zu machen: „Momentan bin ich selbst etwas im Blindflug“, gab er unumwunden zu. Geplant sei, voraussichtlich für Montag, 5. Mai, die nächste Ratssitzung zu terminieren und einen neuen weiteren Beigeordneten zu wählen. Bis dahin wolle Daum auch klären, über welche Themen beraten und welche Beschlüsse gefasst werden müssen und was dringend ansteht – beispielsweise Rhein in Flammen.
Daum sagte im Stadtrat, er habe im Januar angeboten, aus operativen Gründen wegen einer längeren Abwesenheit als Erster Beigeordneter zurückzutreten. Danach hatte er sich aber anders entscheiden. Als Ausblick gab der Erste Beigeordnete mit, dass sporadische Ratssitzungen möglich seien, Ausschusssitzungen aber nicht: „Nach jetziger Planung bin ich von Mitte Juni bis Ende September gar nicht in St. Goarshausen.“ Von unterwegs aus könne er zwar einiges tun, aber eben keine Sitzungen leiten. Er werde nun versuchen, einen Sitzungsplan auszuarbeiten, der auch einzuhalten ist. Umso wichtiger sei es in der aktuellen Situation, einen Dritten Beigeordneten zu haben, der gegebenenfalls in der kommenden Ratssitzung gewählt werden soll.
Darüber hinaus soll dann auch der Wahlausschuss benannt werden. Daum kündigte bereits an, dass er weder zur Zulassung der Bewerber zum Bürgermeisteramt als auch zur Wahl des neuen Bürgermeisters in St. Goarshausen anwesend sein kann und daher und daher auch für den Wahlausschuss nicht zur Verfügung steht.
Stadtrat trifft doch noch Entscheidungen
Trotz aller Querelen konnte im öffentlichen Teil der Sitzung noch eine schmale Tagesordnung abgearbeitet werden. So wurde darüber informiert, dass ein Darlehen in Höhe von 963.500 Euro zur Finanzierung von Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen aufgenommen worden sei und eine Eilentscheidung getroffen wurde, den Zuweg zum Biergarten zur Loreley-Freilichtbühne kurzfristig für rund 3200 Euro zu reparieren.
Darüber hinaus stimmten die Ratsmitglieder über einen Antrag zur Verlegung von Stolpersteinen ab. Ein Herr Klein aus Uruguay hatte Kontakt zur Stiftung Spuren des Künstlers Gunter Demnig aufgenommen, die die Stolpersteine verlegt, mit der Bitte, Stolpersteine zum Gedenken an seine Urgroßeltern in Wellmich zu verlegen. Diese führten dort damals eine Metzgerei. Finanziert würde die Maßnahme durch eine Spende. Der Rat stimmte dem Antrag einstimmig zu. Abschließend wurde noch das Einvernehmen zur Kreuzung von Gewässern im Rahmen des Breitbandausbaus einstimmig hergestellt.
Ein neuer Bürgermeister muss gewählt werden
Wenn ein Bürgermeister sein Amt niederlegt, sieht d ie Gemeindeordnung vor, dass innerhalb von drei Monaten eine Neuwahl stattfinden muss. Den Termin für die Neuwahl legt die Kommunalaufsicht, also die Kreisverwaltung, fest – voraussichtlich in der kommenden Woche. Dann können sich Kandidaten bis zu einer festgesetzten Frist um das Amt bewerben oder vorgeschlagen werden. Ein Wahlausschuss muss gegründet werden und am Tag nach Ablauf der Frist prüfen, ob die Wahlvorschläge gültig sind und zur Wahl zugelassen werden. Sollten sich keine Kandidaten für das Ehrenamt finden, wählt der Stadtrat bei der nächsten turnusmäßigen Sitzung nach der Wahl einen neuen Bürgermeister. zwi

Bürgermeisterin legt Amt nieder: Ein Rückzug zur Unzeit
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