Ludwig Leopold, wie die Kunden ihn kennen: Am Schreibtisch im hinteren Teil des Ladens, immer bereit, das Gewünschte aus dem Regel zu holen oder zu bestellen. Zum 31. Dezember wird die Buchhandlung geschlossen.Foto: Karin Kring
Ludwig Leopold wird in wenigen Tagen 92 Jahre alt. Trotzdem hat er fast 30 Jahre über das Rentenalter hinaus die Buchhandlung in der Hochstraße 43, übrigens auch sein Geburtshaus, geführt. Sie war und ist sein Leben. Wer nach Büchern stöberte, traf ihn meist im hinteren Ladenbereich an seinem Schreibtisch, still, beobachtend und immer bereit, zu helfen. Ein Bestseller, der gerade erst erschienen ist? „Ja klar, das haben wir“, sagte Ludwig Leopold. Das Werk eines französischen Existenzialisten, das leider längst vergriffen ist? „Ja, warten Sie mal, das muss ich irgendwo haben ...!“ Dann brauchte es nur einen Griff, und er zog das Gewünschte aus dem Regal.
Ein Buchhändler mit Leib und Seele, ein Mann, der Bücher liebt und auch heute noch am liebsten Krimis liest, wie er beim Plaudern an seinem Schreibtisch erzählt. Er absolvierte eine Ausbildung, „dann machte ich die Buchhändlergesellenprüfung in Köln. Ich hatte eigentlich nie einen anderen Berufswunsch, als Buchhändler zu werden“, sagt er. So übernahm er das Geschäft seines Vaters und Großvaters.
„Ich hatte eigentlich nie einen anderen Berufswunsch, als Buchhändler werden.“
Ludwig Leopold wird in diesen Tagen 92 Jahre alt und schließt seine Buchhandlung Mentges jetzt zum Jahresende.
Ludwig Leopold ist der fünfte Inhaber seit Geschäftsgründung. Mehrfach wurde modernisiert, zuletzt 1980 auf die doppelte Fläche. Neben Schreibwaren, Büroartikeln und Zeitschriften gab es Unterhaltungs- und Kinderliteratur, Bücher über Reisen, Sprachen, Naturwissenschaft, Kunst, Musik, Geschichte und ein breit gefächertes Sortiment an Taschenbuch-Literatur. Eigentlich alles, was Bücherfreunde lieben. Und wenn mal etwas nicht im Regal stand, hat Ludwig Leopold für den nächsten Tag bestellt, sodass niemand lange auf seinen Lesestoff warten musste. Immer richtete er auch den Blick auf Neuerscheinungen.
Ob die Biografie von Barack Obama oder der Salmfang am Rhein – kurz nach Erscheinen hatte der Buchladen Mentges es garantiert schon im Schaufenster platziert. Nicht zuletzt haben Generationen von Schülerinnen und Schülern hier ihre Schulbücher gekauft: Nach Listen sortiert und fertig verpackt zum Abholen bereit.
So hätte es eigentlich weitergehen können und sollen. Aber dann kam Corona. Mit wochenlangen Schließungen des Einzelhandels. Dann kam der Trend, Bücher im Onlinehandel zu bestellen. Praktisch, aber unpersönlich. Die Zahl der Kunden sank, „uns fehlen vor allem junge Kunden“, sagt Jutta Kauth. Viele drückten zwar jetzt ihr Bedauern aus, besucht hätten das Geschäft aber nur noch wenige. Neben Brigitte Samfass gehört sie zum festen Team im Buchladen. Seit 40 Jahren. „Jeder Tag war neu. Und ich habe immer viel gelernt, von Kunden in vielen Gesprächen, und auch von meinem Chef“, sagt sie und kann selbst kaum glauben, dass die Ära Mentges jetzt zu Ende geht.
Zu den Problemen der vergangenen beiden Jahre, in der die Buchhandlung fast nur noch ein Hobby war, kommt jetzt die Energiekrise dazu. Hohe Unterhaltungs- und Energiekosten, die zum endgültigen Schritt zwingen. Einen Nachfolger gibt es leider nicht. Ludwig Leopold wird sein Geschäft vermissen, wird sich erinnern an so vieles, an Lesungen, die er in den 70er-Jahren veranstaltet hat, an die Bücher, die er im eigenen kleinen Verlag herausgegeben hat, an die besonderen und ausgefallenen Bücher, die er besorgt hat und vor allem an die vielen Gespräche mit seinen Kunden. Sein Lebenswerk.
Aber es scheint an der Zeit zu sein. Nach einem Ausverkauf schließt die Buchhandlung Mentges zum 31. Dezember. Ein Stück Lahnstein geht verloren.
Ein Blick in die Geschichte
Stadtarchivar Bernd Geil hat die Geschichte der Buchhandlung Mentges zusammengetragen. Sie begann, als Rudolph Preus 1865 in der Kirchstraße eine Buchbinderei eröffnete. Durch herzogliches Dekret wurde sein Gesuch zum Betrieb einer Buch- und Kunsthandlung am 13. April 1865 „im Auftrag herzoglicher Landesregierung vorbehaltlich jederzeitigen Widerrufs“ durch das Amt Braubach genehmigt. Wenige Jahre darauf verlegte er die Buchhandlung in das Haus Hochstraße 43, dem heutigen Standort.
Nach dem Tod von Preus gelangte Matthias Josef Mentges 1873 durch Einheirat in den Besitz des Geschäftes, das er unter seinem Namen weiterführte. Von ihm ging es 1910 auf Sohn Josef Mentges über. Nach einem Umbau 1912 wurde der Buchhandlung auch ein kleiner Verlag angegliedert. 1929 ging das Geschäft durch Kauf auf den Buchhändler Hermann Leopold aus Bonn über, dessen Sohn Ludwig seit 1979 Inhaber ist. Hermann Leopold stand seinem Sohn bis kurz vor seinem Tod 1989 hilfreich zur Seite. kr